Das Leben selber gestalten können
21.11.2019 Baselbiet, Porträt, Bubendorf, Bezirk Liestal, GesellschaftIm sozialpädagogischen Kleinheim Ebnet haben sechs Kinder ein Zuhause gefunden
Kindern und Jugendlichen, die nicht bei ihren Eltern aufwachsen können, bietet das sozialpädagogische Kleinheim Ebnet in Bubendorf die Möglichkeit, ihre Kindheit und allenfalls Adoleszenz in professionellen ...
Im sozialpädagogischen Kleinheim Ebnet haben sechs Kinder ein Zuhause gefunden
Kindern und Jugendlichen, die nicht bei ihren Eltern aufwachsen können, bietet das sozialpädagogische Kleinheim Ebnet in Bubendorf die Möglichkeit, ihre Kindheit und allenfalls Adoleszenz in professionellen familienähnlichen Strukturen zu verbringen.
Sander van Riemsdijk
Jung waren beide, voller Tatkraft und auswandern wollten sie, Bernadette Alferink-Troost und Arleen («Arie») Troost aus den Niederlanden. Etwas erleben und andere Kulturen kennenlernen, das hatten sie sich vorgenommen. Aus den ursprünglichen Plänen, nach Afrika zu gehen, wurde nichts. 1989 landeten sie in der Schweiz. Beide fanden eine Stelle in der Psychiatrie in Liestal.
Allmählich setzten sie sich mit dem Gedanken auseinander, ein sozialpädagogisches Kleinheim für Kinder und Jugendliche zu gründen. Umgesetzt haben sie diese Gedanken dann einige Jahre später in Wisen, wo sie zusammen mit zwei anderen Familien auf einem Bauernhof ein Kleinheim leiteten.
Mit den in dieser Zeit gesammelten Erfahrungen beschlossen sie nach sechs Jahren, ihren eigenen Weg zu gehen und zogen 2004 auf den Hof Ebnet in Bubendorf, wo sie zuerst die Bewilligung als Fachpflegefamilie und drei Jahre später die kantonale Anerkennung als sozialpädagogisches Kleinheim erhielten.
Das Kleinheim des Paars bietet Platz für sechs Kinder und Jugendliche aus temporär schwierigen familiären Verhältnissen. Die Kinder können die öffentlichen Schulen, Ausbildungsstätten und Vereine in Bubendorf und Umgebung besuchen. Momentan besuchen zwei Jugendliche die Sekundarschule in Liestal, eine macht ein Praktikum an der Heilpädagogischen Schule in Liestal und einer arbeitet als Fachmann Betreuung im Spital in Liestal.
Bernadette und Arie Troost betrachten ihr sozialpädagogisches Angebot als Ergänzung zu den stationären Institutionen im Kinder- und Jugendbereich. Typisch für das Kleinheim ist der familienähnliche Charakter mit seiner grossen Küche, mehreren Aufenthaltsräumen und eigenen Schlafzimmern für die Betreuten. Zudem bietet der bauernhofähnliche Betrieb oberhalb von Bubendorf mit seinem grossen Umschwung und der Haltung von Pferden, Hunden und Hühnern den Kindern die Möglichkeit, sich mit der Natur unter fachkundiger Begleitung intensiv auseinanderzusetzen.
Stabilität und Kontinuität
Einen Vorteil und einen wichtigen Unterschied zu den institutionellen Heimen mit wechselndem Personal sieht Bernadette Troost in der Stabilität und Kontinuität mit ihnen beiden als «Pflegeeltern». Denn Kinder hätten ein grundlegendes Bedürfnis, dass ihre Lebensverhältnisse gleichbleibend und stabil sind. Mit dem Aufenthalt im «Ebnet» sei dieses Grundbedürfnis, integriert im Rahmen einer Grosspflegefamilie, gewährleistet. Dies bis zum Ende ihrer allfälligen Lehrzeit beziehungsweise mit dem Erreichen des Erwachsenenalters. Darüber hinaus kommt der Kanton nicht für die Kosten der Unterbringung im Kleinheim auf.
Wobei sich dies nicht immer umsetzen lässt. Gibt es für eine Jugendliche oder einen Jugendlichen zum eigentlichen Austrittstermin keine befriedigende Nachfolgelösung mit Wohnung und/oder Arbeit, wird im «Ebnet» keiner auf die Strasse gestellt. «Wir haben immer einen Platz frei, bis eine definitive Lösung gefunden worden ist», sagen die Leiter der Institution.
Primäres Ziel bei jedem «Gast» der Einrichtung ist die Rückführung in dessen eigene Familie. Dafür wird versucht, die Eltern der Kinder, die alle freiwillig im «Ebnet» platziert worden sind, in den sozialpädagogischen Alltag mit einzubeziehen und sie auf diese Weise an der Entwicklung ihrer Kinder teilhaben zu lassen. Wo es möglich ist, gehen die Kinder und Jugendlichen jedes zweite Wochenende und während eines Teils ihrer Ferien nach Hause.
In einer Grosspflegefamilie oder einem Kleinheim wie dem «Ebnet» werden die Betreuten in eine Familie integriert, in der auch die Kinder der Pflegeeltern leben. Eine nicht immer einfache Konstellation. Die Troosts haben zwei eigene Kinder, die unterdessen 24 und 27 Jahre alt sind. Wie gingen ihre eigenen Kinder damit um? «Konkurrenz unter den Kindern war nie ein Thema», sagt Arje Troost. Seine Frau fügt an: «Unsere eigenen Kinder haben gelernt, mit den ‹fremden› Kindern Haus, Hof und Eltern zu teilen.»
Tag und Nacht sind Bernadette und Arie für die Kinder da und versuchen, sie in ihrer Entwicklung zu stärken, damit sie später fähig sind, ihr Leben selber zu gestalten. Beide sehen ihr Kleinheim, auch wenn es etwas abgeschieden gelegen ist, nicht als einsame Insel, sondern sie betrachten sich mit ihrer Grossfamilie als integrierten Teil der Gesellschaft. Die Pflegekinder seien in Vereinen und in der freiwilligen Arbeit engagiert, Bernadette Troost macht aktiv mit bei einem sozialen Projekt des Vereins Dorfgeist in Bubendorf und Arie, als eidgenössisch diplomierter Institutionsleiter, unterrichtet mit einem Teilpensum an der Berufsschule in Olten.