«Als Kantonsarzt helfe ich indirekt»
26.01.2024 Baselbiet, Gesundheit, BaselbietAref Al-Deb’i über seine Arbeit ohne direkten Kontakt mit Patientinnen und Patienten
Seit rund einem halben Jahr ist Aref Al-Deb‘i als Kantonsarzt des Baselbiets tätig. Dabei ist er unter anderem zuständig für die Beaufsichtigung von Medizinalund ...
Aref Al-Deb’i über seine Arbeit ohne direkten Kontakt mit Patientinnen und Patienten
Seit rund einem halben Jahr ist Aref Al-Deb‘i als Kantonsarzt des Baselbiets tätig. Dabei ist er unter anderem zuständig für die Beaufsichtigung von Medizinalund Gesundheitsberufen und von Pflegeheimen und Spitexeinrichtungen, für die Umsetzung des Epidemiegesetzes sowie für die Mittelbewilligung für stationäre Drogentherapien.
Andreas Bitterlin
Der Baselbieter Kantonsarzt Aref Al-Deb‘i, der seine Funktion seit dem 1. Juni vergangenen Jahres ausübt, hat arabische Wurzeln. Der Vater stammt aus dem Westjordanland, seine Mutter aus dem Libanon. In den 1970er-Jahren wanderten sie als Kriegsflüchtlinge nach Deutschland aus. Ihr Sohn Aref kam vor 42 Jahren in Deutschland zur Welt. Welche Gedanken löst der Krieg im Nahen Osten, in der Heimat seiner Eltern, bei ihm aus? «Eine sehr grosse emotionale Betroffenheit, insbesondere im Hinblick auf die leidende Zivilbevölkerung auf palästinensischer und israelischer Seite. Das Mitgefühl bewirkt auch, dass ich aus Betroffenheit die schlimmen Bilder aus dem Krieg in den Medien manchmal bewusst nicht mehr betrachten will und kann.»
An der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen studierte er Humanmedizin und absolvierte am Universitätsklinikum Aachen ein Praktikumsjahr. Ein ihm bekannter Oberarzt lockte ihn anschliessend mit einem attraktiven Angebot in die Schweiz, wo er in der Folge als Assistenzarzt am Universitätsspital Zürich und am Spital Uster tätig war. Später wechselte er von der Arbeit am Krankenbett in eine Beratungsfirma, danach ins Gesundheitsdepartement Basel-Stadt und vor Kurzem als Leiter des kantonsärztlichen Dienstes ins Baselbiet. Grund für seine Abkehr vom direkten Kontakt mit den Patientinnen und Patienten zu beratenden, administrativen und rechtlichen Tätigkeiten war seine familiäre Situation. Seine Frau war ebenfalls Ärztin, und beide arbeiteten zu 100 Prozent. Aufgrund der unterschiedlichen Dienstpläne sahen sie sich wochenlang nicht. Er aber wollte seine Familie erleben und sehen, wie seine Kinder Felix (12), Florian (10) und Marie (6) aufwachsen.
Aktuell beschäftigen Al-Deb‘i die grassierende Grippewelle und Covid-Erkrankungen. Er rät Infizierten dringend, zu Hause zu bleiben, um die Ansteckung anderer zu vermeiden, sowie zur Impfung von Über-65-Jährigen und Menschen mit Vorerkrankungen.
Teilzeitarbeit fördern
Eine latent vorhandene Problematik ist im Baselbiet wie in der übrigen Schweiz der Mangel an Arbeitskräften in der Pflege und bei der Ärzteschaft. Aref Al-Deb’i sieht als einen Hauptgrund hierfür, dass die beiden Berufsgattungen ein negatives Image aufweisen, weil von ihnen sehr viel abverlangt wird, was eine befriedigende Work-Life-Balance und ein angenehmes Familienleben oft erschwert. Als Lösungsansatz sieht er, dass diese Berufe wieder attraktiv gestaltet werden, indem die Teilzeitarbeit gefördert wird. Mit Lohnerhöhungen allein sei das Problem nicht gelöst.
Er regt an, bessere Rahmenbedingungen für diese Berufe zu schaffen, damit die Menschen mehr Spass an der Arbeit haben können und nicht das Gefühl vorherrscht, dass kaum mehr Zeit für Familie und Freunde bleibt. Kein optimaler Ersatz ist für ihn der Einsatz von Pflegerobotern, da diese seiner Meinung nach den persönlichen Kontakt nicht erbringen können, der vor allem für geriatrische Menschen mit mehreren Krankheiten unabdingbar sei.
Bei der Beaufsichtigung von Medizinal- und Gesundheitsberufen kann er selbstverstätlich aus zeitlichen und fachlichen Gründen nicht dauernd in Operations- und Geburtssälen und in Hausarztpraxen anwesend sein und die Abläufe überprüfen. Wie regelt er diese Aufgabe? «Wir haben eine Spitalliste, und darauf finden nur Institutionen Platz, welche die geforderten Voraussetzungen wie Hygiene- oder Sicherheitskonzepte erfüllen. Das kontrollieren wir. Bei der niedergelassenen Ärzteschaft erhalten wir auch vereinzelt kritische Hinweise aus der Bevölkerung, denen wir selbstverständlich nachgehen.»
«Ich helfe indirekt»
Aref Al-Deb’i hat den persönlichen Kontakt mit den Patientinnen und Patienten sowie positive Feedbacks von ihnen während seiner Spitalzeit geschätzt, aber er sagt, dass er nach wie vor für sie tätig ist: «Ich helfe ihnen indirekt.» Er nennt als Beispiele, dass er während der Coronavirus-Lage dafür sorgte, dass genügend Beatmungsgeräte zur Verfügung standen und dass er mithalf, dass zwischen den Spitälern ein Verbund zustande kam, der einen sinnvollen Personalschlüssel für alle Kliniken, also auch für die sehr stark geforderten Covid-Patientinnen und -Patienten, ermöglichte.
Als Kantonsarzt präsidiert er die Baselbieter Rettungskommission, die den reibungslosen Ablauf innerhalb der Rettungskette überwacht. Die Rettungskette besteht aus der Sanitätsnotrufzentrale beider Basel, der Erstversorgung (spezifisch geschulte Ersthelfende, Rettungssanitäter, Notarzt), dem Transport am Boden und in der Luft und dem Spital.
In Krisen- und Katastrophensituationen ist der Kantonsarzt als Mitglied der Krisenorganisation für den Fachbereich Sanität verantwortlich und leitet die entsprechende Fachgruppe.