Schulkinder sind über Coronavirus aufgeklärt
10.03.2020 Baselbiet, Rümlingen, BildungRespekt, aber keine Angst vor der Krankheit
Die erste Schulstunde nach den Fasnachtsferien hat ganz im Zeichen des Coronavirus gestanden. Die «Volksstimme» schaute und hörte Schülerinnen und Schülern beim Händewaschen und Abstandhalten zu.
Christian ...
Respekt, aber keine Angst vor der Krankheit
Die erste Schulstunde nach den Fasnachtsferien hat ganz im Zeichen des Coronavirus gestanden. Die «Volksstimme» schaute und hörte Schülerinnen und Schülern beim Händewaschen und Abstandhalten zu.
Christian Horisberger
Die Schülerinnen und Schüler sind über das Coronavirus sehr gut im Bild. Diesen Eindruck macht zumindest die dritte Klasse der Kreisschule Homburg. Wie in allen anderen Klassenzimmern der Baselbieter Schulen stand gestern auch in Rümlingen die erste Schulstunde nach den Ferien im Zeichen des Coronavirus.
Klassenlehrerin Nicole Probst empfängt ihre Schülerinnen und Schüler für einmal nicht mit ausgestreckter Hand, sondern mit einer Aufforderung zum gründlichen Händewaschen. Die Lehrerin lässt kein Kind ins Klassenzimmer, ehe sie aus ihm am Brünneli einen «Seifen-Boss» gemacht hat: Als Grundlage für eine besonders gewissenhafte Händereinigung dient ihr der «#SeifenBoss», ein Merkblatt, das der Kanton Basel-Stadt herausgegeben hat: Sanduhr drehen, Ärmel hochkrempeln, Wasserhahn öffnen, die Hände anfeuchten und erst dann den Seifenspender betätigen. Dann werden Handflächen, Handrücken und Fingerspitzen – in dieser Reihenfolge – gerieben und das Wasser abgespült.
Die Kinder geben sich Mühe, den Anweisungen ihrer Lehrerin zu folgen. Keiner murrt, keiner zappelt. Fast: Als ein Mädchen der Lehrerin die Hand schütteln will, zuckt diese erst, widersteht aber ihrem Reflex und erklärt der Schülerin: «Das dürfen wir nicht mehr. Ich muss mich auch noch daran gewöhnen.»
Erst abtrocknen, Wasser abstellen
Eine Schülerin will während des Händewaschtrainings den Wasserhahn zudrehen. Die Lehrerin weist sie an, zuerst mit einem Papiertuch die Hände zu trocknen und erst dann den Wasserhahn zuzudrehen. Der Hahn soll dabei nicht mit der blossen Hand, sondern geschützt mit dem Papiertuch berührt werden. Das Papier landet in einem brandneuen verschliessbaren Eimer – fertig. Der Nächste, bitte.
Den Abfalleimer hatte Schulleiterin Michelle Schoch am Samstag besorgt. Den und zehn weitere, fürs ganze Schulhaus. Das Aufstellen von verschliessbaren Abfalleimern ist eine Anweisung des Amts für Volksschulen (AVS) an die Verantwortlichen aller staatlichen Schulen. Im Weiteren hängte Schoch Plakate mit den Coronavirus-Verhaltensempfehlungen des BAG auf und leitete Informationen des AVS betreffend Coronavirus an Lehrerschaft sowie Eltern weiter.
Dabei war zentral: Ob Lehrer oder Schüler – wer fiebrig ist, bleibt zu Hause. Wer in einer kritischen Region in den Ferien war, bleibt zu Hause. Wer mit jemanden in Kontakt war, der erkrankt ist oder sich in einem Krisengebiet aufgehalten hat, bleibt zu Hause. Gestern traten alle 15 Lehrerinnen und Lehrer der Kreisschule der Gemeinden Rümlingen, Häfelfingen, Känerkinden, Wittinsburg und Buckten zur Arbeit an. Von 197 Dritt- bis Sechstklässlern seien 12 von ihren Eltern abgemeldet worden, sagt die Schulleiterin. Die Abwesenheiten hatten unterschiedliche Gründe: Ein Kind habe eine chronische Erkrankung und gehöre damit zur Risikogruppe. Die Geschwister eines anderen hatten in einem Skilager Kontakt mit einer infizierten Lagerleiterin. Zwei weitere Schüler blieben auf der Rückreise von den Ferien in Italien stecken und eine Mutter, die sich unwohl fühlte, traute sich nicht, ihr Kind zur Schule zu schicken. Bestätigte Coronafälle seien keine darunter, sagt Schoch.
Die elf Schülerinnen und Schüler der dritten Klasse haben sich an ihre Pulte gesetzt. Lehrerin Probst informiert die Kinder, dass ihr Klassenkamerad zwar wegen dieser Krankheit fehle, aber nicht, weil er selber krank sei. Es handle sich um eine reine Sicherheitsmassnahme. Sie bestimmt eine Klassenkameradin, die dem Abwesenden die Aufgaben in den Briefkasten steckt.
Kinder sind gut informiert
Jetzt haben die Kinder das Wort. Jedes soll sagen, was ihm zu «Corona» in den Sinn kommt. Es fallen Stichworte wie Lungenentzündung, Fledermaus, Arbeitsausfall, Fasnachtsabsage, Polizeieinsätze, Hotels mit 500 Gästen unter Quarantäne oder Geisterspiele in Fussballstadien. Die Runde zeigt, dass die Kinder sehr gut informiert sind. Ihnen ist auch bewusst, dass man an dieser Grippe sterben kann und es vor allem ältere Menschen, «ab 50», trifft.
Probst geht zur Pinwand mit dem BAG-Plakat zu den Verhaltensempfehlungen im Zusammenhang mit der Epidemie. Sie erklärt dabei auch, dass es den «Kreis», bei dem die Kinder im Klassenzimmer nahe beieinander auf Kissen am Boden sitzen, vorderhand nicht mehr geben wird: Man solle Abstand halten. Das aber will einer Schülerin nicht so recht einleuchten: «Warum sind die Züge dann nicht gesperrt?»
Auch bei den Lehrerinnen in Rümlingen sorgt jene Empfehlung für eine gewisse Irritation: Im Klassenzimmer mit den Zweierpulten seien 2 Meter Distanz schlicht unmöglich. Auch der Sportunterricht, der gemäss AVS weiterhin regulär stattfinden soll, wird zu einer Herausforderung. «Ich kann die Kinder ja nicht zwei Lektionen lang Seilspringen lassen oder nur Stafetten veranstalten», sagt eine Lehrerin vor dem Unterricht.
Respekt, aber keine Angst
Die Lehrerin und auch Schulleiterin Schoch haben Respekt vor der Krankheit, aber keine Angst. Unwohl ist ihnen einzig beim Gedanken, dass sie etwas falsch machen könnten und sich das Virus an ihrer Schule ausbreitet. Ob die verfügten Massnahmen tatsächlich die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern vermögen, wagt Schoch zu bezweifeln: «Wenn ein Kind Kopfläuse in die Schule einschleppt, haben sie rasch fast alle – und da müssen sich zur Übertragung die Köpfe berühren.» Das Coronavirus sei viel leichter übertragbar.
Wie steht es um die Kinder? Hatten sie ein mulmiges Gefühl, als sie am Morgen trotz Virus in die Schule mussten? Waren sie nervös? Nicole Probst lässt die Schüler mit dem Daumen ihre Gemütslage anzeigen: Daumen hoch für «mulmig», Daumen runter für «alles gut». Zehn Kinder zeigen mit dem Daumen nach unten.