Die juristische Sicht des Kantons
26.04.2022 Baselbiet, Bauprojekte, SissachDavid Thommen
Die Kommunikation aufseiten der kantonalen Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) war seit dem Gründonnerstag, als Bagger die für den kantonalen Denkmalschutz vorgeschlagene Tschudy-Villa in Sissach teilweise zerstörten, zurückhaltend. Jetzt erklärt ...
David Thommen
Die Kommunikation aufseiten der kantonalen Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) war seit dem Gründonnerstag, als Bagger die für den kantonalen Denkmalschutz vorgeschlagene Tschudy-Villa in Sissach teilweise zerstörten, zurückhaltend. Jetzt erklärt Juristin Katja Jutzi, Generalsekretärin der BUD, gegenüber der «Volksstimme» die Rechtslage.
Bekannt ist, dass die BUD am 1. März eine Verfügung gegen den Villenbesitzer Laurent de Coulon beziehungsweise gegen dessen Weinhandelsfirma Buess AG erliess, mit welcher der sich abzeichnende Abbruch der Tschudy-Villa mit Baujahr 1924 verhindert werden sollte. Dabei habe es sich in formaler Hinsicht nicht um eine «provisorische Unterschutzstellung» der Villa gehandelt, wie schon zu hören und zu lesen war, sondern um ein «Veränderungs- und Beseitigungsverbot», wie Jutzi erklärt.
Diese in ihrer Wirkung superprovisorische Verfügung hat eine kurze Wirkungsdauer von lediglich zwei Monaten. Danach muss die regierungsrätliche Denkmal- und Heimatschutzkommission (DHK) das Veränderungs- und Beseitigungsverbot wie auch die provisorische Unterschutzstellung der Villa genehmigen.
Aufschiebende Wirkung?
Der Entscheid der Kommission wird dieser Tage erwartet. Genehmigt sie die Massnahmen und die provisorische Unterschutzstellung, bekommt der Kantonale Denkmalschutz während eines Jahres Zeit, um die Frage zu prüfen und dem Regierungsrat bei positivem Befund einen entsprechenden definitiven Unterschutzstellungsantrag zu stellen. Sollte diese Zeit nicht ausreichend sei, kann die Regierung die Frist um maximal ein Jahr verlängern.
Gegen die Verfügung vom 1. März reichte der Anwalt von Laurent de Coulon Beschwerde ein und stellte sich auf den Standpunkt, dass die Beschwerde aufschiebende Wirkung entfalte. Mit anderen Worten: Der «Befehl» des Kantons habe vorerst keine Gültigkeit. Würde diese Sichtweise zutreffen, wäre mit der Bagger-Aktion von Gründonnerstag nicht gegen eine gültige amtliche Anordnung verstossen worden.
Jutzi widerspricht dieser Auffassung aber vehement. Und mittlerweile habe der Rechtsdienst der Regierung entschieden, dass der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zugekommen sei. Indessen dürfte dies ein Streitpunkt unter Juristen bleiben, denn das kantonale Denkmalschutzgesetz äussert sich zur Frage der aufschiebenden Wirkung nicht explizit. Hier könnte nur ein Gericht abschliessend urteilen.
Nachdem am Gründonnerstag vom Besitzer Fakten geschaffen worden sind, folgte am vergangenen Donnerstag eine zweite Verfügung des Kantons, erlassen vom Rechtsdienst der Regierung. Diese besagt, dass die Überreste der Villa auf dem privaten Grundstück gesichert werden müssen. Eine Beschwerde dagegen ist zwar möglich, hätte laut Jutzi aber keine aufschiebende Wirkung.
Die BUD hat ein privates Bauunternehmen mit der Sicherung beauftragt. Seit gestern wird mit einem Bagger Bauschutt aus dem zerstörten Teil der Liegenschaft geschafft und sortiert. Sollte später einmal entschieden werden, dass die Villa wieder aufgebaut wird, soll möglichst viel von diesem Material wiederverwendet werden. Ferner hat die Baufirma den Auftrag, die statische Sicherheit des Hauses zu prüfen und allenfalls wiederherzustellen. An mehreren Orten im teilweise zerstörten Gemäuer sind Stützen angebracht worden. Zudem werden ein Gerüst und eine Überdachung als Schutz vor der Witterung installiert. Jutzi sagt, dass laut Gesetz diese Sicherungsmassnahmen dem Besitzer der Liegenschaft in Rechnung gestellt werden können. Sollte später entschieden werden, dass das Haus wieder aufgebaut wird, wie dies das Gesetz als Möglichkeit vorsieht, könne der Besitzer auch für diese Kosten zur Rechenschaft gezogen werden.
Kein Zwang für den Besitzer
Folgen werde zudem eine Strafanzeige «gegen die Beteiligten», wie Jutzi sagt. Ausdrücklich auch gegen die Hölsteiner Baufirma, die den Teilabbruch vorgenommen hat. Sie sei nachweislich über das Veränderungs- und Beseitigungsverbot vom 1. März in Kenntnis gesetzt worden und habe im Wissen um das verfügte Abbruchverbot gehandelt, was strafbar sei. Infrage kämen einige weitere Tatbestände wie der möglicherweise unsachgemässe Abriss eines Gebäudes. Für die Anzeige an die Staatsanwaltschaft bestehe eine Frist von drei Monaten.
Prioritär kümmere sich die BUD nun um die baulichen Fragen, sagt Generalsekretärin Jutzi: «Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass alle Möglichkeiten offenbleiben und es allenfalls noch etwas zu schützen gibt.» Mit all den Massnahmen werde die Unterschutzstellung nicht quasi schon vorweggenommen. Denn, und dies ist die Krux am ganzen Verfahren, eine Unterschutzstellung der Tschudy-Villa ist ohne die Zustimmung des Eigentümers laut basel-landschaftlichem Recht gar nicht möglich. Hat dieser mit seinem Auftrag für den Abbruch des Gebäudes nicht bereits deutlich kundgetan, dass er den Schutzstatus ausdrücklich ablehnt? Handelt es sich also nicht so oder so um eine «unnütze Übung», die der Kanton hier macht?
Jutzi verneint. Der Eigentümer könne tatsächlich nicht zur Unterschutzstellung gezwungen werden. Doch es müssten nun Gespräche folgen. Unter anderem verfüge die Gemeinde Sissach mit ihrer derzeitigen Zonenplanrevision über ein Pfand. Auch sei es denkbar, dass die Gemeinde zum Mittel einer maximal fünfjährigen Planungszone greife. Auch wenn die Situation eskaliert sei, schliesst Jutzi nicht aus, dass noch ein für beide Seiten guter Weg gefunden werde. Denkbar sei beispielsweise auch, dass man die Villa in Absprache mit dem Besitzer erhalten könne, ohne dass es zu einer Unterschutzstellung kommt. Wichtig sei, dass die Zeit für Gespräche genutzt werde, so die BUD-Generalsekretärin. Aber natürlich sei es auch gut denkbar, dass die Gerichte das letzte Wort haben.