«Stigmatisierung muss aufhören»
24.03.2022 Abstimmungen, Parteien, Politik, Bezirk Liestal, Baselbietfra. SP-Parteipräsidentin Miriam Locher, SP-Landrat Adil Koller sowie Erika Eichenberger, Vizepräsidentin der Grünen bezogen am Dienstag als Vertreter des zweiten Komitees Position gegen die Teilrevision des kantonalen Sozialhilfegesetzes. «Der ohnehin zu tief bemessene ...
fra. SP-Parteipräsidentin Miriam Locher, SP-Landrat Adil Koller sowie Erika Eichenberger, Vizepräsidentin der Grünen bezogen am Dienstag als Vertreter des zweiten Komitees Position gegen die Teilrevision des kantonalen Sozialhilfegesetzes. «Der ohnehin zu tief bemessene Grundbedarf reicht schon heute kaum zum Leben», hiess es. Und weiter: «Diese Vorlage bettet sich in die Kampagne der SVP ein, mit der diese seit den 2000er-Jahren versucht, die Sozialhilfe zu schwächen, Sozialhilfebeziehende zu stigmatisieren und den Sozialstaat generell abzubauen.» Gegen diesen Sozialhilfe-Abbau wehre man sich.
Koller legte dar, dass die Sozialhilfe mit ihren Unterstützungsbeiträgen das letzte Auffangnetz bei Arbeitslosigkeit sei. Sie decke eine bescheidene Miete sowie die Krankenkassenprämien ab. Für weitere Auslagen für Nahrungsmittel, Bekleidung, Haushaltsführung und Freizeit werde ein sehr knapp bemessener Grundbedarf ausbezahlt. Dieser betrage im Baselbiet für eine Einzelperson aktuell 997 Franken. Dies entspreche «dem absoluten Minimum, das die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) empfiehlt». Somit stünden für Essen täglich nur rund 12 Franken zur Verfügung, für Freizeit 4.80 Franken. Eine Studie des renommierten Büros Bass vor vier Jahren habe ergeben, dass dieser Grundbedarf um 100 Franken zu niedrig sei, sagte Koller. Und da soll die Sozialhilfe gemäss der Teilrevision nach zwei Jahren Sozialhilfebezug auch noch um 40 Franken gekürzt werden. Miriam Locher verlas das Statement des abwesenden Domenico Sposato, Geschäftsführer der Caritas beider Basel. Dieser erklärt, Armut sei ein strukturelles Problem – und Arbeitslosigkeit ein soziales Risiko, das nicht vom Individuum ausgehe. Wer seine Stelle verliere und auf dem Arbeitsmarkt keine neue finde, sei auf Unterstützung und Solidarität angewiesen. Anstatt das Recht auf eine Grundsicherung abzustützen, werde nun auf politischer Ebene versucht, erzieherische Massnahmen durchzudrücken.
Kein Beweis für Wirkung von Anreizsystem
Zu Unrecht werde den Sozialhilfebezüger unterstellt, sie würden sich bei der Jobsuche passiv verhalten. Zudem werde die «Autonomie der Leistungsbeziehenden» missachtet. Es gebe keinen stichhaltigen Beweis dafür, dass sich in diesem Bereich ein Anreizsystem nachhaltig positiv auswirke. Dies habe der Regierungsrat im Jahr 2018 eingestanden – und diese Einsicht werde nun wieder missachtet.
Erika Eichenberger verwies auf die Armutsstrategie 2020 der Regierung, wonach Armut in der Schweiz oftmals ein Tabuthema darstelle und fälschlicherweise als eigenes Verschulden der Betroffenen gelte. Nun werfe man diese Erkenntnisse über den Haufen. Bei der jetzigen Vorlage werde eine «rote Linie überschritten». Nicht vergessen werden dürfe zudem, dass ein Drittel der Sozialhilfebezüger Kinder und Jugendliche seien. «Sozialleistungen sind ein Recht von uns allen», sagte die Grüne, «die Stigmatisierung von Armut muss aufhören».