«Wir sind die Leidtragenden»
06.02.2024 Region, Landwirtschaft, BaselbietLandwirte protestieren für bessere Bedingungen
In Deutschland und Frankreich protestieren wütende Bauern seit Wochen. Diese Protestwelle hat nun – in deutlich milderer Form – auch die Schweiz erreicht. Am Samstag fuhren Baselbieter und Fricktaler Landwirte mit ...
Landwirte protestieren für bessere Bedingungen
In Deutschland und Frankreich protestieren wütende Bauern seit Wochen. Diese Protestwelle hat nun – in deutlich milderer Form – auch die Schweiz erreicht. Am Samstag fuhren Baselbieter und Fricktaler Landwirte mit ihren Traktoren durch die Region, um auf ihre Sorgen und Existenzängste aufmerksam zu machen.
Sander van Riemsdijk
Sie sind unzufrieden mit der Politik, befürchten Kürzungen bei den Subventionen und sorgen sich um ihre Zukunft: regionale Landwirtinnen und Landwirte. Am Samstag führten sie deshalb eine Demonstration in Form einer Sternfahrt durch. Rund 40 Traktoren kamen zusammen und fuhren vom Oberbaselbiet über Liestal ins Fricktal. Damit wollten sich die Teilnehmenden auch mit ihren Berufskollegen in Deutschland und Frankreich solidarisieren, die seit Wochen gross angelegt für bessere Bedingungen protestieren.
Schon früh am Morgen fanden sich mehrere Landwirte – ihre Traktoren mit Protestbannern versehen – im Maloya-Areal zwischen Gelterkinden und Ormalingen ein, um sich für die Protestaktion einzureihen. Nebel- und Dieselschwaden vermischten sich und schwängerten die Luft. Es rauchte und knatterte, der Lärm war entsprechend. Der Traktor als lautes Kraftsymbol, mit dem Forderungen durchgesetzt werden sollen? «Das muss sein», sagte Landwirt und Sternfahrt-Koordinator Adrian Hunziker vom Hardhof in Zunzgen. «Wir wollen gehört werden und den Schweizer Bauernverband für unsere Anliegen aufwecken.»
Unter die Teilnehmenden mischten sich auch Landwirte aus dem grenznahen Deutschland. «Wir wollen unsere Solidarität mit den Landwirten in der Schweiz zeigen, wir haben ja die gleichen Probleme», sagte ein Bauer aus Lörrach. Dies entspricht zwar nicht ganz der Realität, da die Schweizer Agrarpolitik durchaus bauernfreundlich ist – in gewissen Punkten zumindest. Doch um Details ging es am Samstag nicht. Im Vordergrund stand, ein Zeichen zu setzen. Denn ihre Einkommenssituation sei zum Teil prekär und die Arbeitsbedingungen schwierig, wie Teilnehmende sagten.
«Wichtig ist, Präsenz zu zeigen und die Bevölkerung auf uns aufmerksam zu machen», fand Nadine Lützelschwab vom Zelglihof in Magden. Das gelang mit lautstarkem Hupen und den Bannern mit den teils provokativen Slogans durchaus. Eine Medienschelte hatte Landwirt Phillip Kapp vom Steinackerhof in Füllinsdorf im Gepäck: «Ich muss immer wieder feststellen, dass die Medien viele Aspekte unserer Anliegen in der Berichterstattung ausblenden. Man soll nicht vergessen, dass wir Landwirte das Volk ernähren.» Er verwies auf entsprechende Banner an den Traktoren. Da stand unter anderem: «Niemand soll es vergessen, Bauern sorgen für das Essen.» Oder: «Gibt es keine Bauern mehr, bleibt dein Teller leer.»
«Politik macht, was sie will»
Die Stimmung unter den Teilnehmenden war trotz der belastenden Situation für ihren Berufsstand kurz vor dem Start der Sternfahrt aufgeräumt und fröhlich. Diese Fröhlichkeit verflog bei Landwirt Nicola Zimmermann vom Hof Erfleten aus Zuzgen (AG) aber schnell, als man im spontan gebildeten Kollegenkreis auf die Schweizer Politik zu sprechen kam. Man war sich einig: «Die Schweizer Politik macht mit uns Bauern, was sie will. Sie ist mit ihren häufig kurzfristigen Bestimmungen unberechenbar.» Sie nahmen dabei die Grünen ins Visier: «Wir wollen weniger ökologische Massnahmen», hiess es.
Zimmermann sagte: «Die Grossverteiler bestimmen den Preis und wir Bauern sind die Leidtragenden. Wir wollen einen gerechten Preis für unsere Produkte.» Thomas Rieder vom «Hoggen» in Reigoldswil, der beim Zwischenhalt in Bubendorf dazustiess, sah dies genauso. Er befürchtet sogar, dass viele Landwirtschaftsbetriebe bald nicht mehr zukunftsfähig seien. «Die Preispolitik stimmt nicht mehr. Bedingt durch die Inflation steigen die Kosten bei sinkendem Ertrag.» Und er fügte an: «Der Bauer verliert an Motivation. Wie sollen wir unsere Nachkommen bei diesen Perspektiven noch für den Beruf begeistern können?»
Nach einer Kurzinformation zur Route und zum Fahrverhalten – maximal 20 Stundenkilometer, keine Strassenblockaden – setzte sich die Kolonne unter lautem Gehupe langsam in Bewegung. Via Gelterkinden, Sissach, Bubendorf, Liestal, Füllinsdorf und Möhlin endete die Sternfahrt schliesslich in Wallbach – mit einer Kundgebung, an der die Forderungen der Landwirte erneut proklamiert wurden. Nach einem kulinarisch umrahmten Beisammensein löste sich die Kundgebung gegen 16 Uhr allmählich auf. Der Sprecher der Aktion, Frank Thommen, sprach auf Nachfrage von einer «erfolgreichen» Demo ohne Zwischenfälle. Die Baselbieter Polizei bestätigte dies.
Protestiert wurde am Samstag nicht nur im Baselbiet, sondern auch in der Westschweiz. In der Stadt Genf versammelten sich rund 30 Bauern. Sie forderten laut der Nachrichtenagentur Keystone-SDA Transparenz in Bezug auf die Gewinnmargen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.