Kitze mit Hilfe aus der Luft gerettet
30.06.2022 Baselbiet, Rünenberg, Kilchberg, Landwirtschaft, NaturSuchteam ortet Jungtiere in Feldern mit Drohnen
Landwirte können sich unter www.rehkitzrettung.ch anmelden, bevor sie ihre Felder mähen: Drohnen mit Wärmebildkameras orten dann, wo sich Rehkitze verstecken. Solche Rehkitzrettungen sollen im ...
Suchteam ortet Jungtiere in Feldern mit Drohnen
Landwirte können sich unter www.rehkitzrettung.ch anmelden, bevor sie ihre Felder mähen: Drohnen mit Wärmebildkameras orten dann, wo sich Rehkitze verstecken. Solche Rehkitzrettungen sollen im Baselbiet noch ausgebaut werden.
André Frauchiger
Frühmorgens um 3.45 Uhr eingangs Rünenberg: Treffpunkt der Rehkitzretter mit der «Volksstimme». Die Stimmung ist gedämpft, aber alle Beteiligten sind guter Dinge. Das Morgenprogramm: Auf 17 zu mähenden Feldern innerhalb der Gemeinden Rünenberg und Kilchberg soll mithilfe einer Drohne nach versteckten Rehkitzen gesucht werden.
Die Drohne übermittelt aus einer Flughöhe von rund 40 Metern Bilder eines Feldes in einer Breite von rund 25 Metern – und dies gleich auf zwei Wärmebildmonitore. Denn mindestens mit vier Augen sollen die Wärmebilder abgesucht werden können, nach dem Vieraugen-Prinzip. Vor rotem Hintergrund sind die warmen Körper der Rehkitze und auch grösserer Tiere als runde oder längliche gelbe Flächen auf dem Bildschirm zu sehen. Die Drohne kann die Bilder aus bis zu 300 Metern Entfernung an das «Bodenpersonal» übermitteln.
Grosse Nachfrage bei Landwirten
Das Suchteam, heute bestehend aus Landwirt Andreas Schneider, SVP-Nationalrat Thomas de Courten und Roman Bürgin, ist sich sicher: Es wird an diesem Morgen mit grosser Wahrscheinlichkeit Rehkitze in den Feldern aufspüren. In diesem Jahr konnten seit Mitte Mai bereits 25 Rehe im Alter von bis zu drei Wochen gefunden werden. Im Alter von mehr als drei Wochen sind die Rehkitze in der Lage, aus eigener Kraft vor einer nahenden Mähmaschine zu flüchten, wenn auch häufig nur knapp. 25 Landwirte haben sich für die diesjährige Rehkitzsuche mit der Drohne angemeldet. Eine stolze Zahl, in Anbetracht dessen, dass das Suchteam erst im zweiten Jahr aktiv mit einer Drohne auf Rehkitzsuche unterwegs ist.
Beim Überflug der Drohne über mehrere Felder können anfänglich lediglich drei gleich flüchtende Rehe ausgemacht werden. Das waren mit Sicherheit keine kleinen, gefährdeten Rehkitze. Doch nach weiteren Jeep-Fahrten über die Felder ein Erfolg: Auf dem Wärmebildmonitor ist ganz deutlich ein Jungtier im hohen Gras auszumachen. Auf möglichst leisen Sohlen stapft das Suchteam durchs hohe Gras – und mit geübtem Blick wird das sehr gut versteckte Rehkitz ausfindig gemacht.
Was nicht einfach ist, denn das Tier drückt sich im hohen Gras ganz instinktiv fast flach auf den Boden. Schnell die Harasse her und über das Tier gelegt: Das Rehkitz ist auf diese Weise sicher vor der Mähmaschine, die danach durchfahren wird. Die Harasse muss noch gut mit einem schweren Eisenstab beschwert werden, weil sie sonst von der Rehkitzgeiss umgestossen werden kann, wie Andreas Schneider erklärt.
«Einfach genial»
«Wir haben eine Riesenfreude an jedem geretteten Rehkitz, die Rettung mithilfe der Drohne ist einfach genial», erklärt Andreas Schneider strahlend, und seine beiden Kollegen nicken zustimmend. Nach dem Mähen entfernt der zuständige Bauer die Harasse wieder, das Rehkitz ist somit befreit. Das Muttertier wird dann sein gesundes, unversehrtes Rehkitz aufsuchen können.
Die Gemeinden Rünenberg und Kilchberg haben vor Jahren ihre beiden Jagdgesellschaften zusammengelegt. Und die neue Jagdgesellschaft unterstützt das Suchteam nun finanziell. Grundsätzlich sind aber die drei Beteiligten ehrenamtlich unterwegs, als Tierschützer. Für sie als Jäger ist der Schutz der Tiere, insbesondere der Jungtiere, eine Selbstverständlichkeit, und sie wollen ihre Tätigkeit auch in den nächsten Jahren ausüben.
Hundert Drohnen notwendig
Von politischer Seite gibt es Unterstützung: SVP-Landrätin Susanne Strub aus Häfelfingen will dem Verein Rehkitzrettung unter die Arme greifen und regt in einem Postulat an, sämtliche Felder im Baselbiet von Drohnen überfliegen zu lassen, damit möglichst kein Jungtier mehr in eine Mähmaschine gerät. Herkömmliche Methoden zur Rehkitzrettung – wie das Vertreiben mit Scheuchen, mit Verblenden und Duftstoffen – seien nicht immer durchführbar und leider auch nicht immer erfolgreich, erklärt die Landrätin. Ihr Postulat wurde in der landrätlichen Sitzung vom 2. Juni stillschweigend an den Regierungsrat überwiesen.
Der Baselbieter Regierungsrat wird im Postulat von Susanne Strub aufgefordert, zu prüfen und zu berichten, «wie der Kanton die Rehkitzrettung mit Wärmebild-Drohnen im Baselbiet fördern und die Baselbieter Jagdgesellschaften bei entsprechenden Investitionen, in der Pilotenausbildung, der praktischen Durchführung der Rehkitzrettung und der erforderlichen Kommunikation mit Landwirtschaft und Öffentlichkeit unterstützen kann». Dabei soll auf bestehenden privaten Initiativen und Angeboten wie in Rünenberg aufgebaut werden.
Nach Einschätzung des Rünenberger Suchteams wäre kantonsweit die Anschaffung von rund 100 Drohnen notwendig – in Anbetracht dessen, dass damit grosses Tierleid verhindert werden kann, nach Ansicht der drei Aktiven wie für Landrätin Susanne Strub eine lohnenswerte Sache. Für Nationalrat Thomas de Courten dürfte dies auch auf schweizerischer Ebene ein Thema sein.