Angeschmürzelte Haare und eine Brandwunde
11.03.2025 Bezirk Liestal, Gemeinden, Gesellschaft, Baselbiet, FasnachtEs begann mit einer Bieridee an Silvester und endete mit Schmerzen am Rücken und einem Gefühl von Erleichterung am Gestadeckplatz in Liestal: Ich bin ein «Chienbäseträger».
Bloderi
Mit dem Eindunkeln über Liestal weichen ...
Es begann mit einer Bieridee an Silvester und endete mit Schmerzen am Rücken und einem Gefühl von Erleichterung am Gestadeckplatz in Liestal: Ich bin ein «Chienbäseträger».
Bloderi
Mit dem Eindunkeln über Liestal weichen das geschäftige Treiben und die heiteren Gespräche einer andächtigen Stille. Die Träger reihen sich auf der Schulanlage Burg ein, zurren ihre Helme fest und trinken zum letzten Mal Wasser, einige auch einen Schluck Brand gegen das Nervenflattern: Der «Chienbäse»-Umzug steht an. Die Flammenwerfer werden angeworfen. Nach einigen Minuten brennen die Mulden. Mein Nachbar kommentiert die Anzündstelle läppisch als «Höllenfeuer».
Wenige Meter pro Minute nähere ich mich den riesigen Stichflammen. Vom «Törliplatz» her hallt bereits der Jubel bis auf die Burg. Der Platzanweiser fragt uns, wer zusammengehört, und wir reihen uns ein. Nochmals tief Luft holen, die Augen zukneifen und dann geht es los. Ich lege den Besen auf die Kante der Mulde, um ihn anzuzünden. Die Hitze ist unerträglich. Beim Schreiben dieser Zeilen brennt meine Haut immer noch. Mein Kollege nebenan hat ein wenig Mühe, seinen in Flammen stehenden Riesenbesen zu schultern. Glücklicherweise hörte ich auf die erfahreneren «Chienbäsebauer» und begnügte mich mit rund 25 Kilo.
Der Besen fällt, die Jacke brennt
Danach geht es schnell. Einspuren und loslaufen. Bereits nach kürzester Zeit verlier ich den Grossteil meiner «Gspänli». Die Funken fliegen mir ins Gesicht. Die Menschenmenge erkenne ich nur schemenhaft aus dem Augenwinkel. Der Rauch brennt in den Augen. «Auf was habe ich mich hier nur eingelassen!», ist das Einzige, was mir jetzt noch durch den Kopf geht.
Doch dann höre ich den Jubel der Leute, den Applaus und das Anfeuern. Die körperliche Anspannung löst sich, ein Lächeln gleitet mir über die Lippen. Ein kleiner Anflug von Stolz. Einen gefühlten Augenblick später erblicke ich das Törli. Plötzlich lasse ich meinen Besen fallen. «Peinlich!» Der Feuerwehrmann kommt sofort zu Hilfe und fragt mich: «Schaffsch es no?» Ich bringe nur ein «Jo, jo» heraus. «Bisch sicher?», fragt er. Ich schiebe ein bestimmtes «Jo» nach und mache mich bereit, weiterzulaufen.
Der Rücken brennt. Der Feuerwehrmann klopft mir die Glut von den Schultern. Der Törliplatz ist so hell erleuchtet, dass jeder mein aufgeklebtes Lernfahrer-L auf der linken Brust sieht: «Danke dafür, mein lieber Kollege!» Scheinbar ist das als Frischling Pflicht, wurde mir gesagt. Immer noch vor dem «Törli» stehend, sackt plötzlich eine Frau in der ersten Reihe der Zuschauermenge zusammen. In einer Szene, die kaum an Dramatik zu überbieten ist, schleppen vier Feuerwehrleute die Frau unverzüglich in Sicherheit und teilen die Menschenmenge mit Schreien.
«Hauptsache, er brennt noch»
Die anderen Träger sind bereits weit unten in der Rathausstrasse. Dann kommt der magische Moment: Ich laufe durch das Törli. Einen kurzen Augenblick wird es feucht. Es tropft von der Decke, die bei den Feuerwagen benetzt wird, damit das Liestaler Wahrzeichen nicht in Flammen aufgeht. Mittlerweile kann ich die Parade geniessen. Mein Gesicht beginnt sich zu entspannen. Zum ersten Mal blicke ich ein wenig um mich und sehe Unzählige, die ihre Klöpfer an den «Chienbäse» braten. Es wird gelacht, die Stimmung ist ausgelassen. Plötzlich höre ich meinen Namen. Ich drehe mich kurz um, winke, kann jedoch niemanden erkennen.
Der Besen wird immer leichter, zum Glück! Denn die Glut sitzt mir gefühlt bereits eine halbe Ewigkeit im Nacken. «Ich hätte mir doch eine feuerfeste Jacke kaufen sollen», denke ich mir. «Meine Vorbereitung war doch fahrlässig!» Vorbei am Ziegelhof-Areal schaue ich kurz zurück und betrachte den kümmerlichen Rest meines Besens. «Er brennt noch, das ist die Hauptsache», sagt mein Kollege nebenan.
Ich erwische mich, wie ich schon meine Fehler beim Besenbauen analysiere: «Die Scheite müssen dichter aneinanderliegen, sonst fällt mir die Kohle beim nächsten Mal wieder auf die Schultern und der Besen brennt nach zwei Minuten bis zum Stecken runter.»
Nachdem der Besen auf dem Gestadeckplatz in der Mulde landet, klatschen wir uns ab: Der Umzug ist geschafft. Ich reisse das «L» ab und ernte einige Lacher für mein Brandloch auf dem Rücken und die angeschmürzelten Haare im Gesicht. Die Feuertaufe ist bestanden und wird mit dem obligaten «Chienbäsebier» begossen. Zum Wohl!