Lernen oder nicht lernen?
28.04.2020 Baselbiet, Parteien, Bildung, PolitikJungparteien wünschen einheitliche Regeln bei Abschlussprüfungen
Die Baselbieter Regierung will die Abschlussprüfungen an den Mittelschulen absagen, um die Chancengleichheit auch während der Coronakrise zu gewährleisten. Entscheiden muss allerdings der Bund.
Sebastian ...
Jungparteien wünschen einheitliche Regeln bei Abschlussprüfungen
Die Baselbieter Regierung will die Abschlussprüfungen an den Mittelschulen absagen, um die Chancengleichheit auch während der Coronakrise zu gewährleisten. Entscheiden muss allerdings der Bund.
Sebastian Schanzer
Die baldigen Abgänger der Gymnasien, der Fachmittelschulen und die Berufsmaturanden befinden sich derzeit in der Schwebe. Noch immer ist unklar, ob sie wegen des coronabedingten Verbots des Präsenzunterrichts zu den Abschlussprüfungen antreten müssen oder nicht. Im Baselbiet stünden die ersten Prüfungen am 6. Mai an, dieser Termin wurde aber vorläufig bis 18. Mai sistiert, wie die Baselbieter Regierung am Freitag mitteilte. Grund dafür ist das Abwarten eines Bundesratsbeschlusses.
So sind einmal mehr alle Augen auf den Bundesrat gerichtet. Morgen will er voraussichtlich entscheiden, ob er hinter dem Antrag steht, den die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) vor einer Woche dem zuständigen Bundesrat Guy Parmelin unterbreitet hat. Die EDK will die mündlichen Prüfungen per Notrechtverordnung komplett absagen und es den Kantonen freistellen, ob sie die schriftlichen Prüfungen durchführen oder nicht. Dies, weil die organisatorischen und technischen Voraussetzungen für den Fernunterricht je nach Kanton sehr verschieden seien. Schülerinnen und Schüler, welche die Zeit des Fernunterrichts – und damit die gesamte Prüfungsvorbereitung – unter erschwerten Bedingungen verbringen mussten, dürften nicht benachteiligt werden.
Volle Anerkennung bezweifelt
Der Baselbieter Regierungsrat hat bereits klargestellt, dass er unter den geltenden Umständen auf die Prü- fungen verzichten wolle. Es sei nicht nachvollziehbar, warum man bei den Abschlussprüfungen der Mittelschulen anders entscheiden solle als bei den schulischen Lehrabschlussprüfungen, die schon vor Ostern abgesagt wurden, sagt Bildungsdirektorin Monica Gschwind.
In einem Schreiben an die EDK vom 1. April beantragte Gschwind, die Abschlussprüfungen auf Sekundarstufe II abzusagen und bei der Leistungsbewertung stattdessen auf Erfahrungsnoten zurückzugreifen. Diese machten bei den Gymnasiasten ohnehin rund 80 Prozent der Maturitätsnoten aus. In den Zeugnissen soll der Vermerk «Abschluss mit voller Anerkennung aufgrund der Verordnung des Bundesrats betreffend Durchführung in ausserordentlicher Lage» stehen.
Gerade die volle Anerkennung des Abschlusses bereitet manchen Jungen allerdings Sorgen. So haben die basel-städtischen Jungparteien von SVP, FDP, CVP und der GLP in einem Schreiben vom Sonntag an die Basler Regierung gefordert, dass die Abschlussprüfungen unter Einhaltung der Vorschriften des BAG in allen Kantonen durchgeführt werden müssten.
Hätten Kantone die Freiheit, autonom über die Durchführung der Prüfungen zu entscheiden, bestünde nämlich die Gefahr, dass «Schülerinnen und Schüler, die keine Prüfungen ablegen, langfristig benachteiligt» würden. «Um die Chancengleichheit bestmöglich zu garantieren, müssen die Prüfungen der Situation angepasst sein und Härtefälle entsprechend berücksichtigt werden», heisst es in der Mitteilung.
Einheitliche Regelung gefordert
Anders als die bürgerlichen Städter, stellen sich die Baselbieter Jungsozialisten sowie das Junge Grüne Bündnis Nordwest klar gegen die klassische Durchführung der Maturund Abschlussprüfungen. Die Vermittlung des Unterrichtsstoffs durch Lehrpersonen sei während der Coronakrise nicht annähernd vergleichbar mit dem normalen Präsenzunterricht, sagt Juso-Vizepräsident Noam Schaulin auf Anfrage. Und weil einige Jugendliche während des verhängten Lockdowns sehr viel weniger Zeit, Platz und Ruhe als andere hätten, sei eine gerechte und ausreichende Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler nicht gewährleistet.
Prüfung ja oder nein: Für die Baselbieter Jungfreisinnigen ist es das Wichtigste, dass so schnell wie möglich ein Entscheid getroffen wird. «Die Ungewissheit für die Maturandinnen und Maturanden ist aus meiner Sicht eine unglaublich schwierige Situation», sagt deren Präsident Lucio Sansano.
In einem Punkt sind sich darüber hinaus alle erwähnten Jungparteien einig: Es muss eine einheitliche Regelung in allen Kantonen her. Damit stellen sie sich gegen den Vorschlag der EDK und hinter die Botschaft des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). Dieser forderte in seiner Mitteilung unter anderem zu Zeugnissen und Abschlussprüfungen vor einer Woche: «Es muss vermieden werden, dass kantonale Sonderlösungen zu unfairen Situationen für die Schülerinnen und Schüler und zur Verunsicherung der Eltern führen.»