«Wollte unser Städtchen immer gut verkaufen»
09.07.2024 Bezirk Waldenburg, Waldenburg, Gemeinden, Bezirk Waldenburg, BaselbietAndrea Kaufmann blickt auf Zeit als Gemeindepräsidentin zurück
Nach 17 Jahren in der Gemeindeexekutive, davon 12 Jahre als Präsidentin, freut sich die «Herzens-Waldenburgerin» Andrea Kaufmann trotz Abwahl über die neugewonnene Freizeit. Ihre Amtszeit war ...
Andrea Kaufmann blickt auf Zeit als Gemeindepräsidentin zurück
Nach 17 Jahren in der Gemeindeexekutive, davon 12 Jahre als Präsidentin, freut sich die «Herzens-Waldenburgerin» Andrea Kaufmann trotz Abwahl über die neugewonnene Freizeit. Ihre Amtszeit war geprägt von einer schwierigen finanziellen Lage und der daraus resultierenden anspruchsvollen Weiterentwicklung des Lebens im Städtchen.
Elmar Gächter
Auch wenn ihr die Abwahl immer noch nahegeht, ist von Trübsal blasen keine Rede, im Gegenteil. Andrea Kaufmann lacht gerne und oft, wenn sie auf ihre lange Zeit in der Exekutive von Waldenburg zurückblickt. 2007 wurde sie Gemeinderätin, fünf Jahre später übernahm sie das Präsidium. «Als ich damals gefragt wurde, wie lange ich das Amt ausüben möchte, sagte ich, solange ich Freude daran habe und es Spass macht», erinnert sie sich an ihr erstes Interview als Gemeindepräsidentin.
Gemeindeangelegenheiten hatten sie schon als junge Frau interessiert, ihren Weg in die Politik fand sie als Mitglied des örtlichen Schulrats. Sich für die Öffentlichkeit zu engagieren, kam nicht von ungefähr, war ihr Vater doch Feuerwehrkommandant und in der Bau- und Planungskommission von Waldenburg tätig.
Andrea Kaufmann denkt gerne an ihren Einstieg in den Gemeinderat zurück. Sie sei im Kollegium von Anfang an sehr gut aufgenommen worden: «Wir waren während vieler Jahre ein Team, in dem alle am gleichen Strick gezogen haben und in dem niemand seine persönlichen Interessen oder rein parteipolitische Aspekte durchsetzen wollte.»
Wenn sie vom grossen Schritt zur Gemeindepräsidentin spricht, der in stiller Wahl erfolgte, fällt mehr als einmal der Name ihres Vorgängers. «Kurt Grieder war für mich ein eigentlicher politischer Ziehvater. Er hat mich sehr gut in das verantwortungsvolle Amt eingeführt», betont Andrea Kaufmann. Wichtig ist aus ihrer Sicht auch, dass man sich im Gremium persönlich gut verstehe, sowie die gute Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung. «Ich habe deren Arbeit stets geschätzt und mir lag eine gute Kommunikation und die Begegnung auf Augenhöhe sehr am Herzen.»
Nicht auf Rosen gebettet
Ihr war von Anfang an bewusst, dass sie sich für eine Gemeinde engagierte, die schon längst vor ihrem Amtsantritt finanziell nicht auf Rosen gebettet war. Sie musste als Gemeinderätin den Wegzug der Firma Straumann miterleben, ebenso den Niedergang der Revue Thommen. «Wir haben die Firmen jedes Jahr zu einem Gespräch eingeladen und erörtert, wie man ihnen Hilfestellung leisten könnte. Wir waren auch regelmässig mit der Wirtschaftsförderung in Kontakt», hält Kaufmann fest. Und doch konnten die wirtschaftlichen Tiefschläge nicht aufgefangen werden.
Waldenburg habe zudem schon lange vorher seine Einkaufsmöglichkeiten verloren. «Wir hatten im ‹Stedtli› je zwei Bäckereien und Metzgereien, einen ‹Konsum›-Laden, eine Drogerie und weitere Geschäfte», blickt sie auf ihre Kindheit zurück. Den Kopf deswegen in den Sand zu stecken, sei für sie dennoch nie eine Option gewesen.
