Den Letzten sollen nicht die Hunde beissen
02.09.2021 Bezirk Liestal, Justiz, Finanzen, Waldenburg, Oberdorf, Gemeinden, Bezirk WaldenburgWaldenburg muss für Deckungslücke bei Pensionskasse geradestehen, urteilt das Gericht
Weil sie 2012 aus der Regionalen Sozialhilfe Waldenburgertal ausgestiegen war, will die Gemeinde Waldenburg nun fällige Sanierungsbeiträge an die Pensionskasse nicht bezahlen. Oberdorf klagte dagegen ...
Waldenburg muss für Deckungslücke bei Pensionskasse geradestehen, urteilt das Gericht
Weil sie 2012 aus der Regionalen Sozialhilfe Waldenburgertal ausgestiegen war, will die Gemeinde Waldenburg nun fällige Sanierungsbeiträge an die Pensionskasse nicht bezahlen. Oberdorf klagte dagegen und bekam gestern vom Kantonsgericht vollumfänglich recht.
Sebastian Schanzer
Im Jahr 2015 vollzog die Basellandschaftliche Pensionskasse (BLPK) den Wechsel vom Leistungs- zum Beitragsprimat und wird seitdem im System der Vollkapitalisierung ohne Staatsgarantie geführt. Das Gesetz ordnet zu diesem Zweck an, die BLPK per Ende 2014 auf 100 Prozent auszufinanzieren. Dieser Systemwechsel führte zu einer Deckungslücke und musste durch den Arbeitgeber – in diesem Fall die Einwohnergemeinde Oberdorf – ausfinanziert werden. Die Gemeinde Oberdorf war nämlich Kopfgemeinde des Sozialdienstes Waldenburgertal und später des Regionalen Sozialdienstes Waldenburgertal. Die Administration des Personals wurde durch deren Verwaltung erledigt. Somit erfolgte die Rechnungsstellung der auszufinanzierenden Deckungslücke jeweils an die Einwohnergemeinde Oberdorf, welche den Anteil des Personals des Sozialdienstes an die Mitgliedergemeinden weiterverrechnet hat. Jeder Gemeinde wurde ihr Anteil an den Kosten für diejenigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, welche während ihrer Mitgliedschaft angestellt waren, in Rechnung gestellt. Bis heute mussten drei Deckungslücken ausfinanziert werden. Die beiden ersten Forderungen wurden durch die Gemeinden anstandslos bezahlt.
Bei der 2018 erfolgten dritten Forderung weigerte sich Waldenburg allerdings als einzige Gemeinde, ihren Beitrag von knapp 16 000 Franken zu bezahlen. Sie reichte der Gemeinde Oberdorf ein Gutachten ein: Weil man 2012 aus der Regionalen Sozialhilfe ausgestiegen sei, müsste man für die jetzt gestellten Forderungen nicht mehr aufkommen. Oberdorf und die übrigen Mitglieder des Zusammenschlusses sollten auf den Kosten sitzen bleiben. Gegen die verweigerte Zahlung hatte Oberdorf beim Kantonsgericht Klage eingereicht.
Rückblick: Im Jahr 2004 hatten sich die Gemeinden Liedertswil, Niederdorf, Oberdorf und Waldenburg zur Führung einer gemeinsamen Sozialhilfebehörde inklusive Sozialdienst zusammengeschlossen. Fünf Jahre später kamen Langenbruck, Bennwil und Hölstein dazu. Der Zusammenschluss hatte aber offenbar nicht zu den gewünschten Einsparungen bei den Gemeinden im Sozialbereich geführt. Nachdem 2012 erst Waldenburg und Langenbruck, später Liedertswil und per Ende 2020 auch Bennwil und Oberdorf aus der gemeinsamen Sozialhilfe ausgestiegen waren, löste sich die Behörde und der Dienst vollends auf.
«Wichtiges Urteil»
Der Austritt spricht die ehemalige Mitgliedsgemeinde Waldenburg allerdings noch lange nicht von den Sanierungsbeiträgen laufender Renten frei, waren sich die fünf Kantonsrichter gestern einig. Sie hiessen Oberdorfs Klage vollumfänglich gut. Zum Zeitpunkt des Eintritts der beiden Angestellten in ein Rentenverhältnis war Waldenburg sehr wohl noch Mitglied des Verbunds. «Dass die Gemeinde nun nicht bezahlen will, ist ein Verstoss gegen die 2009 unterschriebene Vereinbarung», so Kantonsrichter Markus Clausen. In dieser Vereinbarung ist die Sozialhilfebehörde, bestehend aus je einem Mitglied der Vertragsgemeinden, als Anstellungsbehörde, also Arbeitgeber, eindeutig definiert. «Die Klage abzuweisen», so Richter Hans Furrer, «hiesse auch, dass Gemeinden, die dem Zusammenschluss erst später beigetreten sind, für Kosten geradestehen müssten, an denen sie gar nicht beteiligt waren. Das geht nicht.» Die Redewendung, wonach den Letzten die Hunde beissen, dürfe sich hier nicht bewahrheiten.
So eindeutig das Urteil gestern ausgefallen ist, so wichtig war es für den Oberdörfer Gemeindepräsidenten Piero Grumelli. «Wäre Waldenburg mit seiner Zahlungsverweigerung durchgekommen, so müssten wir nicht lange warten, bis bereits getätigte Zahlungen von Waldenburg und anderen Gemeinden zurückgefordert werden.» Unter diesen Umständen würde sich keine Gemeinde mehr dazu bereit erklären, die Federführung in einem Zusammenschluss zu übernehmen.
Für die Gemeinde Waldenburg kommen nun die Verfahrenskosten von 2000 Franken und eine Parteientschädigung von knapp 9500 Franken hinzu.