«Die neue Revisorin ist befangen»
22.04.2022 Bezirk Sissach, Gastronomie, Gemeinden, SissachAbgewählter Revisor wirft dem Vereinsvorstand Ungereimtheiten vor
Der Vorstand des Sissacher Verkehrs- und Verschönerungsvereins wechselt seine Revisoren aus. Einer der beiden Abgewählten sieht darin eine Massnahme gegen unliebsame Fragen – zum Beispiel über den Mieterlass für den ...
Abgewählter Revisor wirft dem Vereinsvorstand Ungereimtheiten vor
Der Vorstand des Sissacher Verkehrs- und Verschönerungsvereins wechselt seine Revisoren aus. Einer der beiden Abgewählten sieht darin eine Massnahme gegen unliebsame Fragen – zum Beispiel über den Mieterlass für den Beizer auf der Sissacher Fluh.
Sebastian Schanzer
Wie kaum eine andere Branche hatten die Gastrobetreiber unter den staatlichen Schutzmassnahmen gegen das Coronavirus im vergangenen Jahr zu leiden: Bis Ende Mai waren die Innenbereiche der Restaurants und Bars geschlossen, danach gab es Personenbeschränkungen und ab Mitte September die Zertifikatspflicht. Da erscheint es verständlich, dass der Verkehrs- und Verschönerungsverein Sissach und Umgebung (VVSuU) als Besitzer des Bergrestaurants auf der Sissacher Fluh seinem Pächter Alain Goepfert eine Reduktion der Mietkosten für diese Zeit gewährte.
Goepfert, der auch die Sissacher «Lounge 11» und den «Club 55» führt und seit vergangenem Jahr Vorstandsmitglied von Gastro Baselland ist, bezahlte für das Jahr 2021 knapp 25 000 Franken weniger Miete für das Restaurant als in «normalen» Zeiten, wie im Bericht der Revisionsstelle zur Jahresrechnung zu lesen ist. Mehr als ein Drittel der Jahresmiete wurde Goepfert erlassen.
Anders als 2021, als an der schriftlich durchgeführten Jahresversammlung bereits ein Erlass der Mietzinsen für die Monate November und Dezember 2020 gutgeheissen wurde, zeigte sich der Revisor Jörg Affolter im Vorfeld der diesjährigen Versammlung kritisch gegenüber dem neuerlichen Entgegenkommen des Vereinsvorstands. Der Erlass wirke störend, weil vom Staat mittlerweile diverse Entschädigungen an Gewerbetreibende ausgerichtet worden seien, etwa die Härtefall-Beiträge des Kantons oder Kurzarbeitsentschädigungen für Angestellte, schreibt Affolter in seinem Bericht.
Deshalb wollte er vom Vorstand wissen, wie dessen Entscheid zum erneuten Mieterlass zustande gekommen ist. Hat man sich erkundigt, welche Unterstützung Goepfert für den Betrieb auf der Sissacher Fluh ausserdem bekommen hatte? Sein Verdacht: Einzelne Vorstandsmitglieder haben dem Beizer einen Freundschaftsdienst erwiesen und sich diesen, ohne grosses Aufsehen zu erregen, von der diesjährigen Jahresversammlung – wiederum im Zirkularverfahren – absegnen lassen.
«Sie wollten mich loswerden»
Seine Fragen habe der Vorstand denn auch nicht restlos klären können, sagt der Revisor. Im Gegenteil: Um den Mieterlass habe er sich nicht zu kümmern, das sei Sache des Vorstands, soll ihm der Kassier mündlich gesagt haben. «Aus dem Stegreif erklärte dieser mir dann, mein Mandat würde ohnehin nicht verlängert», so Affolter.
Den Unterlagen der Jahresversammlung im März konnte er dann entnehmen, dass anstelle der bisherigen zwei Revisoren tatsächlich zwei neue Namen zur Wahl aufgeführt waren. Für ihn ist klar: «Die wollten mich wegen meiner unangenehmen Fragen loswerden.» Pikant: Die erste zur Wahl vorgeschlagene Revisorin arbeitet als Sachbearbeiterin beim Sissacher Verein Solarspar. Der Kassier des VVSuU waltet dort als Geschäftsleiter. «Diese Person ist als Revisorin jener Jahresrechnung, die ihr Chef erstellt, doch offensichtlich ungeeignet, denn sie ist befangen», so Affolter.
