Schlaflos zum Hobbybrauer
14.01.2022 Baselbiet, Gastronomie, Gelterkinden, Gesellschaft, Bezirk SissachSebastian Wirz
An Weihnachten 2019 konnte Geri Erschwendner nicht schlafen. Er lag wach, seine Gedanken kreisten und er fasste einen Entschluss. Nun ist periodische Schlaflosigkeit noch keine Schlagzeile wert. Aber die Vehemenz, mit der Erschwendner den Gedanken zu einem ...
Sebastian Wirz
An Weihnachten 2019 konnte Geri Erschwendner nicht schlafen. Er lag wach, seine Gedanken kreisten und er fasste einen Entschluss. Nun ist periodische Schlaflosigkeit noch keine Schlagzeile wert. Aber die Vehemenz, mit der Erschwendner den Gedanken zu einem Projekt formte und dieses vorangetrieben hat, insbesondere die Konsequenz, mit der er drangeblieben ist, das sind alles gute Gründe, einen Artikel über die Gelterkinder «Eibachbraui» zu schreiben.
In jener schlaflosen Nacht schaute sich der gebürtige Österreicher Youtube-Videos über das Bierbrauen an. Und da war es um ihn und den Schlaf geschehen. Er las sich in den kommenden Tagen in das Thema ein. Während sich der Wunsch, eigenes Bier zu brauen, bei anderen oft über Wochen, Monate oder Jahre hinzieht und in Experimenten an den verfügbaren Kochtöpfen gipfelt, kaufte Erschwendner umgehend eine 30-Liter-Brauanlage. Schon am 4. Januar gärte der erste Sud im Fass.
Doch damit war Erschwendners Motivation keineswegs ausgeschöpft. Von der Tatsache, dass es einige Wochen dauert, bis ein Brauer sein Produkt in veredelter Form probieren kann, liess sich der Gelterkinder nicht bremsen. Um untergärige Biere brauen zu können, kam zur Anlage ein Glykolkühler und dazugehörige Gärund Lagertanks. Erschwendner ist kein Zauderer. Er macht – und investiert. Bald wurde der 30-Liter- «Grainfather» durch dessen grossen Bruder ersetzt, sodass nun rund 65 Liter Output pro Brauvorgang möglich sind. Der Sud wird per Computer gesteuert, Gär- und Kühlprozesse ebenfalls elektronisch überwacht.
Beeindruckender Output
Um zumindest einen Teil der Investitionen – und vor allem den Grossteil der Biervernichtung – auf mehrere Schultern zu verteilen, gründete Erschwendner einen Verein, der mittlerweile auf rund 30 Personen angewachsen ist. Neben dem unbestrittenen Experten in der Runde engagieren sich Patrick Meier, Ernst Horisberger und Peter Singeisen, der harte Kern des Vereins Eibachbraui, in der Bierproduktion. Oder wie es Ernst mit einem breiten Grinsen ausdrückt: «Er lässt uns schon mitarbeiten. Also Abwaschen darf ich zum Beispiel.»
Peter sieht eine noch wichtigere Funktion von Erschwendners Gehilfen: «Mit uns dreien hat er Menschen gefunden, die sein seltsames Österreichisch verstehen. Das ist auch noch wichtig.» Sagt es und lacht laut. Funktioniert hat die Zusammenarbeit einwandfrei: Im ersten Jahr entstanden in 48 Suden bereits 1600 Liter Bier. 2021 wiederholten die Brauer dieses Kunststück, denn das Resultat ist eine riesige Menge verglichen mit der kleinen Anlage.
Unter den 29 diversen Rezepten, die im ersten Jahr umgesetzt wurden, finden sich erstaunlich viele Weissbier-Kreationen. Hier dringt wohl Erschwendners Herkunft Salzburg durch: «Die Nähe zu Bayern ist bei uns im Biergeschmack gut sichtbar», sagt der Brauer, der seit vier Jahren in Gelterkinden zu Hause ist. Gebraut wird, worauf die Brauer gerade Lust haben. Und die Qualität stimmt: Beim Beer Contest von «Brau- und Rauchshop», dem Geräte-, Rohstoff- und Rezeptelieferanten des Vertrauens der meisten hiesigen Heimbrauer, gab es für die «Eibachbraui» 2020 und 2021 bei neun eingereichten Bieren in acht Kategorien zwei Gold- und drei Silbermedaillen.
Sporadisch gibt es seine Biere in der befreundeten «Bierfabrik» – die Betreiber sind mittlerweile Vereinsmitglieder – am Dorfplatz zu kaufen. Grundsätzlich ist das Gebräu aber für den wöchentlichen Vereinsstammtisch an der wohl lauschigsten Stelle überhaupt in Gelterkinden vorgesehen: Erschwendners «Biergarten» direkt am Eibach.
Oberbaselbieter Bier – eine Serie
wis. Mehr als 1200 Einträge sind bei der Eidgenössischen Zollverwaltung im «Verzeichnis der steuerpflichtigen Inlandbrauereien» vermerkt. 400 Liter Bier dürfen pro Kalenderjahr zum unentgeltlichen Eigenkonsum gebraut werden, Vereine dürfen 800 Liter steuerfrei brauen. Wer mehr produziert, muss in diesem Verzeichnis eingetragen sein.
Auch nach dem Konkurs der Brauerei Farnsburg gibt es im Oberbaselbiet zahlreiche Brauereien, die Bier in grösseren Mengen produzieren und es verkaufen. Die «Volksstimme» stellt in loser Folge Oberbaselbieter Biere und ihre Macher vor. Bisher erschienen: Kraftstoff (Sissach), Engibeer Brauerei Leue (Waldenburg), Hopster und Malzer (Rickenbach), Hopferei (Sissach), Geissheiri (Oltingen).