Gericht segnet Schülertransport per öV ab
31.01.2019 Bezirk Waldenburg, Eptingen, Diegten, TennikenBei den zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen steht der TED-Kreisschulrat in der Verantwortung
Die Beförderung von Schulkindern mit dem öffentlichen Verkehr im Diegtertal ist nach Auffassung des Kantonsgerichts verfassungskonform. Die Richter haben den Schulrat der Gemeinden Tenniken, ...
Bei den zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen steht der TED-Kreisschulrat in der Verantwortung
Die Beförderung von Schulkindern mit dem öffentlichen Verkehr im Diegtertal ist nach Auffassung des Kantonsgerichts verfassungskonform. Die Richter haben den Schulrat der Gemeinden Tenniken, Eptingen und Diegten gestern aber mit Nachdruck auf nötige Begleitmassnahmen hingewiesen.
Sebastian Schanzer
«Es ist vollkommen klar: Kinder ohne Begleitung mit dem öffentlichen Bus in den Kindergarten zu schicken, geht gar nicht.» Richter Niklaus Ruckstuhl nahm den Schulrat der Kreisschule TED (Tenniken-Eptingen-Diegten) noch einmal deutlich in die Verantwortung, bevor sich alle fünf Kantonsrichter gestern einstimmig für die Abweisung der Beschwerden gegen den neuen Kreisschulvertrag entschieden.
Der Vertrag, der im November 2017 von allen drei beteiligten Gemeinden per Versammlungsbeschluss genehmigt wurde, erlaubt es den TED-Gemeinden, ihre Schüler und Schülerinnen per öffentlichen Verkehr von Dorf zu Dorf zu transportieren. Er löst die alte Regelung ab, mit der sich die TED-Schule zum Betrieb eines separaten Schulbusses verpflichtet hatte. Entscheidend für das Bestehen der ÖV-Lösung vor Kantonsgericht war ein weiterer Vertrag, der Kreisschulratsvertrag, über den in den drei Gemeinden zusätzlich an der Urne entschieden wurde. Dieser legt nämlich fest, dass der Schulrat für den ÖV-Transport weitere Sicherheits-Massnahmen ergreifen muss.
Einzelfall entscheidend
Referent Markus Clausen betonte an der Verhandlung mehrere Male, dass es lediglich um die Frage gehe, ob eine verfassungskonforme Auslegung des neuen Regelwerks möglich sei oder eben nicht. Die Bundesverfassung garantiert den Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht. Und dieser Anspruch ist nur dann gewährleistet, wenn der Schulweg, den ein Kind bewältigen muss, zumutbar ist. Mit der aus dem Kreisschulratsvertrag hervorgehenden Pflicht für den Schulrat, flankierende Massnahmen zu ergreifen, sei auch der Transport im öffentlichen Bus zumutbar. «Dass 4- bis 6-Jährige mit dem öffentlichen Verkehr zur Schule gehen, ist nicht grundsätzlich verfassungswidrig», so Clausen.
Richter Claude Jeanneret fügte aber hinzu: «Wie die Umsetzung im Einzelfall aussieht, das steht auf einem anderen Blatt.» Es sei – angesichts des hartnäckigen Widerstands der Beschwerdeführer gegen die Vertragsänderung – damit zu rechnen, dass es bei mangelhafter Umsetzung der Sicherheitsmassnahmen zu neuen Beschwerden komme, die dann durchaus erfolgreich sein könnten. Denn welche konkreten Massnahmen die Gemeinden ergreifen, schreibt ihnen weder der neue Vertrag noch das Richtergremium vor. Das Kernproblem ist, resümierte Richter Jgnaz Jermann, dass dem Schulrat von den Beschwerdeführern der Wille, die flankierenden Massnahmen richtig umzusetzen, abgesprochen wird. Diese Rüge komme aber zu früh. «Erst im Einzelfall kann ein Einschreiten sinnvoll sein.»
