Das «Waldenburgerli» wird zur Stadionbahn
13.04.2021 Baselbiet, Verkehr, Bubendorf, Bezirk WaldenburgBubendorf/Muttenz | Trieb- und Steuerwagen vor dem Weg in die Slowakei
Als eigentliches Schnäppchen bezeichnet der Direktor der Schwarzgranbahn den Kauf des alten Rollmaterials der Waldenburgerbahn. Ihre Geschichte bleibt auch künftig spannend und ...
Bubendorf/Muttenz | Trieb- und Steuerwagen vor dem Weg in die Slowakei
Als eigentliches Schnäppchen bezeichnet der Direktor der Schwarzgranbahn den Kauf des alten Rollmaterials der Waldenburgerbahn. Ihre Geschichte bleibt auch künftig spannend und attraktiv.
Elmar Gächter
Es ist absolute Präzisionsarbeit, die hier geleistet wird. Zwei Mobilkrane heben, minutiös aufeinander abgestimmt, den 17 Tonnen schweren Steuerwagen 113 der Waldenburgerbahn ab den Schienen und platzieren ihn millimetergenau auf den Sattelzug mit Aufleger. Der erste Transport steht bereit, den Installationsplatz nördlich des Bad Bubendorf Richtung Auhafen zu verlassen.
Zwei erfahrene Profis führen den Schwertransport auf der vorgegebenen Versorgungsroute 1 nach Birsfelden. Für Alois Mosburger im vorausfahrenden Begleitfahrzeug mit Blinklicht und für Lkw-Fahrer Jann Dübi Alltag. Bei der Durchfahrt in Liestal erfolgt kurz ein Zwischenstopp wegen grösserer, entgegenkommender Fahrzeuge. Diese machen sofort Platz und auch die Kantonalbankkreuzung ist kein Hindernis. «Im Grossen und Ganzen verhalten sich die Verkehrsteilnehmer sehr diszipliniert», spricht Mosburger den Automobilisten ein Lob aus. Unterwegs tauschen sich «Lotse» und Schwertransport-Chauffeur immer wieder per Funk aus.
Für 80 000 Franken verkauft
Im Muttenzer Auhafen erfolgt der Ablad. Kurze Zeit später ist Steuerwagen 113 auf dem Zwischenlager deponiert und wartet, wie seine nachfolgenden «16 Kollegen», darauf, auf Schiffe verladen zu werden.
Für 80 000 Franken hat die Baselland Transport AG (BLT) ihre ausrangierten WB-Fahrzeuge in die Slowakei verkauft. Neue Besitzerin ist die private Gesellschaft der 760-mm-Schmalspurbahn Ciernohronská železnica (CHŽ) oder auf Deutsch Schwarzgranbahn. Die BLT hat ihre Offerte als die erfolgversprechendste unter sechs Angeboten, das weiteste aus Madagaskar, bewertet. Das vorgelegte Konzept der privaten CHŽ hat laut Fredi Schödler, stellvertretender Direktor der BLT, gute Chancen, realisiert zu werden. «Sie braucht noch gewisse Anpassungen, wird aber wieder eins zu eins unterwegs sein», äusserte Schödler gegenüber dem «Regionaljournal Basel» von SRF.
Die Schwarzgranbahn blickt auf eine ähnlich lange Vergangenheit zurück wie die Waldenburgerbahn. Sie wurde als Waldbahn gebaut und erschloss das Tal der Schwarzen Gran (Cierny Hron) im slowakischen Erzgebirge für die Holzabfuhr. Mit ihrem Netz von rund 130 Kilometern Länge beförderte sie ab Anfang des 20. Jahrhunderts bis 1982 zunächst nur Holz und später auch Personen zwischen den Sägewerken in Hronec und Cierny Balog.
Bahnlinie für Touristen
Nach einem Unterbruch von zehn Jahren, inzwischen zum nationalen Kulturdenkmal in der Slowakei erklärt, dient die Bahn seit 1992 touristischen Zwecken. Sie wird heute auf 17 Kilometern Länge zwischen Chvatimech und Cierny Balog als eigentliche Museumsbahn betrieben. Sie zählt jährlich gegen 70 000 Besucher und ist eine der meistbesuchten Attraktionen des Kreises Banskobystrický kraj. Ein Teil des Rollmaterials besteht aus historischen Personenwagen, einschliesslich eines Restaurantwagens. Das Besondere: Sie fährt durch ein Fussballstadion (siehe «Nachgefragt»).
