Ehrung für jahrzehntelanges Schaffen
29.11.2022 Gesellschaft, Rothenfluh, PorträtGianni Mazzucchelli soll heute zum Ehrenbürger ernannt werden
Gianni Mazzucchelli ist es zu verdanken, dass Rothenfluh über ein einzigartiges historisches Gedächtnis verfügt, zusammengetragen aus unzähligen Dokumenten aller Art aus Archiven und anderen Quellen. Heute dürfte er zum ...
Gianni Mazzucchelli soll heute zum Ehrenbürger ernannt werden
Gianni Mazzucchelli ist es zu verdanken, dass Rothenfluh über ein einzigartiges historisches Gedächtnis verfügt, zusammengetragen aus unzähligen Dokumenten aller Art aus Archiven und anderen Quellen. Heute dürfte er zum Ehrenbürger ernannt werden.
Otto Graf
Wer kennt ihn nicht, den Pilzkontrolleur, Lokalhistoriker, Flurnamenforscher, Hobby-Archäologen und Autor Gianni Mazzucchelli? Nun will ihn seine Heimatgemeinde heute als Dank und Anerkennung für die erbrachten Leistungen anlässlich der Bürgergemeindeversammlung zum Ehrenbürger küren.
Die «Volksstimme» unterhielt sich kürzlich mit dem 81-Jährigen. Auf die Frage, was ihm die Ehrenbürgerschaft bedeutet, antwortet er spontan: «In der Tat fühle ich mich im Kreis der bisherigen Ehrenbürger Paul Manz-Keller und Oskar Rieder-Eglin sehr geehrt. Und es beflügelt mich, meine Forschungen weiterzuführen.» Wenn er einen Wunsch frei hätte, fährt er fort, würde er das ganze Archäologieteam des Kantons aufbieten, unterstützt von 50 Studentinnen und Studenten, um das Gebiet des Sonnenkalenders auf der «Roten Flue» und weitere Hotspots im Gemeindebann systematisch zu untersuchen.
Tatsache ist, dass Mazzucchelli und ein Team von ehrenamtlichen Spähern mit ihren Metalldetektoren oberflächennah bislang etwa 250 Gegenstände von historischer Bedeutung geortet und dem Amt für Archäologie abgeliefert haben. Darunter ist eine seltene Münze in Goldlegierung.
Was hinter den Sagen steckt
«Mein Lieblingskind ist der Sonnenkalender», betont Mazzucchelli und verweist auf mehrere Broschüren, die er in den vergangenen Jahren über die drei rund 3000 Jahre alten Steinwälle auf der Fluh publiziert hat. Dabei hat er zum einen die kalendarisch praktisch unveränderten Sonnenaufgänge und -untergänge dokumentiert und zum anderen auch die zyklischen Mondwenden festgehalten, die sich jeweils nach dem Mondknotenzyklus von 9,3 Jahren wiederholen. In seiner neuesten Schrift vergleicht er seine Erkenntnisse mit denjenigen von anderen Forschenden an ähnlichen Objekten in ganz Europa.
Gianni Mazzucchelli kam im Jahr 1941 im italienischen Oggebbio, einer 18 Weiler zählenden Gemeinde am Lago Maggiore, 20 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt, zur Welt und erlernte in einem Internat in Mailand die Berufe eines Schriftsetzers und eines Maschinensetzers. Danach arbeitete er zunächst in Bellinzona und dann in Lugano, wo er seine spätere Ehefrau Marlies, geborene Mumenthaler, kennenlernte. Nach der Heirat im Jahr 1965 zog die Familie ins Baselbiet und baute sich in Rothenfluh ein Haus. Bald vernahm der junge Mann, dass sich im Gebiet Götzenbühl einst seltsame Dinge zugetragen hätten. Aufgrund dieser Sagen hat sich dann eine Forschungstätigkeit entwickelt, die bis heute ungebrochen andauert.
So half Gianni Mazzucchelli 1965 und 1966 bei den Ausgrabungs- und Renovationsarbeiten der Kirche mit. Dass die damals im Kirchenschiff freigelegten fünf Gräber nur sehr oberflächlich untersucht wurden, löst beim Laienarchäologen heute noch Kopfschütteln aus. Im Jahr 1980 transkribierte er die im Staatsarchiv aufbewahrte und von Wilhelm Koch verfasste handschriftliche Heimatkunde von Rothenfluh von 1863 buchstabengetreu in die heutige Schrift. Die Gemeinde liess darauf bei der «Volksstimme» für 1000 Franken 500 Exemplare drucken.
Ebenso unterstützte er in einer Publikation von 1996 die Arbeiten der aus Rothenfluh stammenden Historikerin Dorothea Rippmann und deren Ehemanns Jürg Tauber über zahlreiche Dokumente aus dem Mittelalter. Als die beiden Kantone Basel-Landschaft und Aargau sowie die Gemeinden Rothenfluh, Wegenstetten und Wittnau im Gebiet Wolfgarten einen gemeinsamen Grenzstein ersetzten, erklärten die Verantwortlichen den alten, zerbrochenen Stein samt den tonirdenen Lohen als «preisgegeben».
Heute ziert der zentnerschwere und restaurierte Zeitzeuge dank der Rettungsaktion von Gianni Mazzucchelli und von Otto Graf, dem hier Schreibenden, den Eingangsbereich der Gemeindeverwaltung von Rothenfluh.
Gestützt auf das wissenschaftlich fundierte Buch über die Flurnamen der Gemeinde Rothenfluh von Karin Goy, setzte sich der Forscher namentlich mit den Bezeichnungen auseinander, deren Herkunft nicht zweifelsfrei erwiesen ist. Als Beispiel erwähnt er unter anderem die Bezeichnungen «Ban» und «Chaibacher». Die Flurnamenforschung, sagt er, sei noch längst nicht abgeschlossen. Früher sei die Schreibweise der Bezeichnungen oft von fremden Verfassern des jeweiligen Dokuments entgegen dem Dialekt der Bevölkerung beeinflusst worden.
Turner, Pilzkontrolleur …
Daneben wirkte Gianni Mazzucchelli während 43 Jahren als amtlicher Pilzkontrolleur. Zudem war er im Jahr 1972 treibende Kraft beim Gründen der Männerriege und half später mit, die Pistolensektion der damaligen Feldschützengesellschaft aus der Taufe zu heben. Im Jahr 1973 wurde er Schweizer Bürger. In der Folge erhielt er einen Marschbefehl. Er absolvierte in Luzern einen vierwöchigen Einführungskurs der Armee und wurde einem Bewachungsdetachement zugeteilt. Ebenso war er in der Feuerwehr aktiv und sass im Gemeinderat, musste jedoch dieses Amt aus gesundheitlichen Gründen nach einem Jahr wieder abgeben.
Aus Platzgründen kann hier nur ein Teil des Schaffens des zu Ehrenden wiedergegeben werden. Dank seiner akribischen Nachforschungen in den Archiven verfügt Rothenfluh über ein einzigartiges historisches Gedächtnis. Die Bürgergemeinde zeigt sich erkenntlich und wird Gianni Mazzucchelli heute Dienstagabend voraussichtlich zum Ehrenbürger ernennen.