Ein «Zivi» ist täglich auf Achse mit den TED-Knirpsen
01.02.2019 Bildung, Eptingen, Diegten, Tenniken, Verkehr, RegionTut die Kreisschule TED genug für die Sicherheit der Kleinsten im Bus? Passiert ist jedenfalls noch nie etwas Gravierendes. Doch die Platzverhältnisse sind bisweilen mehr als eng und absolut sicher sei man nie, sagt der Busbegleiter.
Sebastian Schanzer
Der Zivildienstleistende kann ...
Tut die Kreisschule TED genug für die Sicherheit der Kleinsten im Bus? Passiert ist jedenfalls noch nie etwas Gravierendes. Doch die Platzverhältnisse sind bisweilen mehr als eng und absolut sicher sei man nie, sagt der Busbegleiter.
Sebastian Schanzer
Der Zivildienstleistende kann durchatmen, die Türe schliesst wieder. «Wären die Kleinen schon im Bus gewesen, wäre das eine äusserst kritische Situation gewesen», sagt er und konzentriert sich wieder voll auf seinen Job. Der junge Mann aus Känerkinden passt seit vergangenem Sommer auf, dass die Kinder auf der Buslinie 107 zwischen Sissach und Eptingen sicher in die Schule und den Kindergarten und wieder zurück kommen. Er ist der vierte Zivi im Dienst der Kreisschule.
Dass der Bus zwischen den Stationen Zunzgen Neumatt und Post mit teilweise offenen Türen gefahren ist, beunruhigt ihn sichtlich. Immerhin standen etliche Personen im Bus, die keinen Sitzplatz gefunden hatten. «Das habe ich so noch nie erlebt.» Am Ende der Fahrt spricht er den Chauffeur darauf an, die Antwort befriedigt nicht wirklich. Das Kontrolllicht habe nicht gebrannt und die Zurufe der Insassen – hauptsächlich Sekundarschüler – haben den Fahrer offenbar nicht erreicht.
Weil er mit zwei Primarklassen am Vormittag auf der Kunsti Schlittschuhlaufen war, befand sich der Zivildienstleistende bereits ab Sissach im Bus. Normalerweise steigt er mit den Erst- und Zweitklässlern am Mittag erst in Tenniken ein. In Diegten steigen dann die Kindergärtler zu – da gibt es viel zu tun für den Aufpasser, der um diese Zeit noch Verstärkung von einem weiteren Begleiter erhält. Denn der Bus ist bumsvoll. Entsprechend konzentriert blickt er in alle Richtungen, weist die Kinder an, sich festzuhalten oder hält sie gleich selber fest, schlichtet kleine Streitereien und ist darüber hinaus auch noch für neugierige Fragen der Kleinen zu haben. «Die Kinder machen das erstaunlich gut», sagt er und nimmt die Hand eines Knaben, der schon wieder den Stopp-Knopf drücken will. Nur kurz darauf muss der Bus wegen eines Lastwagens abrupt abbremsen. Niemand verliert das Gleichgewicht. «Absolut sicher ist man nie», sagt der Zivi.
Weiter wie bisher
Am Mittwoch hat das Baselbieter Kantonsgericht befunden, dass den Kindern im Diegtertal auch im Alter von vier Jahren ein Schulweg mit dem öffentlichen Verkehr zugemutet werden kann. Allerdings nur unter der ausdrücklichen Bedingung, dass der Kreisschulrat begleitende Massnahmen zur Sicherheit der Kinder ergreift. Die Kleinsten sollen auf jeden Fall begleitet werden und nach Möglichkeit einen Sitzplatz bekommen. Einige Eltern im Diegtertal wünschen sich dennoch den separaten Schulbus zurück – seit dessen Abschaffung 2016. Weil ihnen die Begleitmassnahmen zu wenig Sicherheit garantieren. Sie mussten sich vor Kantonsgericht aber geschlagen geben, nun bleibt ihnen nur noch der Schritt vors Bundesgericht.
«Für uns bedeutet das Urteil, dass wir so weitermachen können wie bisher», sagt Petra Cantaluppi, Präsidentin des TED-Kreisschulrats. Auch sie beteiligt sich tatkräftig an den Begleitmassnahmen, indem sie als Lotsin zur Mittagszeit die jungen Primarschüler in Tenniken über die Strasse führt.