Stossend sei auch die falsche Behauptung in den Unterlagen zur Jahresversammlung, die Revisoren hätten die Rechnung 2021 zur Genehmigung beantragt. «Das habe ich ausdrücklich nicht getan, weil ich nicht hinter dieser Grosszügigkeit gegenüber dem Pächter stehen kann», sagt Affolter.
Der Vereinsvorstand wehrt sich auf Anfrage: Die Dreidrittelslösung sei im Fall der «Sissacherfluh» nicht zum Tragen gekommen und die staatlichen Soforthilfen sowie die Kurzarbeitsentschädigung hätten lediglich die Löhne der Angestellten betroffen. «Dem Gesamtvorstand, inklusive Vertreter aus den sechs angeschlossenen Gemeinden, ist es aber wichtig, das Überleben der Gastwirtschaft längerfristig sicherzustellen und Alain Goepfert als Pächter zu unterstützen», schreibt der Vorstand und stellt die Gegenfrage: «Ist es an den Revisoren, einen Entscheid des Gesamtvorstands zu hinterfragen?»
Bereits die deutliche Zustimmung zum Erlass zweier Monatsmieten an der letztjährigen Jahresversammlung habe gezeigt, dass die Vereinsmitglieder hinter der Unterstützung Goepferts stünden. «Seltsamerweise wurden diese Beschlüsse von denselben Revisoren nie hinterfragt.» Auch in diesem Jahr wurde mittlerweile der Mieterlass gemäss Protokoll mit 64 Jagegen 1 Nein-Stimme deutlich abgesegnet. Drei Personen hatten sich enthalten.
Problematische Nähe?
Dass nun zwei neue Revisorinnen gewählt wurden, habe mit den Statuten des Vereins zu tun, heisst es in der Antwort des Vorstands weiter. Diese geben eine Amtszeit der Revisoren von drei Jahren vor. Affolter sieht dieses Argument als Vorwand. Er selbst war bereits vier Jahre im Amt. Die Neuwahl hätte also streng genommen bereits im vergangenen Jahr vorgenommen werden müssen.
Die Frage nach der Befangenheit beantwortet der Vorstand ebenfalls mit einer Gegenfrage: «Wo fängt die problematische Nähe zwischen Kassier und Revisor an und wo hört sie auf?» In jedem Dorfverein bestehe eine gewisse Nähe zwischen den involvierten Personen. Auch die vorherigen Revisoren seien den Vereinsorganen bestens bekannt gewesen und waren Mitglieder des Vereins. «Leider stellten sich trotz mehrmaligen Nachfragens keine weiteren Revisionskandidaten zur Verfügung.»
Für das langjährige Vereinsmitglied Werner Mahrer ist die Wahl der neuen Revisorinnen dennoch ein «absolutes No-Go». Zumal sie auf Anordnung des Vorstands nur auf schriftlichem Weg und nicht im Rahmen einer physischen Versammlung mit der Möglichkeit, zusätzliche Fragen zu stellen, erfolgte. «Die beiden gewählten Personen sind dem Kassier zu nahe. So ist die Revision unglaubwürdig. Und was die Suche nach Revisoren betrifft: Ich wurde nicht angegangen», sagt er auf Anfrage.
Und auch Mahrer hadert seit Längerem mit der «spärlichen Kommunikation» des Vereinsvorstands, aber auch dem mangelnden Interesse seitens Gemeindevertreter. Noch bevor die Corona-Pandemie grössere Versammlungen ins Internet verbannte, hatte er beim Vorstand beispielsweise beantragt, den Bericht und die Rechnung jeweils vor der Versammlung im Internet aufzuschalten. Der Präsident und nahezu der ganze erweiterte Vorstand stimmten dagegen. «So etwas gibt mir als Mitglied ein unschönes Gefühl», sagt er. «Dabei muss ein Verein seine zahlenden Mitglieder doch pflegen, unter anderem mit Auskünften über seine Tätigkeit.» Denn dass vieles geleistet werde, sei unbestritten. «Aber auch das darf man doch wissen.»