Beschädigte Strassen reissen Löcher in Kassen
20.07.2021 Baselbiet, Tenniken, NaturSebastian Schanzer
Böses Erwachen für Marcel Koenig, den Gemeindepräsidenten von Anwil: Die heftigen Niederschläge Ende Juni haben auch auf «Ammeler» Boden einigen Schaden angerichtet. Die Waldwege zum Talweiher sowie nach Wittnau (AG) wurden mit Geröll ...
Sebastian Schanzer
Böses Erwachen für Marcel Koenig, den Gemeindepräsidenten von Anwil: Die heftigen Niederschläge Ende Juni haben auch auf «Ammeler» Boden einigen Schaden angerichtet. Die Waldwege zum Talweiher sowie nach Wittnau (AG) wurden mit Geröll überspült, Koenig schätzt den Schaden auf rund 30 000 Franken. Die Wege komplett wiederherzustellen, würde weit mehr als 100 000 Franken kosten, so Koenig. Davon sehe man im Moment aber ab. Denn: Entgegen seinen Erwartungen sind die Schäden nicht durch die Gebäudeversicherung gedeckt. Die Gemeinde muss die Reparatur selbst berappen.
Stefan Grütter, Bereichsleiter Schadenmanagement bei der Basellandschaftlichen Gebäudeversicherung (BGV) bestätigt: Gemäss den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen seien Strassen, Plätze und Wege, soweit sie im Eigentum von Bund, Kanton, Gemeinde und Bürgergemeinde sind, von der Haftung durch die obligatorische Grundstückversicherung ausgeschlossen. Das sei schon lange so geregelt und hinlänglich bekannt. Grütter stellt seit den jüngsten Überschwemmungen denn auch keine gehäuften Reklamationen seitens Gemeinden fest.
«Etliche Gemeinden betroffen»
Bedauerlich sei das dennoch, sagt der Gemeindepräsident von Lauwil, Thomas Mosimann. Am vergangenen Freitag teilte die Gemeinde mit, dass ein Abschnitt der Strasse zur «Ulmet» aufgrund eines Hangrutsches unterhöhlt worden sei. «Das Gestein ist unter der Strasse einfach abgebrochen. Nun hängt sie talseitig bis zu einem Meter quasi in der Luft», so Mosimann. Von aussen sei dies zwar nur am abgesackten Bord zu erkennen, trotzdem muss die Strasse ab der Verzweigung Lauwilerberg nun für mindestens zwei bis drei Wochen für Motorfahrzeuge gesperrt werden.
Erst vor zwei Jahren habe man genau diesen Strassenabschnitt aufgrund des instabilen Untergrunds für knapp 30 000 Franken sanieren lassen. «Wahrscheinlich reicht es aber nicht, den Belag auszuwechseln und einfach Material nachzufüllen. Die Böschung muss möglicherweise gestützt werden», so Mosimann. Das komme aber extrem teuer und würde das Budget der kleinen Gemeinde ernsthaft belasten. Die konkreten Kosten kann der Gemeindepräsident noch nicht abschätzen. Im Verlauf der Woche sollen die Begutachtungen des Ingenieurbüros vorliegen.
Die Liste der Dörfer, die nach dem grossen Regen nun für Unwetterschäden aufkommen müssen, kann beliebig erweitert werden. «Etliche Gemeinden im Kanton sind betroffen», sagt Marcel Koenig, Gemeindepräsident von Anwil. Auf Anfrage meldet etwa die Verwaltung Langenbruck geschätzte Instandstellungskosten zwischen 150 000 und 350 000 Franken. Die Gemeinde Waldenburg ist noch stärker betroffen. Sie rechnet gemäss Verwaltung allein nach dem Unwetter von Ende Juni mit einem Schaden von mindestens 350 000 Franken.
Hoffen auf den Landrat
Umso mehr erstaunt es, dass es offenbar kaum Bestrebungen der Gemeinden gibt, dies zu ändern. Im Dezember 2019 hatte der Regierungsrat eine Projektgruppe, bestehend aus den betroffenen Ansprechgruppen mit der Ausarbeitung eines modernen Gesetzes über die Gebäudeversicherung beauftragt. Der Gesetzesentwurf liegt mittlerweile vor, die Vernehmlassung dazu endete vor drei Wochen. Neu ist im Gesetzesentwurf, der noch vom Landrat verabschiedet werden muss, unter anderem festgelegt, dass künftig auch Schäden auf Waldwegen von der Grundstückversicherung gedeckt werden. Zurückzuführen ist dies nicht zuletzt auf den Einsatz des Verbands der Baselbieter Bürgergemeinden, die rund 70 Prozent des Waldes im Kanton besitzen, wie deren Präsident Georges Thüring auf Anfrage sagt. Während einer Probefrist von drei Jahren soll die neue Leistung ohne Prämienerhöhung eingeführt werden.
Anders als die Bürgergemeinden war der Verband Basellandschaftlicher Gemeinden (VBLG) nicht direkt beteiligt am Entwurf des neuen Gesetzes. Knapp fällt auch seine Stellungnahme im Rahmen der Vernehmlassung aus. Die Änderungen würden die Gemeinden in ihrer politischen Funktion nicht betreffen, heisst es. «Möglicherweise haben wir hier etwas verpasst», sagt der Lauwiler Gemeindepräsident Mosimann. Zu spät ist es indes noch nicht. Der Landrat könnte die Vorlage mit dem Wunsch nach entsprechenden Anpassungen noch einmal an die Projektgruppe zurückweisen. Die VBLG-Präsidentin und ehemalige SP-Landrätin, Regula Meschberger, will dieser Möglichkeit nun nachgehen, wie sie auf Anfrage bekräftigt.
Bei der BGV stösst dies jedoch auf wenig Gegenliebe. Strassen von Gemeinden, aber auch des Bundes, des Kantons und der Bürgergemeinden seien nicht versichert, weil diese zu den Infrastrukturbauten zählten, wie beispielsweise Elektro-, Wasser- und Kanalisationsleitungen, die ebenfalls nicht im Umfang der Grundstückversicherung enthalten sind, so Grütter. «Infrastrukturanlagen sind unter anderem auch ausgeschlossen, weil dieses Risiko aus der öffentlichen Infrastruktur von der Versicherungs-Solidargemeinschaft nicht getragen werden könnte − zumindest nicht zu bezahlbaren Prämien. Die Waldwege bildeten hier eine Ausnahme.