«Flexibilität wird immer mehr zum Bedürfnis»
25.09.2020 Bezirk Waldenburg, Reigoldswil, Bildung«Flexibilität wird immer mehr zum Bedürfnis»
Die Kita Villa Kunterbunt in Reigoldswil wurde dieses Jahr 25 Jahre alt. Sandra Degen ist Leiterin der Kita, Gruppenleiterin und Ausbildnerin. Die Kitas hätten heute weniger erzieherische als vielmehr betreuerische Funktion, ...
«Flexibilität wird immer mehr zum Bedürfnis»
Die Kita Villa Kunterbunt in Reigoldswil wurde dieses Jahr 25 Jahre alt. Sandra Degen ist Leiterin der Kita, Gruppenleiterin und Ausbildnerin. Die Kitas hätten heute weniger erzieherische als vielmehr betreuerische Funktion, ist Degen überzeugt.
Anouk Jordi
Frau Degen, die Kita Villa Kunterbunt wurde am 4. September offiziell 25 Jahre alt. Wenn schon eine grosse Feier wegen Corona nicht stattfinden kann, ist vielleicht etwas Kleines als Ersatz geplant?
Sandra Degen: Nein, die Unsicherheit war im Frühling zu gross, um irgendetwas in die Wege zu leiten. Nun ist im nächsten Jahr ein Gartenfest mit den Familien der betreuten Kinder geplant.
Wie haben sich die Ansprüche an eine Kita und deren Aufgaben in all den Jahren verändert?
Flexibilität wird immer mehr zum Bedürfnis. Im Gegensatz zu anderen Kitas bieten wir schon seit 25 Jahren flexible Betreuungszeiten an. In der «Villa Kunterbunt» gibt es Ferienbetreuung, kurzfristige Änderungen in den Betreuungstagen und Geschwisterrabatt. Bei uns dürfen die Eltern selbst über die Bring- und Holzeiten entscheiden. Zudem wird nur die Zeit verrechnet, in der die Kinder anwesend waren. Es wird also nach Tages-, Halbtages- oder sogar Stundensätzen abgerechnet, und wenn ein Kind krank oder in den Ferien ist, müssen die Eltern nur einen kleinen Platzreservationsbetrag bezahlen. So haben auch Eltern, die nach einem sich ändernden Arbeitsplan arbeiten, immer eine Möglichkeit, ihre Kinder hierher zu bringen. Das hat sich bewährt. Geändert hat sich, dass wir früher eine erzieherische Funktion hatten, heute steht das Begleiten und Betreuen im Zentrum. Der Name des Berufs hat sich auch angepasst. Früher hiess es Kleinkindererzieherin, heute wird man als Fachfrau/Fachmann Betreuung ausgebildet. Natürlich schaffen wir trotzdem Förderangebote für die Kinder.
Wie haben sich die Eltern und die Kinder in den vergangenen 25 Jahren verändert?
Die Kinder sind heute viel reifer und wacher. Sie kommen viel offener auf uns zu. Ausserdem ist die Welt heute viel schnelllebiger als noch vor 25 Jahren. Die Eltern haben heute, wie bereits erwähnt, andere Ansprüche an uns.
Es gibt oft den Vorwurf, dass die Kinder von heute viel komplizierter geworden sind in Bezug auf das Essen. Merken Sie etwas davon?
Das kann ich nicht bestätigen. Ich weiss, dass Allergien und so weiter viele Kitas herausgefordert haben. Religionen werden natürlich berücksichtigt. In der gesamten Zeit der «Villa Kunterbunt» kam es sehr selten vor, dass wir auf Nahrungsmittel achten mussten. Es gab immer wieder Ausnahmen. Wenn ein Kind von Anfang an sagt, es möge etwas nicht, soll es immer zuerst probieren, vielleicht schmeckt es ja anders als zu Hause. Gezwungen wird aber niemand. Schulpflichtige Kinder dürfen bei uns an ihrem Geburtstag wünschen, was sie gerne essen würden. Das gibt manchmal eine kunterbunte Zusammensetzung.
Auch Väter übernehmen eine immer grössere Rolle in der Erziehung der Kinder. Merkt man das in der Kita?
Wir haben sehr viele Väter, die sich beteiligen. Im Austausch über Entwicklungsfragen, in den Gesprächen, wenn wir Kinder abgeben und empfangen, sind Väter viel stärker involviert als früher. Das stimmt.
Wie haben sich die Kosten der Kitas entwickelt?
Die Kita wird von mir privat geführt und ist somit nicht dem Staat und der Gemeinde unterstellt. Die Einnahmen und Ausgaben sollten sich die Waage halten. Das ist für mich wichtig. Ich habe die Kita vor zwei Jahren von Jacqueline Dürrenberger übernommen und die Betreuungspreise bisher nicht verändert. Die Familien aus Reigoldswil können seit Juni 2020 bei der Gemeinde einen Antrag für finanzielle Unterstützung stellen. Da wir tage- und stundenweise abrechnen, können die Einnahmen in Schulferienzeiten stark variieren. Für mich und meine Kollegin liegt der Fokus seit 25 Jahren nicht auf möglichst hohem Einkommen. Ein Durchschnittslohn reicht uns, wir üben unseren Beruf mit Herzblut aus.
Wie ging es Ihnen während des Corona-Shutdowns?
Das vergangene Halbjahr war für alle schwierig. Doch wir durften sehr viel Solidarität spüren. Andere Kitas haben in den Medien erzählt, wie sie mit Einkommensproblemen zu kämpfen hatten. Doch bei uns haben viele Eltern sogar Geld gespendet, auch wenn sie ihr Kind selbst betreut haben. Die Eltern hier wollten, dass die Kita auch nach der Krise noch besteht. Das war für mich nicht selbstverständlich. Da wir eine private Kita sind, leben wir nur von den Beiträgen, welche die Eltern bezahlen.
Ist irgendetwas auch einfacher geworden?
Einfacher? Es ist und bleibt eine Herausforderung. Durch die gesammelte Berufserfahrung sieht man mit den Jahren alles nicht mehr so eng. Wenn zum Beispiel irgendeine Anforderung auf einen zukommt, versucht man, das Beste daraus zu machen. Gerade die Corona-Zeit war natürlich für alle nicht einfach. Da wächst man aber hinein. Einfacher wurde es aber sicher nicht.
Die Staatsanwaltschaft behandelt aktuell den Fall eines Kita-Leiters in Allschwil, dem mehrfache sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Wie stellen Sie sicher und machen auch sichtbar, dass so etwas in der «Villa Kunterbunt» nicht geschehen kann?
Ich halte mich an die Richtlinien. Personaleinstellung erfolgt nur mit Strafregisterauszug und Sonderprivatauszug. Der offizielle Verhaltenskodex und unsere eigenen Kita-Bestimmungen müssen vertraut sein und unterzeichnet werden. Ich kann nicht in die Menschen hinein sehen, es gibt also leider keine Garantie. Vertrauen in die Menschen ist mir wichtig.