Ein Staat mit bis zu 500 000 Individuen
12.07.2019 Bezirk Sissach, Tenniken, NaturUnterwegs mit den Ameisengöttis Peter Berchtold und Hansruedi Bossert
Seit bald sieben Jahren sind Peter Berchtold und Hansruedi Bossert für die Waldameise auf Achse. Wie man mit wenig Aufwand für ihr Wohlergehen sorgen kann, zeigten die beiden der «Volksstimme» im Gebiet ...
Unterwegs mit den Ameisengöttis Peter Berchtold und Hansruedi Bossert
Seit bald sieben Jahren sind Peter Berchtold und Hansruedi Bossert für die Waldameise auf Achse. Wie man mit wenig Aufwand für ihr Wohlergehen sorgen kann, zeigten die beiden der «Volksstimme» im Gebiet Sangeten.
Brigitt Buser
Mindestens einmal im Jahr kontrollieren die für die Organisation «Ameisenzeit» aktiven «Göttis» (siehe Text unten) rund 100 aktive Waldameisennester. «Interessant dabei ist, dass hier in Tenniken die Nester fast nur auf der Ostseite im Gebiet Sangeten, Bählweid, Stocken und einige wenige unter der Tenniker Fluh zu finden sind», erklärt Peter Berchtold. In den vergangenen Tagen habe er die Mitteilung erhalten, dass in der Nähe vom Hof Bisnacht endlich drei Nester entdeckt wurden. Hingegen sind in Zunzgen auf der Westseite des Tals im Spitzenberg und auf der Hard schon seit jeher Ameisennester anzutreffen.
Mit Vorschlaghammer, Locheisen und mehreren gelb markierten Pfosten machen wir uns mit Hansruedi Bossert auf die Suche nach umgesiedelten oder neu entstandenen Haufen. «Ameisen sind ausgesprochene Nomaden. Passt es ihnen irgendwo nicht mehr, ziehen sie einfach um, was oft in nur wenigen Wochen passiert. Dabei beginnen sie mit dem Bau von bis zu drei Nestern am neuen Standort. Schliesslich entscheiden sie sich jedoch nur für eines», erklärt Bossert. Grund für einen Umzug seien oft die Lichtverhältnisse.
In unserer Region am häufigsten vertreten ist die eher schattenliebende Kahlrückige (Formica polyctena) und die Rote Waldameise (Formica rufa), die sonnige Standorte bevorzugt. Ebenfalls von den beiden Göttis kartiert wird die Wiesen-Waldameise (Formica pratensis), die auch zu den Waldameisen gehört, deren Nester oft an Waldrändern oder Böschungen in Waldnähe anzutreffen sind.
Hitze und Schatten
«Zu schaffen machen allen vor allem Hitzeperioden. Ameisen mögen es zwar warm, aber nicht ‹bräntigheiss›.» Zuerst versuchten sie mit dem Bau von Lüftungsgängen die Temperatur von 22 bis 24 Grad im Haufen zu halten, sagt Berchtold. Gelinge dies nicht, sei ein Umzug angesagt.
Für Schatten sorgt das Aufkommen neuer Bäume und Sträucher. «Gelegentlich entdeckt man auch Nester, die mit dem Kletten- oder anderen Labkrautarten völlig zugewachsen sind», erklärt der begeisterte Ameisengötti. Grund dafür sei, dass Ameisen deren Samen in den Bau tragen und sich vom sehr fettreichen Anhängsel, genannt Elaiosom, ernähren. Dieses diene eigentlich nur dazu, dass die Ameisen den Samen verbreiten. Dabei komme es vor, dass die Saat aufgeht und mit der Zeit das Nest überwuchert. Dies schade den Ameisen aber nicht, «wir entfernen als einzige Pflegemassnahme das Labkraut dennoch vorsorglich. Wird es den Hautflüglern trotzdem zu schattig, ziehen sie um.»
Pflügende Wildschweine
Auf dem Weg zum ersten Haufen weist Berchtold auf eine Ameisenstrasse hin – und schon krabbeln die Tierchen die Hosenbeine hoch. Von nun an geben wir besonders Acht darauf, nicht unbeabsichtigt auf eine Ameisenstrasse zu treten. Wir treffen auf Reste eines Ameisennestes. «Grund dafür sind nicht Spechte, welche die Nester zerhacken und sich von den freigelegten Larven ernähren», sagt Berchtold. Oft seien es Wildschweine, die ganze Nester einfach umpflügen. Passiere dies im Winter, so erfrieren Staaten von bis zu 500 000 Individuen. Erwische ein Specht bei der Futtersuche in einem monogynen Nest die Königin, sterbe der ganze Staat, so der Experte, «ist er jedoch polygyn, sind also mehrere Königinnen vorhanden, lebt das Volk weiter».
Hilfreiche Waldputzer
Bei der Markierung erklären die beiden Göttis, dass Waldameisen durch den Verzehr von Insekten, Larven, Raupen oder Spinnentieren für deren Regulierung sorgen sowie mithelfen, den Wald von Kadavern zu befreien. Zudem belüften und lockern sie den Boden, sind bei der Zersetzung von Totholz mitbestimmend und sorgen für die Verbreitung der Samen von ungefähr 150 Pflanzenarten. Auch halten sie verschiedene Läusearten als Honigtauproduzenten, was von grosser Bedeutung für Zucht- wie auch Wildbienen ist.
In erster Linie gilt die Markierung dem Artenschutz. Denn gekennzeichnet werden sie von Bauern und dem Forst beim Mähen oder Roden frühzeitig erkannt. Die Kennzeichnung ist eine Daueraufgabe, denn Ameisen sind viel auf Wanderschaft. Ebenso Peter Berchtold. Zusammen mit einem ehemaligen Arbeitskollegen sorgt er auch für die Sicherung der Ameisennester in Böckten.