«Schaubruedi» packt an – ohne Wenn und Aber
21.11.2019 Bezirk Sissach, Gelterkinden, PorträtWie man sich das Prädikat «Dorforiginal» verdient
Das Gelterkinder Urgestein Ruedi Schaub kennt den Begriff «me sött» nicht. Stattdessen krempelt er die Ärmel hoch und findet, zuweilen auch auf unkonventionelle Art, für jedes Problem eine pragmatische ...
Wie man sich das Prädikat «Dorforiginal» verdient
Das Gelterkinder Urgestein Ruedi Schaub kennt den Begriff «me sött» nicht. Stattdessen krempelt er die Ärmel hoch und findet, zuweilen auch auf unkonventionelle Art, für jedes Problem eine pragmatische Lösung.
Otto Graf
Ruedi Schaub – besser bekannt als «Schaubruedi» – in der Zeitung vorstellen? Eigentlich überflüssig. Den Berufsgelterkinder kennt man weit über sein Dorf hinaus. Doch es gibt Seiten im Tagebuch des umtriebigen Bürgers, die der breiten Öffentlichkeit nicht geläufig sind. Die «Volksstimme» fragte den gelernten Bäcker-Konditor beim Kreieren von Marzipanfiguren in der Holzofen-Bäckerei Brot & So in Läufelfingen aus und erfuhr dabei Überraschendes. So sei es die Arbeit in den Reben gewesen, die ihm von all seinen Tätigkeiten am meisten bedeutet habe.
Ab 1999 hatte Schaub dem Bauern Hanspeter Freivogel in dessen Rebberg ausgeholfen. 2004, nach dem frühen Tod Freivogels, fühlte sich der Helfer verpflichtet, das Werk seines Freundes weiterzuführen. Er übernahm die Verantwortung für die Bewirtschaftung von 1,4 Hektaren Rebfläche. Folglich wurde er nach einer entsprechenden Ausbildung Winzer und übte diese Aufgabe zusammen mit seiner Ehefrau Ruth bis Ende 2014 aus.
Berufsgelterkinder
Bezeichnungen wie «Dorforiginal» oder «Berufsgelterkinder» hört der 72-Jährige gern. «Dorforiginale haben stets Neider, was belegt, dass man dieses Prädikat zu Recht trägt», meint er. Aber man müsse etwas dafür tun, um als Dorforiginal wahrgenommen zu werden. Der Leistungsausweis, den er vorlegt, ist eindrücklich. Er ist stets zur Stelle, wenn im Dorf etwas auf die Beine gestellt werden soll. So hisst er dreimal im Jahr – am Banntag, am 1. August und am Bettag – am Turm der reformierten Kirche seine private Schweizer Fahne. Das tat er auch 2008, als in der Schweiz die Fussball-Europameisterschaft ausgetragen wurde. Doch die Aktion geriet dem damaligen Sigristen in den falschen Hals. Fussball, befand der Wächter über den Kirchenturm, sei zu wenig christlich. Schaub holte das Banner wieder ein.
Nie in einem öffentlichen Amt
Öffentliche Ämter oder Funktionen hat der Ur-Gelterkinder nie ausgeübt. «Ich bin der Vereinsmensch, der nur etwas macht, wenn er von einer klaren Mehrheit unterstützt wird», begründet er seine Haltung. In der Politik werde es oft knapp, das liege ihm nicht. Zudem, so Schaub, habe seine Frau ab 1996 während knapp drei Amtszeiten dem Gemeinderat angehört.
Im Musikverein Gelterkinden, um bei den Vereinen zu bleiben, rühmt sich «Schaubruedi», als Aktiver nie einen falschen Ton geblasen oder neben dem Takt gespielt zu haben. Als Fähnrich schwingt er bei Anlässen seit 25 Jahren das Vereinsbanner und läuft damit erst gar nicht Gefahr, einen schrägen Ton zu spielen. 2006, am Jahreskonzert des Musikvereins, verkörperte er den Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart. Im gleichen Jahr organisierte er zwölf weitere Veranstaltungen zu Ehren des grossen Komponisten. Darüber hinaus gestaltete er «Das Lied der Welt», das «Schubert-Fest» und drei Dorffeste massgeblich mit.