Grosse finanzielle Sprünge habe man nie machen können und mit den finanziellen Mitteln sei der Gemeinderat stets haushälterisch umgegangen. Dennoch hätten schöne Projekte realisiert werden können. Sie denkt an die Renovation des Schwimmbads, den neuen Werkhof der Bürgergemeinde und an verschiedene Sanierungen von Strassen und Werkleitungen.
Die Gemeindekasse trage bis heute im Vergleich zu anderen Gemeinden hohe Sozialhilfekosten, die zum grossen Teil auf den günstigen Wohnraum zurückzuführen seien. «Zudem haben wir einen relativ hohen Anteil an ausländischen Einwohnerinnen und Einwohnern. Ich habe mich jedoch nie unwohl gefühlt in unserem Städtchen», betont Andrea Kaufmann.
Funktionierende Schule
«Während all den Jahren im Schulund im Gemeinderat habe ich mich für unsere Schule starkgemacht. Jedes Kind soll bei uns willkommen sein», sagt sie. Selbstverständlich sei das Bildungswesen einer der grössten Kostenfaktoren. «Aber wir dürfen doch stolz sein, dass wir engagierte Lehrpersonen haben, und Kinder, die gerne in die Schule gehen.»
Sie freut sich am kulturellen Blühen in Waldenburg und erwähnt dabei Highlights wie «Ville des Arts» oder das Theaterstück «Donnerwetter über Waldenburg», als sie als dessen Schirmherrin walten und erst noch die Rolle als Landvogtin bekleiden durfte.
«Mit ganz besonderer Freude bleibt mir stets auch die Heimatkunde von Waldenburg in Erinnerung, die wir mit der Kommission in sage und schreibe eineinhalb Jahren erarbeitet haben.»
Andrea Kaufmann lobt den Respekt, den man ihr als Gemeindepräsidentin über all die Jahre entgegengebracht habe. Es sei ihr nie jemand persönlich «an den Karren gefahren». «Klar gab es Leute, die sich mir und der Verwaltung gegenüber kritisch äusserten. Aber ich konnte immer kontern, liess solche Sachen auch nicht zu nahe an mich herankommen. Ich habe einen breiten Rücken und sachliche Kritiken nie persönlich genommen. Sonst hätte ich dieses Amt auch nicht so lange ausüben können.»
Ganz wichtig sei auch, eine offene Person zu sein und alle Leute gleich zu behandeln. «Ich habe einen grossen Freundeskreis hier in Waldenburg, war jedoch stets darauf bedacht, mich als Gemeindepräsidentin ihnen gegenüber nicht anders zu verhalten als gegenüber jenen, die ich weniger gut oder gar nicht kenne.»
Eines der grössten Projekte, die Waldenburg vorwärtsbringen sollen, hat der Gemeinderat mit der «Strategieentwicklung» vor ein paar Jahren initiiert und dafür von der Gemeindeversammlung einen Kredit von 50 000 Franken zur Umsetzung erhalten. Andrea Kaufmann spricht von kleinen Schritten, die bisher realisiert wurden, und erwähnt dabei das Lädeli und das Café in der «alten Wacht», welche die Gemeinde dem Verein «Waldenburg belebt» mietfrei zur Verfügung stellt.
Das Geld fehlt
Die anfängliche Euphorie über das Projekt sei in der Zwischenzeit einer gewissen Ernüchterung gewichen. «Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir aus meiner Sicht einen Halt einlegen müssen, denn wir haben zurzeit schlichtweg das Geld nicht, um weiterzumachen», ist Andrea Kaufmann überzeugt. Aber die Strategie dürfe nicht in der Schublade verschwinden, sondern müsse wieder aufs Tapet kommen, wenn es die finanziellen Mittel ermöglichten.
