Die Baukommission bleibt im Dorf
07.12.2021 Baselbiet, Seltisberg, Gemeinden, Bauprojekte, Bezirk Liestal
Christian Horisberger
Im Zweifel gegen den Gemeinderat. Nach diesem Prinzip hat die Mehrheit der Seltisbergerinnen und Seltisberger an der Gemeindeversammlung vom Donnerstag abgestimmt. Während der Gemeinderat argumentierte, brauchten Votanten nur Zweifel zu ...
Christian Horisberger
Im Zweifel gegen den Gemeinderat. Nach diesem Prinzip hat die Mehrheit der Seltisbergerinnen und Seltisberger an der Gemeindeversammlung vom Donnerstag abgestimmt. Während der Gemeinderat argumentierte, brauchten Votanten nur Zweifel zu streuen und brachten damit die Mehrheit der Anwesenden hinter sich.
Am deutlichsten zeigte sich diese Dynamik in der Debatte um die vom Gemeinderat beantragte Auflösung der Planungs- und Baukommission. Gemeinderätin Miriam Hersche erklärte, was in den Augen des Gemeinderats für eine Auslagerung der immer komplexeren zonenrechtlichen Überprüfung von Baugesuchen an die spezialisierte Bauverwaltung in Bubendorf sprach und dass man mit dem neuen System günstiger fahre. Sie unterlegte ihre Aussagen mit Erfahrungswerten anderer Gemeinden und merkte zudem an, dass Seltisberg mit einer solchen Behörde im Baselbiet inzwischen «exotisch» sei.
Als Kommissionspräsident Hans Geisseler das Wort ergriff, zeigte sich, dass er die Abschaffung sehr persönlich nimmt. «Ich wehre mich, wenn wir angetastet werden», sagte er. Der Gemeinderat habe mit der Kommission nicht über die Sache diskutiert, sondern sie über den bereits getroffenen Entscheid lediglich ins Bild gesetzt. Er zählte auf, was er und seine Kolleginnen und Kollegen seit dem Neustart der Kommission 2016 geleistet hätten. Und das für 35 Franken in der Stunde – zu einem Tarif, für den «der Bauverwalter in Bubendorf ein Baugesuch nicht einmal anschauen würde». Die tieferen Kosten, wie sie Hersche darstellte, entsprächen nicht den Tatsachen, behauptete er und stellte seinerseits ohne nähere Begründung einen Betrag von 25 000 bis 40 000 Franken in den Raum, den die Auslagerung der Aufgabe jährlich kosten werde. So müsse er sich fragen, ob es hier mit rechten Dingen zugehe oder «uns etwas vorenthalten wird».
Nicht wieder ein Skandal
Auf eine Wortmeldung aus der Versammlung, wonach die Auflösung der Kommission ein «Schnellschuss» sei, der sich gegen deren Mitglieder richte, erklärte Hersche, dass aus der Bevölkerung mehrfach Kritik an der Baukommission an den Gemeinderat herangetragen worden sei. Der Gemeinderat wolle eine gute und kompetente Dienstleistung und keinesfalls wieder einen Skandal wie 2016 wegen des Bauvorhabens Duss/Jacobi, als daraufhin die gesamte Baukommission zurückgetreten war. Auch dies habe die Überlegungen des Gemeinderats beeinflusst.
Der Kommissionspräsident versicherte, dass sein Gremium zu guten Lösungen komme – mit reden. «Hier aber wird falsch geredet.» Er beantragte, das Gremium beizubehalten, es aber von 5 Mitglieder auf 4 zu verkleinern, um die Kosten zu senken. Die meisten Anwesenden applaudierten Geisseler für dessen Votum und als es zur Abstimmung kam, folgten sie ihm: Mit 40 zu 13 Stimmen wurde die Auflösung der Bauund Planungskommission abgelehnt. Die Verkleinerung der Kommission soll zu einem späteren Zeitpunkt zur Debatte gestellt werden.
Ebenfalls Applaus und die Stimmenmehrheit erhielt Paul Salathé, Präsident der Seltisberger Feldschützen. Er hatte sich darüber beklagt, dass die Gemeinde seinem Verein die Kosten für Strom, Wasser und Abwasser im Schützenhaus aufbrummen wolle: Er beantragte, den Betrag von 2750 Franken wieder ins Budget aufzunehmen, «damit wir am Buchenweg weiterhin unseren schönen Schiesssport betreiben können». Wir erinnern uns: Der Gemeinderat hatte vor Jahresfrist das Budget massiv zusammengestrichen und dabei alle Dorfvereine «bluten» lassen. An jener Versammlung, an der es galt, eine massive Steuererhöhung zu vermeiden, spielte die «Opfersymmetrie»: Alle Anträge von Vereinsvertretern, vom Rotstift verschont zu werden, wurden abgeblockt. Am Donnerstag war es anders. Die Abstimmung ging mit 56 zu 9 Stimmen zugunsten der Feldschützen aus.
Investitionen aufgeschoben
An den seines Erachtens zu hohen Berater-Honoraren von mehr als 182 000 Franken störte sich der pensionierte Gemeindeverwalter Hans Rudolf Held, ohne aber das Budget kürzen zu wollen. Anders Roman Willi: Er beantragte, die Investitionsrechnung um 120 000 Franken zu entschlacken, indem man 50 000 Franken für die Anschaffung einer neuen Software in der Verwaltung sowie 70 000 Franken für die anstehende Zonenplanung Landschaft hinausschiebt. Die Finanzchefin gab zu bedenken, dass die Zonenplanung bereits überfällig sei und mit neuer EDV nicht nur in der Verwaltung effizienter gearbeitet werden könne, sondern die Gemeinderäte ihre «Dossiers nicht mehr am Wochenende in der Verwaltung wälzen müssen». Dies könne das Amt für Jüngere attraktiver machen.
Hersches Bedenken wurden mehrheitlich nicht geteilt. Beide Investitionen wurden mit grossem Mehr gestrichen beziehungsweise aufgeschoben. Das Budget mit Ausgaben von 5,86 Millionen Franken und einem Verlust von minimen 1035 Franken hiessen die Seltisberger mit 49 zu 5 Stimmen gut.
Zwei Vollerfolge konnte der Gemeinderat an der Versammlung verbuchen: Die Erneuerung der Wasserleitungen, Fernsehkabel, Strassenbeleuchtung und des Belags in der Jurastrasse wurde nach der Beantwortung weniger Fragen durch den Projektleiter einstimmig gutgeheissen. Die Arbeiten werden 2022 und 2023 ausgeführt; die Kosten vermindern sich dank Synergien mit der EBL, die ihre Leitungen aus den 1960er-Jahren erneuert, erheblich, sie betragen aber immer noch 1,96 Millionen Franken. Auch eine geringfügige Anpassung des Reglements über die Feuerwehrpflichtersatzabgabe war reine Formsache.
Die nach drei Stunden leicht erschöpft wirkende Gemeindepräsidentin Michaela Schmidlin bedankte sich für die engagierte Teilnahme an der Versammlung und verabschiedete die Teilnehmenden bis zur nächsten «Gmäini» am 30. März.