«Nicht zu knausrig sein»
Die TED-Gemeinden müssen sich bei den flankierenden Massnahmen zum Beispiel fragen, wie sie die Betreuung der Kindergartenkinder im Bus gestalten wollen. Die Beschwerdeführer beanstandeten, dass die Begleitpersonen mit ihren Aufgaben überfordert seien. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hatte in einem Urteil von 2014 festgehalten, dass eine Betreuungsperson die Beaufsichtigung nur für eine bestimmte Anzahl Personen leisten könne. Zehn Kindergartenkinder müssten von zwei von der Gemeinde gestellten Betreuungspersonen begleitet und beaufsichtigt werden. Die Baselbieter Richter wollten sich gestern hingegen nicht auf einen fixen Betreuungsschlüssel festlegen. «Es muss einfach ein genügend gutes Betreuungsverhältnis gegeben sein», so Referent Clausen. Es müsse zudem dafür gesorgt sein, dass die Kleinsten stets zu einem Sitzplatz im Bus kämen. «Sind die Busse zu voll, dann ist der Schulrat in der Pflicht.» Und zu einem zumutbaren Schulweg gehöre im Übrigen auch die Gewährleistung einer genügend langen Mittagspause, wie Referent Clausen ausführte. Ist dies für die Kinder aus den Eptinger Aussenhöfen beim Transport durch den öffentlichen Verkehr nicht möglich, so könne man zum Beispiel einen Mittagstisch organisieren – ein weiteres Beispiel für eine flankierende Massnahme. So beendete der leitende Richter Ruckstuhl seine Wortmeldung mit dem Appell an die TED-Gemeinden: «Bitte seien Sie nicht zu knausrig mit den Massnahmen.»
Umstrittene Schulwegskosten
Erfolgreich waren dieselben Eptinger Beschwerdeführer indes in einem weiteren Fall, der gestern vom Kantonsgericht behandelt wurde. Im Juni 2017 verabschiedete die Gemeinde Eptingen das Reglement über Beiträge an die Schulwegskosten. Damit will die Gemeinde ihre Beiträge an die Eltern von Kindern, deren Weg in die Primarschule unzumutbar ist, einheitlich regeln. Dieselben Eltern, die auch gegen die Änderung des Kreisschulvertrags Widerstand leisteten, erhoben mehrere Beschwerden gegen das Reglement, die Baselbieter Regierung hiess sie teilweise gut. Nichts auszusetzen hatte der Regierungsrat allerdings am Paragrafen 3, der zumutbare Fusswegstrecken für Kinder der Primarstufe festlegt. Kindergartenkinder sollen gemäss Reglement maximal 1,75 Leistungskilometer pro Schulweg zurücklegen können, Erst- und Zweitklässler 2,5. Die Leistungskilometer setzen sich zusammen aus der Marschdistanz und dem zu bewältigenden Höhenunterschied. 100 Meter Höhenunterschied entsprechen einem Leistungskilometer.
Unzumutbare Distanzen
Die Richter kamen nach einem Vergleich der Zahlen mit einer Studie des Bundesamts für Umwelt sowie mit Zahlen aus der Gemeinde Huttwil im Emmental einstimmig zum Schluss, dass die Eptinger Distanzen unrealistisch und willkürlich seien und deshalb gegen übergeordnetes Recht verstössen. «Diese Distanzen gehen eindeutig über das zumutbare Mass hinaus», sagte Referent Clausen. Der entsprechende Paragraf sei aufzuheben.
Bei der Höhe der Entschädigung stellte sich das Kantonsgericht aber hinter die Regierung. Die Entschädigung für Privattransporte bei unzumutbarem Schulweg bleibt bei 70 Rappen pro Leistungskilometer. Die Höhe des Betrags sei nicht verfassungswidrig. Der Beschwerdeführer hatte eine Erhöhung auf einen Franken gefordert.