Waldenburg stand im vergangenen Herbst in den Schlagzeilen, weil der Gemeinderat beschlossen hatte, den Weihnachtsmarkt nicht mehr durchzuführen. «Da war die Behörde starker Kritik ausgesetzt und gewisse Leute machten mich zur Hauptschuldigen. Dabei ging vergessen, dass ich seinerzeit die Erste war, die sich dafür aussprach, dass die Gemeinde die Organisation des Markts übernimmt, nachdem sich die Organisatorin nicht mehr in der Lage sah, den Weihnachtsmarkt weiter zu betreiben.»
Für Andrea Kaufmann ist das Organisieren und Durchführen eines solchen Anlasses jedoch keine öffentliche Aufgabe. Diese Ansicht hätten auch viele Einwohnerinnen und Einwohner bei der Umfrage geäussert, wo man bei den Gemeindefinanzen sparen könne. «Ich war von Anfang an überzeugt, dass sich Privatpersonen finden lassen, und es freut mich, dass der Weihnachtsmarkt weiter als wichtiges Highlight unseres Städtchens bestehen bleibt.»
Seit dem Jahr 2015 ist Andrea Kaufmann Mitglied des Baselbieter Landrats. Sie verbinde mit diesem Amt unter anderem das Ziel, sich im Parlament für die Anliegen von Waldenburg einzusetzen. «Als Waldenburgerin wird man ab und zu schon als Vertreterin einer armengenössigen Gemeinde angesehen», sagt Andrea Kaufmann und lacht. Da könne es schon vorkommen, dass sie bei gewissen Vorlagen gegen die Intentionen ihrer Partei – sie ist Mitglied der FDP – stimme. Sie nehme die Gelegenheit jeweils gerne wahr, Mitglieder des Landrats in ihr «Stedtli» zu locken, um ihnen dessen Vorzüge zu zeigen. «Ich wollte unser Städtchen immer gut verkaufen», so Andrea Kaufmann.
Fehlende Wertschätzung
Während vieler Jahre habe sie ihr Engagement für Waldenburg nie in Zweifel gezogen. «Ich war immer auch mit dem Herzen Gemeindepräsidentin.» Umso mehr habe sie der Entscheid der Bevölkerung getroffen, sie nicht mehr zu wählen. Da stelle sich schon die Frage, was man falsch gemacht habe. «Ich bin überzeugt, dass ich sehr gute Arbeit geleistet habe. Dies zeigen auch die vielen aufmunternden Nachrichten, die ich nach der Abwahl erhalten habe.» Ganz unerwartet sei für sie die Abwahl nicht gekommen.
Die Freude am Mandat sei in den vergangenen beiden Jahren mehr und mehr verloren gegangen. «Früher sass man nach einer Gemeinderatssitzung noch im Restaurant zusammen oder ging einmal im Jahr auf Reisen. Auch habe ich das Gefühl, dass einzelne Ratsmitglieder den Mitarbeitenden der Gemeinde nicht mehr die nötige Wertschätzung entgegenbringen», bedauert die langjährige Präsidentin.
Andrea Kaufmann wünscht Waldenburg, ihrer Gemeinde, dass sie längerfristig ihre Finanzen in den Griff bekommt und den Steuerfuss senken kann. «Dies habe ich leider nicht geschafft», konstatiert sie. Sie hofft auf einen respektvollen Umgang untereinander und dass Waldenburg ein Ort ist, wo sich alle Bewohnerinnen und Bewohner wohlfühlen. «Für mich ist es das Wichtigste, dass wir Sorge tragen zu unserer Schule. Sie ist mir seit jeher ganz besonders nahe.»
Es sei eine sehr lehrreiche Zeit gewesen, mit schönen Anlässen und neuen Freundschaften, die sich dank des Gemeinderatsmandats ergeben hätten. Was sie mit der nun grösseren Freizeit anfange, müsse sie erst noch ausloten. Sie habe während ihres Engagements für die Gemeinde auf manches verzichten müssen und sei auch in keinem Verein mehr aktiv. «Aber langweilig wird es mir nicht. Ich bin gerne unterwegs, fotografiere und lese gerne und werde auch weiterhin am politischen und gesellschaftlichen Leben in meinem geliebten Städtchen teilnehmen.»