Die Jägerin zeigt allen den Meister
22.10.2020 Bezirk Sissach, Gastronomie, Landwirtschaft, SissachGrillexpertin Silvia Seiler beschafft sich ihr Fleisch selber
Beinahe alles kann auf dem Grill zubereitet werden. Das bewies Grillmeisterin und Jägerin Silvia Seiler am Montag am Herbstgrillkurs im Vitrum in Sissach. Neben der Kunst des Grillierens vermittelte die Grillmeisterin zudem viel ...
Grillexpertin Silvia Seiler beschafft sich ihr Fleisch selber
Beinahe alles kann auf dem Grill zubereitet werden. Das bewies Grillmeisterin und Jägerin Silvia Seiler am Montag am Herbstgrillkurs im Vitrum in Sissach. Neben der Kunst des Grillierens vermittelte die Grillmeisterin zudem viel Wissenswertes über die Jagd.
Heiner Oberer
Mit geübten Schnitten zerlegt Metzgermeister Rolf Häring im Hinterhof vom Muff Haushalt und Café Vitrum in Sissach den Rehbock. Der zweieinhalbjährige Sommerbock ist vor einer Woche von der Grillmeisterin und Jägerin Silvia Seiler (42) mit einem sauberen Blattschuss erlegt worden. Seiler und Häring demonstrieren 17 Interessierten im Rahmen eines Wildkurses, wie Wild fachgerecht zerlegt und anschliessend auf dem Grill richtig zubereitet wird. Es wird ein komplettes Herbstmenü, von der Vorspeise bis zum Dessert, auf dem Grill zubereitet.
Bevor sich Silva Seiler zur Grillmeisterin ausbilden liess, stutzte sie 15 Jahre lang Haupthaar und Bärte von Männern im eigenen Coiffeursalon. «Irgendwann hatte ich genug geschnipselt und suchte eine neue Herausforderung.» Mit Weber Grill fand sie die ideale Firma, für die sie nach der Ausbildung zur Grillmeisterin als selbstständige Unternehmerin gegen 200 Grillkurse im Jahr durchführt. Immer auf der Suche nach dem perfekten Wildfleisch, war der Schritt, die Jägerprüfung zu absolvieren, nur logisch. «Es ist sehr schwer, qualitativ hochstehendes Wild zu beschaffen», sagt die passionierte Jägerin. So habe sie sich zur Jägerin ausbilden lassen und beschaffe sich so das Fleisch jetzt selber.
Das ganze Tier wird verwertet
An dieser Stelle wird Seiler ernst. «Der Jäger oder die Jägerin ballert nicht wie ein verrückt gewordener Rambo im Wald herum. Das sind Schauermärchen», sagt sie bestimmt. Sie sei auch ausserhalb der Jagdzeit viel im Wald unterwegs. «Einfach im Wald stehen. Den verschiedenen Geräuschen lauschen. Tiere beobachten. Das ist für mich pure Erholung.» Nebenher verarbeitet sie das Wildfleisch. «Ich werfe nichts weg. Das ganze Tier wird verwertet», erklärt sie den lauschenden zukünftigen Grillmeistern. So wage sie sich auch an eher ungewöhnliche Kreationen wie eine Rehleber-Streichwurst oder Gäms- oder Reh-Spareribs.
Während Silvia Seiler erklärt und mit Insider-Informationen aufwartet, hantiert sie an den fünf bereitgestellten Grills. Auf dem Holzkohlegrill entsteht ein auf Heu gegartes Rehrücken-Carpaccio. Auf einem der Gasgrills braten zwei liebevoll von einem Kursteilnehmer marinierte Rehkeulen, die von Rolf Häring entbeint worden sind, und verschiedene Gemüse. Ein weiterer angehender Grillmeister kümmert sich um die richtige Garstufe von Wildschwein- und Hirsch-Entrecôtes. «Nur mit der Ruhe», beruhigt sie den nervös mit der Grillzange hantierenden Grilleur. «Das Fleisch darf erst gewendet werden, wenn es sich von selbst vom Grillrost löst.»
Immer mehr Jägerinnen
Auf einem weiteren Grill rösten in akkurate Stücke geschnittene Kartoffeln und Sellerie der Vollendung als Kartoffel-Selleriepüree entgegen. Silvia Seiler hat die Augen überall und verliert nie den Überblick. Ruhig und bestimmt erklärt sie jeden Arbeitsgang. Gibt Tipps und beantwortet Fragen. Etwa, wie es ist als Frau in zwei typischen Männerdomänen. «Richtig», sagt sie, «in den allermeisten Fällen steht der Mann am Grill und die Hausfrau räumt anschliessend zusammen.» Kurzes Gelächter und zustimmendes Nicken der 14 Männer und 3 Frauen, die den Ausführungen der Grillmeisterin interessiert lauschen.
«In jüngster Zeit zieht es immer mehr Frauen auf den Hochsitz», erklärt Seiler. Das bestätigen auch die neusten Zahlen der Jagdstatistik des Bundesamtes für Gesundheit: Immer mehr Frauen werden vom Jagdfieber gepackt. Betrug der Frauenanteil unter den Jagdausübenden in der Schweiz im Jahr 2018 noch 3 Prozent (924 Jägerinnen), stieg er im vergangenen Jahr bereits auf 4 Prozent (1023 Jägerinnen). Die Zahl der Jägerinnen nimmt somit zwar langsam, aber stetig zu. Insbesondere bei den Jungjägern liegt der Frauenanteil mit 15 Prozent verhältnismässig hoch.
Kuchen als krönender Abschluss
Inzwischen sind die Geschehnisse ins Innere des Vitrums verlegt. Gilt es doch, die zubereiteten Speisen mit den passenden Weinen zu verkosten. Komplimente von allen Seiten für die perfekte Zubereitung. Das Carpaccio überzeugt mit einem leichten Duft nach Heu. Keule und Entrecôtes sind perfekt rosa gegart und superzart. Dazu passen das mit Meerrettich verfeinerte Kartoffel-Selleriepüree und das sorgsam geröstete Gemüse bestens. Zum Abschluss folgt der Orangen-Mandel-Kuchen. Das krönende kulinarische I-Tüpfelchen.
Man sieht es Silvia Seiler an: Sie ist zufrieden. «Ich fühle mich wohl am Grill und als Jägerin», sagt sie. Sie würde die Jagdprüfung sofort wieder machen, auch wenn sie monatelang büffeln und lernen musste. Sie sei eine Perfektionistin, ob am Grill oder auf der Jagd. Denn sie sei sich der Verantwortung bewusst, was es heisse, ein auf den Punkt gegartes Stück Fleisch zuzubereiten oder ein Tier zu erlegen.