Ende April wird das «Waldenburgerli» seine dreiwöchige Flussreise antreten. Auf zwei Binnenschiffen geht es von Muttenz aus auf dem Rhein und dem Main-Donau-Kanal bis nach Bratislava. Von dort aus wird es Huckepack auf der Bahn an seinen neuen Bestimmungsort befördert. Wer dem «Waldenburgerli» nachtrauert, dem bietet sich in einigen Jahren die beste Möglichkeit, der «Cremeschnitte» in der wunderbaren Landschaft des Ausläufers der Karpaten einen Besuch abzustatten.
Weitere Informationen zur Schwarzgranbahn unter www.chz.sk sowie youtu.be/3WWlhuKI2MI
Bahnwagen versprayt – 5000 Franken Schaden
emg. Wie von der Baselland Transport AG (BLT) zu erfahren ist, wurde über das Wochenende eines der im Muttenzer Auhafen deponierten Waldenburgerbahn-Fahrzeuge versprayt. Auch wenn das Unternehmen nicht mehr Eigentümer des Materials ist, wird laut Fredi Schödler, stellvertretender Direktor der BLT, die BLT das Fahrzeug reinigen lassen und den Aufwand, der auf rund 5000 Franken geschätzt wird, übernehmen. «Es geht dabei letztlich auch um das Image, dass die BLT tadellose Fahrzeuge aus der Schweiz abliefert», so Schödler.
17 Wagen der WB wurden von den Schienen auf einen Sattelschlepper gehoben und zum Aufhafen Muttenz befördert – bereit zum Verschiffen.
Bilder Elmar Gächter
NACHGEFRAGT | ALEŠBÍLEK, DIREKTOR DER SCHWARZGRANBAHN
«Für uns sind diese Fahrzeuge wie neu»
Herr Bílek, was bedeutet die Übernahme des Rollmaterials der Waldenburgerbahn für den Betrieb Ihrer Bahn?
Aleš Bílek: Es ist für uns eine sehr gute Möglichkeit, unsere heute mit Dampfund Dieselloks betriebene Bahn mit elektrischem Betrieb zu ergänzen. Unser Projekt sieht vor, die Arbeiten sukzessive anzugehen, und wir hoffen, ab 2025 das Rollmaterial der Waldenburgerbahn nicht nur für touristische Zwecke, sondern auch für Pendler einsetzen zu können. Für uns ist dies finanziell ein sehr grosser Aufwand, doch wir zählen auf Gelder der EU und des slowakischen Staates. Dies nicht zuletzt, weil unsere Bahn ein nationales Kulturdenkmal darstellt.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Zustand des WB-Wagenparks?
Die Fahrzeuge sind in einem sehr guten Zustand. Für slowakische Verhältnisse sind sie fast wie neu. Wir betrachten den Kauf als eigentliches Geschenk der BLT.
Erzählen Sie unseren Leserinnen und Lesern doch noch etwas über die ganz besondere Attraktion Ihrer Bahn.
Ja, dies ist wohl einmalig auf dieser Welt, führt doch das Streckennetz durch ein Fussballstadion. Die Schienen wurden hier 1917 angelegt, dann kam das Fussballstadion und später die Tribüne. Und so fährt die Bahn seit Jahren zwischen der Tribüne und dem Platz des hiesigen Fussballvereins aus dem 5000-Seelen-Dorf Cierny Balog durch, selbst wenn auf dem Rasen gespielt wird. Und dies in der Touristiksaison jede Stunde mit Dampf- oder Diesellok. n
Und an dieser Durchfahrt wollen Sie auch mit dem Rollmaterial der Waldenburgerbahn festhalten?
Das planen wir. Da wir langsam fahren, stellt die Durchfahrt kein Unfallrisiko dar. Eine elektrische Fahrleitung können wir hier im Stadion zwar nicht bauen, aber wir werden eine Lösung finden, beispielsweise mit dem Einbau von entsprechenden Akkumulatoren in die Triebwagen.