«Für Sensible gibt es Ohrenstöpsel»
08.03.2019 Bezirk Sissach, Kirche, Fasnacht«Für Sensible gibt es Ohrenstöpsel»
Der erste Fasnachtsgottesdienst der Reformierten Kirchgemeinde Sissach, Böckten, Diepflingen, Itingen und Thürnen findet am Sonntag in der St.-Jakobs-Kirche in Sissach statt. Pfarrer Gerd Sundermann stellt sich der Herausforderung, ...
«Für Sensible gibt es Ohrenstöpsel»
Der erste Fasnachtsgottesdienst der Reformierten Kirchgemeinde Sissach, Böckten, Diepflingen, Itingen und Thürnen findet am Sonntag in der St.-Jakobs-Kirche in Sissach statt. Pfarrer Gerd Sundermann stellt sich der Herausforderung, Fasnacht und kirchliche Feier zu vereinen.
Anna Uebelhart
Kommenden Sonntag beginnt die Fasnacht im Oberbaselbiet. Zu diesem Anlass hat sich Pfarrer Gerd Sundermann etwas Besonderes überlegt. Auch in der St.-Jakobs-Kirche in Sissach soll an diesem Tag alles im Zeichen der Fasnacht stehen. Das Innere der Kirche wird passend geschmückt, für die Musik ist eine Thürner Gugge zuständig, Schnitzelbänke sorgen für Unterhaltung und die Predigt von Sundermann orientiert sich an dieser festlichen Tradition. Wieso Konfetti in der Kirche zum Problem werden können und was Fasten mit Vergnügen zu tun hat, erklärt der Pfarrer aus Thürnen im Interview.
«Volksstimme»: Herr Sundermann, wie passen Fasnacht und Kirche zusammen? Gerd Sundermann: Es müsste grundsätzlich alles, was die Menschen beschäftigt, in der Kirche Platz haben. Und an diesem Sonntag ist hier eben Fasnachtssonntag.
Wie ist der Sissacher sgottesdienst entstanden?
Ich empfinde es je länger, je mehr als einen Anachronismus, wenn wir in der Kirche nach dem liturgischen Kalender Passions- oder Fastengottesdienst feiern, während sich die Fasnächtler draussen vor der Kirche im Kostüm auf den grossen und fröhlichen Umzug vorbereiten. Es gibt wohl keinen Sonntag im Jahr, an der kirchliche Feier und Leben im Dorf so diametral auseinanderlaufen. Darum bin ich froh, dass wir diesmal gemeinsam diesen Gottesdienst feiern können.
Wie steht die reformierte Kirche zur Fasnacht?
In unserer Kirchgemeinde ist grundsätzlich die Begegnung wichtig. Wir wollen hier mit den Menschen leben, nicht an ihnen vorbei. Darum ist die Frage nicht, wie die reformierte Kirche zur Fasnacht steht, sondern wie es uns als Kirchgemeinde gelingt, mit Menschen an der Fasnacht adäquat Gottesdienst zu feiern.
Was werden die regelmässigen Kirchbesucher zur Guggenmusik und den Schnitzelbänken im Gottesdienst sagen?
Der Gottesdienst ist eindeutig als alternativer Fasnachtsgottesdienst mit entsprechendem musikalischem Programm angekündigt. Es sind alle eingeladen, die an gottesdienstlicher Feier in anderer Gestalt und an der Fasnacht Freude haben oder mindestens neugierig sind, wie das wird. Ich habe bei der Probe der Aerdwybli-Schränzer in der Kirche ein wunderbares Konzert miterleben dürfen. Natürlich hat die Musik eine andere Dynamik und Power als ein Violinquartett oder ein Querflötenensemble. Für Menschen mit sensiblem Gehör gibt es am Eingang Ohrenstöpsel. Die Schnitzelbänke werden von einem bekannten Fasnachtsnarren aus dem Ort vorgetragen.
Gibt es Vorgaben, welche die Fasnächtler für den Gottesdienst einhalten müssen?
Grundsätzlich nicht. Ich habe den Beteiligten freie Hand gelassen. Man kann nicht einen Fasnachtsgottesdienst feiern und die Mitwirkenden dann in ein Korsett schnüren. Trotzdem bleibt es ein Gottesdienst und ist keine Fasnachtsveranstaltung. Das Einzige, das wir vereinbart haben, ist, auf Konfetti zu verzichten, um die Reinigungsarbeiten in Grenzen zu halten, und vor allem, um zu vermeiden, dass sich die Papierschnipsel in den Orgelpfeifen festsetzen.
Mit der Reformation ging die Fasnacht in vielen Gegenden verloren. Wieso konnte sie sich im Raum Basel trotzdem durchsetzen?
Die Reformatoren sahen den gesetzlichen Ritus des Fastens vor Ostern kritisch. So wie alles Gesetzliche. Mit der Abschaffung des Fastens hat dann auch die Fasnacht an Bedeutung verloren. Als Basel 1529 reformiert, und damit die Verpflichtung zum Fasten abgeschafft wurde, sollte auch die Fasnacht verboten werden. Aber wenn Sie versuchen, den Baslern heutzutage die Fasnacht zu verbieten, dann wissen Sie, warum es bereits vor 500 Jahren nicht geklappt hat.
Wie sehen die Vorbereitungen für kommenden Sonntag aus?
Wir haben den Gottesdienst in engem Kontakt mit allen Beteiligten geplant. Das war logistisch eine interessante Aufgabe. Immerhin ist es nicht ein gewöhnlicher Sonntag, sondern der Fasnachtssonntag. Darum haben wir den Gottesdienst auf 11 Uhr gelegt. Die Aerdwybli-Schränzer sind vorher noch in Thürnen gebunden. Da es zu Fuss zu lange dauern würde, werden die Musiker mit einem Reisebus von Thürnen nach Sissach gefahren.
Wie wird der Fasnachtsgottesdienst ablaufen?
Die Aerdwybli-Schränzer werden vier Stücke spielen. Darauf folgen einige Schnitzelbänke. Unser Organist Markus Bodmer begleitet den Gottesdienst mit fasnächtlichen Stücken und ich werde in diesem Rahmen sicher auch noch das eine oder andere dazu beitragen können.
Lockt der «etwas speziellere» Gottesdienst mehr Leute an, als es bei Sonntagsgottesdiensten sonst üblich ist?
Eingeladen ist die ganze Gemeinde. Ich rechne aber schon mit einem etwas anderen Publikum. Und das darf auch sein, darauf freuen wir uns.
Machen Sie Fasnacht? Wie stehen Sie zur Fasnacht?
Ich mag die Menschen, die an der Fasnacht Freude haben. Da begegne ich vielen entspannten Gesichtern. Das tut auch mir gut.
Fasnachtsgottesdienst, Sonntag, 10. März 2019, 11 Uhr, reformierte Kirche Sissach.