Genussverein mit einer Mission
29.10.2021 Bezirk Sissach, Vereine, Gastronomie, SissachBlut- und Leberwurst-Förderer schmausen im «Alpbad»
Vier Jahre und zwei Tage nach der öffentlichen Metzgete in Sissach hält der «Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste» mit den wichtigen Protagonisten von damals Rückschau und lässt sich im Alpbad eine ...
Blut- und Leberwurst-Förderer schmausen im «Alpbad»
Vier Jahre und zwei Tage nach der öffentlichen Metzgete in Sissach hält der «Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste» mit den wichtigen Protagonisten von damals Rückschau und lässt sich im Alpbad eine Schlachtplatte servieren.
Christian Horisberger
Die Wertschätzung des Metzgerhandwerks, das Schlemmen typischer Metzgete-Speisen und die Kür der besten Schlachtplatte des Jahres: Dies hat sich der «Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste» auf die Fahne geschrieben. Seit 1968 lassen sich die Mitglieder des von Studenten in Langnau am Albis gegründeten Vereins während der Metzgete-Saison landauf, landab Blut- und Leberwürste, Bratwürste, Söischnörli und -schwänzli munden. Nicht nur: Gleichzeitig bewerten sie beim Schmaus mit grosser Gewissenhaftigkeit die Qualität und Reichhaltigkeit der Schlachtplatte, um die beste Metzgete-Beiz auszuzeichnen und dies medial auszuschlachten – zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwurst eben.
Morgen werden die Metzgete-Gourmets im Restaurant Alpbad in Sissach einkehren, womit sie ihre üblichen Jagdgründe in den Kantonen Aargau, Luzern, Zürich, Bern und Glarus verlassen. Der Ausflug in die Nordwestschweiz ist eine Reverenz an die Urheber der öffentlichen Schlachtung von 2017 mit dem Sissacher Metzger Rolf Häring. Dessen Absicht und Werte hinter der Tat im Hof des Restaurants Krone decken sich mit jenen der Blut- und Leberwurst-Liebhaber.
Vom Schnörli bis zum Schwänzli
Der stolze Berufsmann regte mit der Vorführung und der Debatte um die Schau-Metzgete die Menschen auch zu einem bewussteren Fleischkonsum an. In Härings und auch im Interesse des Vereins liegt ebenso die möglichst vollständige Verwertung eines getöteten Tiers. «Seit der Vereinsgründung vor mehr als 50 Jahren sind wir Verfechter der Philosophie vom Söischnörli bis zum -schwänzli», sagt Präsident Peter Bolliger, Schreiner, Slow-Food-Fan und ambitionierter Hobbykoch aus dem aargauischen Hirschthal. Statt Filets und Koteletts herauszupicken, verehre der Verein das, was andere als «Abfallprodukte» der Fleischproduktion sähen. Mit ihrem Fokus seien die Vereinsgründer sozusagen die Vorreiter der Bewegung «Nose to Tail», sagt Bolliger. «Sie haben damals kaum daran gedacht, dass daraus einmal etwas Grosses wird.»
Die Liebe der Vereinsmitglieder zur Schlachtplatte ist gross. Und sie scheuen sich nicht davor, selber Blut an den Händen kleben zu haben. Präsident Bolliger erzählt von einem Vereinsanlass, bei dem die Mitglieder ein «Biosäuli» von zwei Störmetzgern schlachten liessen und die Würste eigenhändig herstellten. «In diesem Jahr hätten wir den Vereinspreis selber verdient, aber das wäre Selbstbeweihräucherung», kommentiert der Präsident lachend.
Humor und Selbstironie
Üblicherweise wählt der Tafelmajor – er ist das geschäftsführende Vorstandsmitglied – von September bis Anfang April fünf bis sechs zu besuchende Metzgeten aus. Die aktiven Vereinsmitglieder – unter ihnen doppelt so viele Ärzte wie Metzger – sind aufgefordert, an möglichst vielen davon teilzunehmen. Mithilfe eines Bewertungsformulars werden Qualität, Reichhaltigkeit, Präsentation und Gesamteindruck taxiert. Das Verfahren ist höchst gewissenhaft, denn am Ende der Saison soll ausgezeichnet werden, wer den Sieg auch wirklich verdient.
Nicht ganz so ernst nehmen sich die Vereinsmitglieder selber. So ziehen sich Humor und Selbstironie wie ein roter Faden durch die Dokumente und Einträge auf der Website des Vereins. Die Saat dafür haben die Vereinsgründer ausgebracht: In den Ur-Statuten werden die Rolling Stones als Vereinskapelle benannt, die Existenz des Vereins wurde in der Verfassung auf 99 Jahre beschränkt, endend 2067. Anlässlich der Auflösung sei das gesamte Vereinsvermögen «bis auf den letzten Rappen an einer Metzgete zu verfressen».
Der Passus, wonach abtrünnige Mitglieder nach einem Vereinsaustritt jedes Schaltjahr mit einem Schmähbrief bedacht werden, wurde bei der jüngsten Statutenrevision gestrichen. Ohnehin sind laut Bolliger Eintritte die Regel und nicht Austritte. Zuletzt habe die Lust an der Metzgete und am geselligen Vereinsleben stark zugenommen. Die Mitgliederzahl stieg in den vergangenen zwölf Jahren von 60 auf 100.
Wer ist die Königin der Würste?
Mehr als 30 «Schwestern und Brüder im Säuli», wie es in der Einladung an die Vereinsmitglieder heisst, werden morgen Sissach einen Besuch abstatten und sich von Metzger Rolf Häring, Heiner Oberer sowie Gemeinderat Robert Bösiger am Schauplatz der Schlachtung über die damaligen Geschehnisse orientieren und anschliessend zum Gasthof Alpbad führen lassen. Dort werden übrigens Würste, Speck und Gnagi von einem Bio-Schwein vom Gutsbetrieb Ebenrain aufgetischt. Geschlachtet und verarbeitet wurde das Tier vom Rickenbacher Metzger Martin Wirth. Also darf sich Rolf Häring auch einmal an einer Schlachtplatte gütlich tun, ohne dafür geschwitzt oder im Visier von Medienschaffenden und Tierschützern gestanden zu haben.
Ganz bestimmt wird es für die Protagonisten der öffentlichen Metzgete und Herausgeber des Buchs «Ausgeschlachtet» viele Fragen zu den Ereignissen von damals zu beantworten geben. Nur eine Frage wird am Samstag garantiert keiner stellen: Welche für ihn die Königin der Würste sei. Denn wer nicht weiss, dass für einen stolzen Metzger die Herstellung einer Blutwurst die Königsdisziplin ist, hat es nicht verdient, Mitglied des «Vereins zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste» zu sein.