Die «Sonne» ist endgültig untergegangen
15.03.2019 Baselbiet, Fasnacht, SissachSchaaryyse
Sissach verschwindet so noodisnoo in der kulinarischen Bedeutungslosigkeit. Cordon bleu, Pizza und Spaghetti verdrängen Kalbskopf, Gnaagi und Schwartemaage. Langsam verkommt das Dorf unter der Fluh, gastronomisch gesehen, zu einer Päcklisuppe-Ödnis.
Um ...
Schaaryyse
Sissach verschwindet so noodisnoo in der kulinarischen Bedeutungslosigkeit. Cordon bleu, Pizza und Spaghetti verdrängen Kalbskopf, Gnaagi und Schwartemaage. Langsam verkommt das Dorf unter der Fluh, gastronomisch gesehen, zu einer Päcklisuppe-Ödnis.
Um auf die prekäre Situation aufmerksam zu machen, haben sich die Sissecher Chluuribouer heuer entschieden, das zurzeit geschlossene Hotel Restaurant Sonne zu ehren. Damit huldigen sie einer kulinarischen Bastion, die seit 485 Jahren Kriege, Revolutionen und Trennungswirren getrotzt hat. Oder wie es ein ungenannt bleibender Chluuribouer sagt: «Mit gegen 500 Jahren auf dem Buckel, wird die ‹Sonne› auch noch den neuen Besitzer, einen italienischstämmigen Chäänelflicker, überleben.»
Für den Chluuribouer-Chef Roland Schmitter ist die «Sonne» eine Institution. «Mitten im Dorf, an zentraler Lage, ist die ehrwürdige Beiz für mich so etwas wie ein Wahrzeichen.» Zudem sei die «Sonne», seit er denken könne, die Fasnechtsbäiz gewesen. Früher mit einem wunderbar dekorierten Saal, wo noch eine Tanzmusik aufspielte. Im Restaurant der «Sonne» wurde über die Fasnacht lange Zeit eine Bar installiert. Treffpunkt für alle Chluuris. Franz Lüdi, der zusammen mit seiner Ehefrau Trudi den Gasthof von 1945 bis 1980 führte, war den Fasnächtlern stets wohlgesinnt. So empfing er die Gugge FGS nach der Chluuriverbrennig lange Jahre mit Wurst und Brot und Gratisbier. Auch seine Nachfolger Doris und René Girod, und später ihre Tochter Chantal, öffneten die «Sonne» den Fasnächtlern.
Berühmt-berüchtigter Luugidisch
Aber nicht nur für die Fasnächtler war die «Sonne» ein vorübergehendes Zuhause. Liebhaber eines saftigen Stücks Fleisch aus der eigenen Metzgerei zog es aus der ganzen Region an. Mit dem Umbau der Metzgerei in das heimelige Sonnenstübli erhielt der ehrwürdige Gasthof eine weitere Attraktion. Berühmt, um nicht zu sagen berüchtigt, war der «Sonnen»-Stammtisch – der sogenannte «Luugidisch». Abend für Abend wurde in wechselnder Besetzung die Welt neu erfunden oder verändert. Oder wie es ein ehemaliger Teilnehmer sagt: «Es war ein ständiger Wettstreit um die geistige Hoheit über den ‹Luugidisch›.»
Jetzt ist die «Sonne» gestern Abend – nach Redaktionsschluss – also in den fasnächtlichen Himmel aufgegangen, sofern der Wind den Fasnächtlern keinen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Am Nachmittag war von Sicherheitsbedenken die Rede. Für einmal haben die Chluuribouer ihr Augenmerk auf den Unterund nicht den Vorbau des Chluuris gelegt. So thront ein anonymes Chluuri – oder ist es ein frustrierter Gast? – auf dem Nachbau des Restaurant-Eingangs. Was auffällt: Die in Rot gehaltene Sonnenstore der Chluuribouer ist um einiges prächtiger anzusehen, als die doch arg in Mitleidenschaft gezogene Store, die noch immer einsam und zerfetzt im Wind flattert.
«Wir ehren keine Person. Wir möchten der ‹Sonne› als Gasthaus die Ehre erweisen», sagt Chluuribou-Chef Roland Schmitter. Entstanden ist ein 9 Tonnen schweres und 7,5 Meter hohes Chluuri. Ob und wie gut es gebrannt hat, berichten wir in der «Volksstimme» vom Dienstag.
Es bleibt zu hoffen, dass die «Sonne» nach ihrer fasnächtlichen Einäscherung wie dereinst Phönix aus der Asche wieder zu neuem Glanz und alter Gastlichkeit findet.
Aufruf: Chluuri sucht neues Zuhause
hob. Nicht nur die zahlreichen «Sonnen»- Stammtischler haben ihr Zuhause verloren. Auch die Chluuribouer sind immer noch nicht fündig geworden, wo sie im nächsten Jahr das Chluuri bauen sollen. Die jetzige Chluurischüüre beim Schulhaus Dorf muss bekanntlich einem Neubau weichen. Damit ergeht der Aufruf an alle Bewohnerinnen und Bewohner von Sissach, leer stehende Scheunen, Schuppen, Fabrikhallen oder Ähnliches zu melden, sodass auch weiterhin ein stattliches Chluuri den würdigen Abschluss der Sissecher Fasnecht bildet.
Fabio Fedriga, Präsident der Fasnachtsgesellschaft, nimmt unter 061 971 90 64 oder 079 306 62 34 oder fabio.fedriga@fgs-sissach.ch Ihren Vorschlag gerne entgegen.