Übung am falschen Objekt?
09.02.2021 Bezirk Sissach, Zunzgen, Gesundheit2000 Grundbuch-Einträge für umstrittene Planungszone
Während fünf Jahren sollen in Zunzgen keine Mobilfunkanlagen geplant und gebaut werden dürfen. Die Gemeinde hat die Grundlage dafür, die Planungszone, offiziell publiziert. Bis zum 14. Februar kann dagegen Einsprache erhoben werden. ...
2000 Grundbuch-Einträge für umstrittene Planungszone
Während fünf Jahren sollen in Zunzgen keine Mobilfunkanlagen geplant und gebaut werden dürfen. Die Gemeinde hat die Grundlage dafür, die Planungszone, offiziell publiziert. Bis zum 14. Februar kann dagegen Einsprache erhoben werden. Die Rechtmässigkeit der Zone ist umstritten.
Christian Horisberger
Es wäre eine Premiere für den Kanton Baselland: Sollte die Planungszone für Mobilfunkanlagen auf dem gesamten Zunzger Gemeindegebiet Rechtskraft erlangen, würde für jedes einzelne Grundstück im Dorf ein entsprechender Grundbucheintrag erforderlich, der bedeuten würde: Auf diesem Grund und Boden darf keine Mobilfunkantenne errichtet werden. Fünf Jahre später würde der Eintrag wieder gelöscht.
Den Anstoss dafür hatten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger am 16. September gegeben, als sie an der Gemeindeversammlung mehrheitlich für die Errichtung dieser Planungszone stimmten. Der Gemeinderat hat aufgrund dessen die Verfügung verfasst und am 4. Februar im kantonalen Amtsblatt publiziert. Innerhalb von zehn Tagen kann gegen die Planungszone beim Regierungsrat Einsprache erhoben werden.
Ohne Planung keine Planungszone
Dass dies geschehen wird, steht bereits fest. Wie Swisscom-Sprecherin Esther Hüsler auf Anfrage sagt, werde sich ihr Unternehmen gegen die Planungszone zurWehr setzen. DerTelekommunikationsunternehmen begründet seine Einsprache wie folgt: Eine Planungszone müsse verhältnismässig sein. Die hier vorliegende Planungszone wäre mit der Fernmeldegesetzgebung des Bundes unvereinbar, da eine Planungszone nicht «über das hinausgehen darf, was zur Erreichung des Sicherungsziels in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht erforderlich ist». Ferner sei zu prüfen, ob überhaupt eine einigermassen verfestigte Planungsabsicht besteht.
Denn gemäss Raumplanungsgesetz ist Voraussetzung für die Errichtung einer Planungszone, dass eine Änderung des Nutzungsplans oder der Zonenvorschriften vorbereitet wird oder läuft. Dies ist in Zunzgen jedoch nicht der Fall, was der Gemeinderat in der Beratung des Geschäfts an der Gemeindeversammlung ebenfalls zu bedenken gegeben hatte. Die Mehrheit stimmte dennoch zu – und der Gemeinderat setzt den Beschluss nun um.
1435 Briefe an Grundeigentümer
Die Zunzger Behörden gehen davon aus, dass es nicht bei der Einsprache der Swisscom bleiben wird. Dies schon allein aufgrund der grossen Anzahl Betroffener: Da der Antrag des Souveräns lautete, die Planungszone müsse sich über das gesamte Gemeindegebiet erstrecken, ist jede einzelne Parzelle Zunzgens tangiert. Laut Gemeindeverwalter Cristiano Santoro handelt es sich um insgesamt rund 2000 Grundstücke sowohl im Siedlungsgebiet als auch in Wald und Feld. Gemeindepräsident Hansruedi Wüthrich könnte sich vorstellen, dass es Einsprachen von Grundeigentümern geben wird, die wegen der Last auf ihrem Grundstück eine Wertminderung befürchten.
Die grosse Zahl Betroffener treibt die Kosten für die Umsetzung in die Höhe: Laut Gesetz müssen zusätzlich zur Publikation im Amtsblatt des Kantons alle Betroffenen direkt angeschrieben werden. Die Gemeindeverwaltung habe an die Grundeigentümer 1435 Briefe per «A-Post Plus» (Porto: 2.40 Franken pro Brief) verschickt. Sollten die Einsprachen abgewiesen und die Planungszone Rechtskraft erhalten, würde das Grundbuchamt für die Einträge eine Rechnung über 3000 Franken stellen – zulasten der Gemeinde, wie Santoro ausführt.
Swisscom-Antenne betroffen?
Die «IG Mensch, Tier und Umwelt» wertet den Schritt, den die Gemeinde ihrer Erwartung entsprechend vollzogen hat, positiv: Durch dieses fünfjährige Moratorium könnten Standorte weiterer Mobilfunkantennen koordiniert geplant werden, um grösstmöglichen Nutzen für die Anwender mit kleinstmöglichen Schäden für Menschen, Tiere und Umwelt zu erzielen, erklärt Martin Kanwar von der IG auf Anfrage.
Ob die IG mit der Planungszone tatsächlich ihr Ziel erreicht hat, ist umstritten. Denn die Swisscom-Mobilfunkantenne im Gewerbegebiet, durch die Kanwar und dessen Mitstreiter seinerzeit auf den Plan gerufen wurden, wäre nach dem Dafürhalten des Gemeindepräsidenten von der Planungszone ausgerechnet nicht betroffen. Die Swisscom ist derselben Meinung: «Eine Planungszone entfaltet ihre Wirkung grundsätzlich nur auf Bauvorhaben, die nach ihrem Erlass eingereicht werden. Wir gehen also davon aus, dass das bestehende Bauvorhaben davon nicht betroffen ist», sagt Firmensprecherin Hüsler.
Anders sieht man es beim Kanton: Laut Auskunft des Bauinspektorats ist das Baugesuch für die Swisscom-Anlage im Beschwerdeverfahren vor der Baurekurskommission hängig. Die Beschwerde habe aufschiebende Wirkung, weshalb das Gesuch noch nicht rechtskräftig bewilligt sei. «Damit ist auch dieses Baugesuch von der Planungszone betroffen. Die Erteilung einer Baubewilligung wäre während der Laufzeit der Planungszone daher nicht möglich.»
Es ist davon auszugehen, dass sich über die Mobilfunkantennen in Zunzgen jetzt auch die Juristen die Köpfe zerbrechen dürften.