«Die Steuern müssen hoch»
12.09.2019 Bezirk Waldenburg, Finanzen, OberdorfDie Gemeinde informiert ausführlich über ihre schlechte Finanzlage
Die hohen Kosten für Alterspflege und Sozialhilfe bereiten der Gemeinde Oberdorf grosse Sorgen. Der Gemeinderat will nun den Steuersatz deutlich erhöhen und setzt in mehreren Bereichen den Sparhebel ...
Die Gemeinde informiert ausführlich über ihre schlechte Finanzlage
Die hohen Kosten für Alterspflege und Sozialhilfe bereiten der Gemeinde Oberdorf grosse Sorgen. Der Gemeinderat will nun den Steuersatz deutlich erhöhen und setzt in mehreren Bereichen den Sparhebel an.
Sebastian Schanzer
Noch spürt die Oberdörfer Bevölkerung kaum etwas von der angespannten finanziellen Lage, in der sich ihr Wohnort befindet. Sie geniesst eine gute Infrastruktur, die Verwaltung ist täglich besetzt und der FC Oberdorf, grösster Verein im Dorf, wird mit Gemeindebeiträgen unterstützt. Der Steuersatz von 60 Prozent ist darüber hinaus der tiefste unter den Waldenburger Talgemeinden – ein Überbleibsel der fetten Jahre, welche das Dorf als Standortgemeinde des grossen Medizinaltechnik-Unternehmens Synthes erlebte. Innerhalb von drei Jahren, zwischen 2007 und 2010, senkte Oberdorf seine Steuern um 7 Prozentpunkte auf 58 Prozent der Staatssteuer.
An der Budget-«Gmäini» Ende November wird der Gemeinderat eine Steuererhöhung beantragen, wie Gemeindepräsident Piero Grumelli auf Nachfrage bestätigt – 65 Prozent sind angepeilt. «Unser Eigenkapital steuert auf null zu, wir müssen jetzt das Steuer herumreissen.» Um die Bevölkerung darauf vorzubereiten, hat der Gemeinderat bereits in seiner Einladung zur kommenden Gemeindeversammlung am 23. September auf elf A4-Seiten dargelegt, dass die fetten Jahre in Oberdorf definitiv vorbei sind.
Explodierende Kosten
Die Firma Synthes hatte 2012 nach der Übernahme durch einen amerikanischen Konzern klammheimlich ihren Hauptsitz ins Solothurnische verlegt, was die Gemeinde empfindlich traf. Die Steuereinnahmen bei den juristischen Personen schrumpften von 4,3 Millionen im Jahr 2012 auf 470 000 Franken im Jahr 2015. Im vergangenen Jahr nahm die Gemeinde bei den juristischen Personen sogar nur noch gut 260 000 Franken ein.
Erst für das Jahr 2017 wurde der Steuersatz für natürliche Personen von 58 auf 60 Prozent wieder leicht erhöht – ein Kompromiss zwischen dem Gemeinderat, der 62 Prozent beantragte, und der Stimmbevölkerung. Es zeige sich nun, dass diese Steuereinnahmen nicht ausreichen, um das Defizit der Gemeinde aufzufangen, sagt Grumelli.
Denn die Abwanderung der grossen Firma ist bei Weitem nicht das einzige Problem der Gemeinde Oberdorf. Der Nettoaufwand im Bereich Gesundheit – einer, bei dem die Gemeinde nur über beschränkten Einfluss verfügt – hat sich in den vergangenen sechs Jahren mehr als verdreifacht: von gut 320 000 Franken auf über 1 Million. Im selben Zeitraum sind auch die Sozialhilfekosten um mehr als 1 Million Franken angestiegen.
Der Versuch mehrerer betroffener Gemeinden, diese Belastung unter den 86 Baselbieter Gemeinden neu zu verteilen, scheiterte im Februar an der Urne. Und schliesslich gibt man heute auch im Bereich Bildung knapp 300 000 Franken mehr aus, als noch vor sieben Jahren. Grund dafür seien die steigenden Schülerzahlen und der Umstand, dass in Oberdorf heute mehr als die Hälfte der Kindergartenkinder fremdsprachig und damit betreuungsintensiver sei, schreibt der Gemeinderat in seinen Ausführungen zur finanziellen Situation.
Bald kein Geld mehr für FCO?
«Das alles zu beobachten ist besorgniserregend und frustrierend zugleich», sagt Grumelli. «Alle unsere Sparbemühungen sind nur ein Tropfen auf den heissen Stein.» Verglichen mit dem Jahr 2012 konnte die Gemeinde ihren Aufwand mittlerweile um rund 350 000 Franken verkleinern – das meiste davon mittels tieferer Personalkosten und weniger Ausgaben im Bereich der Verwaltung.
Weitere Massnahmen hat der Oberdörfer Gemeinderat in Zusammenarbeit mit einer aus der Dorfbevölkerung rekrutierten Arbeitsgruppe jüngst beschlossen oder zumindest diskutiert: Die Gemeinde wird aus der Regionalen Sozialhilfebehörde Waldenburgertal aussteigen und ab 2021 wieder einen eigenen Sozialdienst führen. Dies mit dem klaren Ziel, durch effizientere Betreuung die Kosten zu senken. Auch die Miete der Dreifachhalle der Sekundarschule will man auf Mitte kommenden Jahres kündigen und die 2021 auslaufende Stelle des Wegmacherchefs soll nicht neu besetzt werden. Eine Umzonung von zwei Grundstücken in die Wohnzone könnte der Gemeinde darüber hinaus eine Zunahme des Eigenkapitals um mehr als 1,5 Millionen Franken bescheren.
Zur Diskussion stellt der Gemeinderat auch die Unterstützungsbeiträge an den FC Oberdorf und den Betrieb der Gemeindebibliothek. Er erkennt hier ein Sparpotenzial von 80 000 Franken jährlich.
Neue WB als Chance
«Doch auch diese Massnahmen können zur reinen Makulatur werden, wenn die Kosten in der Sozialhilfe und im Bereich Gesundheit weiter ansteigen», sagt Gemeindepräsident Grumelli. Zudem stünden zahlreiche Strassensanierungen an, welche die Gemeinde mangels nötigem Eigenkapital vor sich hinschiebt. Hoffnung setzt er auf mögliche Zuzüger und entsprechendes Steuersubstrat. Die Erneuerung der Waldenburgerbahn könne hier einen positiven Einfluss haben.
Klar ist aber: in Oberdorf wird der Gürtel in naher Zukunft enger geschnallt – mit ungewisser Wirkung. Der Präsident der einstigen Gebergemeinde zeigt sich auf lange Frist aber optimistisch: «Unser Ziel ist es, bis 2025 unsere Investitionen wieder selbst zu tragen. Das können wir schaffen.»