Der legendäre Ruf des «Bären» ist verstummt
30.06.2022 Bezirk Waldenburg, Langenbruck, Gastronomie, Gemeinden, GesellschaftDer altehrwürdige Gasthof wird zum Mehrfamilienhaus umgebaut
Es ist eines der bekanntesten Häuser im Passdorf Langenbruck: der «Bären». Mit dem geplanten Umbau scheint die reiche Geschichte des ehemaligen Gasthofs nun endgültig geschrieben zu sein.
Elmar ...
Der altehrwürdige Gasthof wird zum Mehrfamilienhaus umgebaut
Es ist eines der bekanntesten Häuser im Passdorf Langenbruck: der «Bären». Mit dem geplanten Umbau scheint die reiche Geschichte des ehemaligen Gasthofs nun endgültig geschrieben zu sein.
Elmar Gächter
Das Gebäude des ehemaligen Gasthofs Bären als Bijou zu bezeichnen, wäre angesichts seines aktuellen Zustands ein bisschen übertrieben. Seit vielen Jahren wartet es auf eine Auffrischung, nur wenige Äusserlichkeiten erinnern an die Blütezeit des Hauses. Ein «Maison honorable», das sich nicht einfach nur Gasthof Bären nannte, sondern «Hotel de l’Ours», eine «Bären»-Bar, die später in die «Relais»-Bar unbenannt wurde. Französisch angehaucht auch das Interieur mit seiner «Napoleonstube», obwohl Bonaparte bei seiner Durchreise entgegen anders lautenden Erzählungen nicht im «Bären» eingekehrt war.
Langer Leerstand
Schon seit fast einer gefühlten Ewigkeit hat kein Gast die geschichtsträchtigen Räume mehr betreten, schon lange kein Tourist mehr in den ehemals mit echten Bildern geschmückten Zimmern genächtigt. Tempi passati. Bald wohl endgültig. Denn ganz nüchtern steht da in einem der Amtsblätter Anfang dieses Jahres: «Zweckänderung: alt Hotel-Restaurant in neu Mehrfamilienhaus/2 Dachaufbauten/ 3 Dachflächenfenster/Fassadenänderung».
Was waren es doch für goldene Zeiten – mindestens ein Grossteil jener Jahre, seit der «Bären» 1898 in den Besitz der Familie Grieder kam. Hier ging nicht allein der normale Bürger ein und aus, sondern auch «Superstars», wie man General Henry Guisan heute wohl bezeichnen würde. Langenbruck gleich «Bären», oder wie es Gemeinderat Carlo Paganin formuliert: «Früher habe ich in Basel-Stadt gewohnt und ging häufiger übers Wochenende nach Langenbruck. ‹Aha, du gehst in den ‹Bären›?› Bin ich heute in der Stadt, lautet die Frage: ‹Langenbruck, wo ist das?›» Dass der Kurort, den die amtlichen Würdenträger «Top of Baselland» nennen, immer noch ein gehöriges Stück weit weg von der einstigen Blüte steht, ist nicht neu.
Als die Autobahn kam
Als Hauptschuldige mag die 1970 eröffnete Autobahn durch den Bölchen herhalten, auf jeden Fall für den «Bären». So sieht es Hans Grieder, der mit seiner Frau Margrit während ganzen 45 Jahren bis 2005 das Zepter im Haus aus dem 16. Jahrhundert führte. «Plötzlich blieben die Gäste aus Deutschland weg, die auf der Durchfahrt ins Wallis oder Berner Oberland hier übernachteten. Wir mussten eine neue Kundschaft aufbauen, was uns viel Werbung und Geld gekostet hat. Mit unseren 28 Mitarbeitenden mussten wir schauen, wie wir über die Runden kamen», blickt der 89-Jährige zurück.
Die Eigentümer und Betreiber des «Bären» waren gezwungen, ihren Betrieb umzustellen. Seminar- und Konferenzräume waren gefragt, es musste investiert werden, auch in die 55 Hotelzimmer. Dann der nächste Tiefschlag: Die Firma Straumann verliess Waldenburg, später auch ihre Nachfolgerin Stratec medical. «Dies haben wir stark gespürt, denn Straumann war bei uns Kunde Nummer eins», so Hans Grieder. Auch der legendäre «Bärenstall», wo der Wirt einst höchstpersönlich am Flügel für die Tanzfreudigen aufspielte, verlangte nach einer Auffrischung. «Statt zu tanzen, pflegten die Jungen mehr ein Herumhüpfen, es waren violette Blinklichter gefragt, ebenso ein Discjockey. Dies war nichts für uns, wir machten daraus eine Aperitif-Bar und tauften sie alt-klassisch ‹Le Relais›, getreu dem Ort des Pferdewechsels zur Postkutschenzeit.» Aber es sollte nicht mehr werden wie zuvor.
Umbau noch nicht bewilligt
2005 verkauften Hans und Margrit Grieder den «Bären» und liessen sich in Küssnacht am Rigi nieder. Das traditionsreiche Haus samt fast allen Wertgegenständen, unter anderem zwei grossen alten Standuhren, ging in die Hände eines Käufers über, der wenige Monate später seine Bilanz deponierte. Im März 2008 folgte die konkursamtliche Versteigerung, bei der das Haupthaus für nur gerade 200 000 Franken den Besitzer wechselte: «Der ‹Bären› für ein Butterbrot», lautete damals die Schlagzeile in einer regionalen Zeitung. Den Zuschlag hatte ein Pneuhändler aus dem Luzernischen erhalten. Eigentlich habe er kein Interesse an einem Hotel, sagte dieser nach der Versteigerung: «Doch bei diesem Preis konnte ich ja fast nicht anders …» Das Nachbargebäude, das Geburtshaus von Langenbrucks Flieger-Ass Oskar Bider, das ebenfalls Grieders gehörte und den Gästen Sauna und Solarium bot, erwarb der «Ochsen»-Wirt.
Die grosse Zeit des «Bären», den Hans Grieder zu einem der ersten gefragten «Chaîne des Rôtisseurs»- Betriebe in der Deutschschweiz geführt hatte, war Legende. Bedauern darüber kommt beim ehemaligen Wirt für gehobene Gastronomie nicht auf. Er fühlt sich an seinem neuen Wohnort sehr gut aufgehoben, kocht jeden Tag für sich – seine Frau ist vor neun Jahren gestorben – und besucht gerne gutbürgerliche Restaurants; keine Fast-Food-Lokale, wie er betont. Einem guten Burger sei er jedoch nicht abgeneigt.
Ob die jetzige Eigentümerin – eine Firma, die Liegenschaften und Wohnungen bewirtschaftet – ihre Umbauabsichten realisieren kann, ist noch offen. Laut Gemeinderat Hans Weber sind verschiedene Vorgaben noch zu klären, so unter anderem die Parkplatzfrage. Der Gemeinderat habe auf jeden Fall ein grosses Interesse an einem Erhalt des schönen Hauses. «Es ist so etwas wie die Seele von Langenbruck», drückt Weber die Verbundenheit mit der Baute aus. Klar ist, dass der «Bären» zonenplanmässig geschützt ist und deshalb weder abgerissen noch in seinem Äusseren gross verändert werden kann. Doch ebenso zeichnet sich ab, dass sich darin kein Gastrobetrieb mehr ansiedeln wird. «Aber die Hoffnung stirbt zuletzt», meint Weber. Langenbruck würde sich wohl glücklich schätzen, wenn der Ruf des «Bären» wieder bis nach Basel dringen würde.