Das Gotteshaus als Postfiliale?
03.12.2019 Baselbiet, Kirche, BauprojekteMuttenz | Diskussion zum Thema «Umnutzung von Kirchen»
«Geld und Geist» oder wie gehen wir mit unseren Kirchen und ihrer Umgebung um? Der Baselbieter Heimatschutz wollte es genauer wissen.
Elmar Gächter
Wie gehen wir mit unseren Kirchen und ...
Muttenz | Diskussion zum Thema «Umnutzung von Kirchen»
«Geld und Geist» oder wie gehen wir mit unseren Kirchen und ihrer Umgebung um? Der Baselbieter Heimatschutz wollte es genauer wissen.
Elmar Gächter
Wie gehen wir mit unseren Kirchen und ihrer Umgebung um? Was ist bei Umnutzungen von Kirchen und Annexbauten wichtiger, Geld oder Geist? Das diesjährige Forum für Baukultur des Baselbieter Heimatschutzes wollte es genauer wissen und lud zwei Pfarrpersonen und zwei Architekten zu einer Diskussionsrunde ein. Gastort für den Anlass, an dem rund 40 Interessierte teilgenommen haben, bildete die St.-Arbogast-Kirche in Muttenz.
Für den Heimatschutz ist klar:Viele Kirchen und Pfarrhäuser mit ihren Friedhöfen und Pfarrgärten sind in manchen Gemeinden die letzten erhaltenen historischen Ensembles. Für sie kann sich über kurz oder lang die Frage stellen, wie mit ihnen umgegangen werden soll, wenn Kirchgemeinden vermehrt enger zusammenarbeiten oder fusionieren. Gemäss revidierter Verfassung der Reformierten Kirche Baselland können Gebäude, die nicht mehr für kirchliche Zwecke genutzt werden, an die Stiftung Kirchengut zurückgegeben und anderweitig genutzt werden. Viele der sakralen Bauten sind sanierungsbedürftig mit entsprechendem Finanzbedarf. «Es ist eine fundamentale ökonomische Realität, dass Gemeinden immer weniger Mittel haben, ihre kirchlichen Räume zu erhalten», so Diskussionsteilnehmer Pfarrer Martin Dürr.
Patentrezepte für Umnutzungen gibt es keine, dies der einhellige Tenor auf dem Podium. Jedes Dorf habe andere Bedürfnisse. Für Architekt Markus Jermann steht die alte Kapelle im Schloss Zwingen, während Generationen als Röhren- und Schraubenlager genutzt und seit der Sanierung beliebter Versammlungsort für Zeremonien aller Art, als eines der wenigen praktischen Beispiele im Baselbiet. Auf der anderen Seite werden laut seiner Berufskollegin Ulrike Schröer Fachleute immer mehr von Kirchenkreisen angefragt, nach neuen Nutzungskonzepten zu suchen.
Für die freischaffende Theologin Rosmarie Brunner ist die Umnutzungsfrage offen anzugehen. «Warum nicht Pfarrhäuser zu Geburtshäusern umfunktionieren oder auf einem nicht mehr benötigten Friedhofsteil ein Sterbehospiz samt Café errichten?», fragte sie. Oder in Teilen der Kirche eine Postfiliale einrichten, so die laut gedachte unkonventionelle Idee von Martin Dürr.
Geist versus Mammon
Über allem müsse jedoch stehen, dass in diesen Gebäuden ein gemeinschaftliches Leben möglich sei und sie erkennbar, einladend und identitätsstiftend seien. Dies gelte auch für die Umgebung. Es gehe nicht an, so Pfarrerin Brunner, dass «jeder Kirchhügel mit Terrassenhäusern zugeklatscht» werde. Da brauche es das nötige Gespür, die Bevölkerung frühzeitig ins Boot zu holen und nicht erst, wenn bereits konkrete Überbauungspläne vorlägen.
Für die Podiumsteilnehmer stand ausser Frage, dass der Geist nicht dem schnöden Mammon Geld geopfert werden darf, auch wenn ein grosser ökonomischer Druck bestehe. «Es kann nicht immer nur ums Geld gehen. Die Qualität von Umnutzungen von Gebäuden samt Umgebung ist mindestens ebenso wichtig. Dafür braucht es viele Varianten, auch wenn die Prozesse dadurch viel länger dauern», fand Ulrike Schröer.
Roger Börlin, pensionierter Pfarrer von Muttenz, der als Gast anwesend war, sprach das Bedürfnis der Menschen nach besonders liturgischen heiligen Räumen wie der St.-Arbogast-Kirche an. «Unser Christentum braucht solche Bauten, die Gläubigen spüren hier einen Kraftort, der Identität schafft. Wenn wir diese Kirche nicht hätten, müssten wir vermutlich mit noch viel mehr Kirchenaustritten rechnen.» Wenn man an solchen Gebäuden oder der Umgebung etwas verändern wolle, müsse man sehr vorsichtig sein, erst recht im Oberbaselbiet.