«Wie bisher» heisst bei der TED-Schule Folgendes: Jeden Morgen steigt um 7.40 Uhr in Eptingen der Zivildienstleistende mit den Kindern aus der Unterstufe in den leeren Bus. Ein zweiter Bus für die gleiche Strecke startet kurz vorher, unbegleitet. «Die Kinder können in Absprache mit ihren Eltern wählen, in welchen Bus sie steigen wollen – den begleiteten oder den unbegleiteten», so Cantaluppi. Die kleinen Kinder steigen in der Regel in den begleiteten Bus. Eptinger Kindergärtler fahren nach Diegten, die Erst- und Zweitklässler – auch jene aus Diegten – fahren nach Tenniken.
Gehts am Mittag dann nach Hause – seit Januar gäbe es auch das Angebot eines Mittagstischs in Diegten und Tenniken –, sind erneut zwei Busse unterwegs, ein begleiteter Gelenkbus und kurz darauf ein kleinerer unbegleiteter Bus. Der Grossteil der Kinder steigt mittags in den ersten Bus ein, der allerdings wegen der Sekschüler aus Sissach jeweils sehr voll ist. Jeweils Montag- und Dienstagnachmittag rückt der Aufpasser noch einmal aus. Rund 80 Kinder der Unterstufe werden im Diegtertal täglich von Dorf zu Dorf chauffiert.
«Wertvolle Erfahrung»
Der gestrige Augenschein macht deutlich: Eine Sitzplatzgarantie für die Kleinsten zur Mittagszeit ist auf der Linie 107 kaum durchzusetzen, zumal auch ältere Menschen Sitzbedarf haben. Der Bus war vor dem Halt in Diegten Hirschen schon derart voll, dass man sich fragte, ob es überhaupt noch genügend Stehplätze gibt. «Wir bitten die älteren Kinder jeweils, ihren Sitz für die Kleinen freizugeben und kontrollieren, ob nicht noch irgendwo ein Rucksack einen Platz belegt», sagt der Zivi. Auch erwachsene Passagiere geben oft ihren Sitzplatz frei. Weil der junge Begleiter die Kinder mittlerweile gut kennt, weiss er Bescheid, wem es zuzumuten ist, stehend zu fahren, und wen er auf einen Sitz platzieren muss.
Petra Cantaluppi ist überzeugt von der Lösung, die man im Diegtertal gefunden hat, nachdem der separate Schulbus nicht mehr weitergeführt werden konnte. «Seit Einführung des Begleitdienstes entscheiden wir, wie auch vom Gericht empfohlen, situativ, wie viel Betreuung notwendig ist», sagt sie. «Damit sind wir immer gut gefahren.» Den Betreuungsschlüssel von einem Begleiter auf fünf Kinder, wie es das Kantonsgericht in Bern empfohlen hat, hält sie für zu eng. «Insbesondere für die Erst- und Zweitklässler ist die Erfahrung, selbst in den Bus zu steigen, sehr wertvoll. Sie lernen dabei viel und stärken ihr Selbstvertrauen.»
Und der Zivi? Ist er bisweilen überfordert, wie die besorgten Eltern behaupten? «Nein», sagt er. Hin und wieder würde er zwar gerne an zwei Orten im Bus gleichzeitig sein. «Manchmal sage ich den Kindern aber auch, sie sollen ihre Händel so gut wie möglich selbst lösen. Das müssen sie auch lernen.» An manchen Tagen frage er sich aber auch, ob es ihn überhaupt brauche. Der Känerkinder ist im Übrigen selbst schon mit dem Bus in den Kindergarten nach Wittinsburg, wie es dort seit Jahrzehnten und auch heute noch praktiziert wird – ohne nennenswerte Zwischenfälle.
Dass es gestern bei der kurzen Fahrt mit einer nicht ganz geschlossenen Türe durchaus zu einem Zwischenfall hätte kommen können, bedauert die BLT, Betreiberin der Linie 107. Es handle sich um ein Fehlverhalten des Fahrers, der die Haltestellenbremse lösen musste, weil der Bus nicht mehr losgefahren ist, sagt sie auf Anfrage der «Volksstimme». Bei der Weiterfahrt habe es der Chauffeur unterlassen, zu überprüfen, ob die Türe ganz geschlossen sei. Man werde den Fall noch weitergehend prüfen.