Luft beim Windkraftwerk ist draussen
18.12.2020 Baselbiet, Gelterkinden, BauprojekteChristian Horisberger
Es hätte ein Projekt der Umwelt zuliebe werden sollen. Heinz Zbinden plante auf dem Dach seines Hauses in der Nähe des Gelterkinder Schützenhauses eine Windturbine. Es wäre das erste Kleinkraftwerk dieses Typs in der Schweiz gewesen. Zbinden hatte ...
Christian Horisberger
Es hätte ein Projekt der Umwelt zuliebe werden sollen. Heinz Zbinden plante auf dem Dach seines Hauses in der Nähe des Gelterkinder Schützenhauses eine Windturbine. Es wäre das erste Kleinkraftwerk dieses Typs in der Schweiz gewesen. Zbinden hatte sich von der Anlage nicht den grossen Stromertrag versprochen, dafür bläst der Wind am Frändletenweg nicht stark genug. Vielmehr hatte er gehofft, dass andere Hauseigentümer von seinen Erfahrungen mit dem Mini-Windkraftwerk profitieren und es ihm sogar gleichtun könnten: Als Mosaiksteinchen, die dazu beitragen sollten, um etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen.
Aber es kam anders. Nach der Publikation des Baugesuchs (die «Volksstimme» berichtete) erhielt Zbinden Post aus Liestal. Das Bauinspektorat teilte ihm mit, dass die vom Turbinen-Produzenten gelieferten Daten zur Lärmentwicklung der Anlage für eine Bewilligung nicht ausreichten. Als Bauherr müsse er auf eigene Rechnung einen Lärmschutznachweis eines anerkannten Akustik-Ingenieurbüros erbringen – zum Preis von mindestens 2000 Franken, wie Zbinden auf Nachfrage bei der Baubewilligungsbehörde erfuhr. Dies zuzüglich zu den rund 10 000 Franken, die für Kauf und Montage der Windturbine aus österreichischer Produktion anfallen.
Er sei vom Kanton enttäuscht, sagt Zbinden etwas geknickt. Er hätte sich gewünscht, dass sich die Leute vom Bauinspektorat beim Amt für Umwelt und Energie (AUE) erkundigen, ob es sich lohne, so eine Sache zu bewilligen. «Aber man hat stur nach Reglement und Vorschrift gehandelt.» Dem hält Andrea Bürki, Sprecherin der Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD), entgegen, dass im ersten Schritt die Zonenkonformität geprüft werde. Das AUE wäre auch noch zum Zuge gekommen, sagt sie.
Dämpfer wegen Nachbarn
Die Lärmemission werde auf der Grundlage der Messdaten des Herstellers berechnet. Verwendet würden dazu Programme, welche die Lärmbelastung bei der Nachbarschaft an allen Fenstern von sogenannten lärmempfindlichen Räumen errechnen.
Für Zbinden waren aus der Nachbarschaft geäusserte Zweifel sowie die Einsprache eines Nachbarn gegen das Baugesuch weitere Dämpfer. Letzterer habe einerseits Bedenken wegen des Lärms und bezweifle andererseits die Rechtmässigkeit des Dachaufbaus: Windturbinen seien im kommunalen Zonenreglement Siedlung nicht als möglicher Dachaufbautyp erwähnt und daher nicht bewilligungsfähig. Auch integriere sich eine Windturbine nicht in die bestehende Dachlandschaft.
Womit er falschliegen dürfte. «Aus zonenrechtlicher Sicht hätte das Projekt realisiert werden können, da es sich um eine technische Aufbaute handelte, und die Windturbine wäre innerhalb des zulässigen Gebäudeprofils gewesen», heisst es beim Bauinspektorat auf Anfrage.
Der vermeintliche Privat-Windrad-Pionier wollte sich jedoch auf keinen möglicherweise teuren Rechtsstreit einlassen und zog die Notbremse. Dem Bauinspektorat teilte Zbinden sodann mit, dass er sein Baugesuch storniere. Er sei nicht bereit, das geforderte Gutachten erstellen zu lassen. Denn selbst bei einem positiven Resultat habe er keine Gewähr, die Anlage bauen zu können, da eine Einsprache hängig sei. «Ich habe es dem Klima zuliebe versucht, aber das kann ja warten …», endet Zbindens E-Mail an die Baubewilligungsbehörde.
Der pensionierte Chemiker spricht gegenüber der «Volksstimme» von einer «verpassten Chance». Er könne sich nicht vorstellen, dass die Turbine lauter gewesen wäre als eine zulässige und weit verbreitete Luft-Wärmepumpe. «Falls der Geräuschpegel bei starkem Wind doch einmal etwas höher geworden wäre, wären wegen des Windes in der Nachbarschaft sowieso alle Fenster geschlossen worden.» Und selbstverständlich hätte er die Anlage wieder vom Dach genommen, wenn sie ihm selber zu viel Lärm gemacht hätte. «Ich wäre ja auch betroffen gewesen.» In dem Fall hätte er die Windturbine einem Bauern geschenkt, der weit und breit keine Nachbarn hat, sagt er.
Fast nur positive Stimmen
BUD-Sprecherin Bürki merkt an, dass die Nachweise der Lärmbelastung nicht nur der Sicherstellung der gesetzlichen Vorgaben dienten, sondern auch Grundlage zur Beantwortung allfälliger Einsprachen zu einem Baugesuch seien. Besonders bitter findet Zbinden, der schon heute Ökostrom-Selbstversorger ist, dass er von «ausserhalb eines 50-Meter-Radius ums Haus» nur positive Reaktionen zum Öko-Vorhaben erhalten habe. Von Menschen, die der Klimawandel ebenso beschäftigt wie ihn.
Dieser liegt auch dem Kanton am Herzen. Jedoch ist im kantonalen Richtplan festgehalten, «dass aus Gründen der Effizienz, der Wirtschaftlichkeit und der Bündelung ihrer Auswirkung nur Gross-Windkraftanlagen realisiert werden sollen», hält Bürki fest.