Seit eh und je ist Schaub auch Hobby-Zeichner und -Maler. Sein jüngstes Werk ist die Darstellung einer Dorfpartie als Bühnenbild für den Jodlerklub Farnsburg. Für diese Schöpfung zeichneten ihn die Jodler anlässlich des Jahreskonzerts vor wenigen Wochen mit dem «Goldenen Pinsel» aus. Auch Wirtshausschilder, Schnitzelbankhelgen und dergleichen gehen aufs Konto des «Meisters». Das zeichnerische Talent habe er wohl von seinem Vater geerbt, meint er dazu.
Ruedi, der Libero
Beim FC Gelterkinden spielte er von den C-Junioren bis in die erste Mannschaft, zuerst als Stürmer, dann als Libero. Gäbe es in der Feuerwehr Ehrenmitglieder, wäre Ruedi hier zweifellos dabei, leistete er doch mehr als ein Vierteljahrhundert aktiven Dienst, zuletzt als Offizier und Verantwortlicher für den Bereich Atemschutz. Aktiv war und ist der Macher zudem im Tennisklub sowie im Männerchor Gelterkinden. 1993 bei den Sängern eingetreten, 1995 in den Vorstand gewählt und ab 1997 während 14 Jahren Präsident, das reichte locker, um den Gelterkinder zum Ehrenpräsidenten zu machen. Zudem hat er vor fünf Jahren im Dorf Boule eingeführt. Das Präzisionsspiel ist vor allem bei der älteren Generation sehr beliebt. Gespielt wird beim «Jundt-Huus» von Mai bis Oktober, immer donnerstags.
An der Fasnacht mischt Ruedi Schaub seit vielen Jahren mit und tourt als Schnitzelbänkler mit seinen «Brootwuurschtzipfel» durch die Beizen im Oberbaselbiet und prangert dabei die Verfehlungen der Obrigkeit und andere Fehltritte gnadenlos an. Zu seinen Aufgaben gehört auch das Gestalten und Malen der Helgen.
Nicht selten wird Schaub mit «Hansdampf in allen Gassen» bezeichnet, was er durchaus als Ehrung empfindet. «Für jeden Hafenkäse bin ich jedoch nicht zu haben», stellt er klar. Wenn etwas für die Allgemeinheit Wünschbares und Gutes anzugehen ist, dann sei er dabei. So organisierte er auf dem Dorfplatz in Gelterkinden 2001 erstmals den «Donnschtig-Jass» des Schweizer Fernsehens (Gelterkinden hatte leider nicht gewonnen). 2006 folgte der zweite – siegreiche – Anlauf in Konolfingen. Am 5. Juli 2007 ging der Anlass erneut auf dem Dorfplatz über die Bühne.
Gibt es etwas, was «Schaubruedi» nicht macht? «Ja», entgegnet er. «Es liegt mir fern, gewisse Grenzen zu überschreiten und dabei jemand zu verletzen oder zu diskriminieren. Auch das Matterhorn muss ich nicht unbedingt besteigen.» Und was schwebt ihm noch vor? «Es würde mich reizen, auf einem Flugzeugträger der U.S. Navy den Flugbetrieb hautnah mitzuerleben.»
Pralinés, Lehrbuch und Versicherungen
og. Am Gelterkinder Dorfplatz, in der Liegenschaft der heutigen Schaub Wohndesign AG mit Schwester Vreni und Bruder Hans-Jörg aufgewachsen, erlernte Ruedi Schaub im einstigen Café Seldwyla, Bäckerei Wirz, zwischen 1963 und 1966 den Beruf eines Bäcker-Konditors und absolvierte im Jahr 1974 die Meisterprüfung. Von 1977 bis 1988 wirkte er an der Gewerbeschule als Berufsschullehrer und nahm auch Lehrabschlussprüfungen ab. Während 21 Jahren verdiente Schaub seine Brötchen im «Caprice» in Sissach als Confiseur. Im Jahr 1988 wechselte er zur Genfer-Versicherung, wo er bis 2004 als Berater tätig war.
Weil er seine Kundschaft oft abends besuchte, wenn die Leute zu Hause waren, hatte er tagsüber genügend Zeit, sich dem Rebbau zu widmen.