«Wir können die Biodiversität nicht outsourcen»
08.07.2025 HölsteinStart-up sucht Partner für Blumenwiesen-Projekte
Marco Hauk will einen Beitrag zur Biodiversität leisten. Über sein Start-up «Youstainable» können Privatpersonen und Unternehmen mehrjährige Blumenwiesen finanzieren. Der Prototyp einer solchen Wiese ...
Start-up sucht Partner für Blumenwiesen-Projekte
Marco Hauk will einen Beitrag zur Biodiversität leisten. Über sein Start-up «Youstainable» können Privatpersonen und Unternehmen mehrjährige Blumenwiesen finanzieren. Der Prototyp einer solchen Wiese befindet sich in Hölstein.
Marianne Ingold
Am Waldrand oberhalb von Hölstein liegt eine besondere Wiese: Sie verbindet Menschen und Unternehmen, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten möchten, mit einem Landwirt, der dadurch einen Anreiz erhalten hat, auf seiner Anbaufläche die Biodiversität zu fördern. Initiant des Projekts ist der 32-jährige gebürtige Zunzger Marco Hauk mit seinem Start-up «Youstainable».
Die Idee dazu kam ihm vor drei Jahren auf einer Wanderung im Safiental, erzählt Hauk: «Da wurde mir bewusst, wie wunderschön die Blumenwiesen dort sind und dass es das bei uns nicht mehr gibt.» Die Frage, wie man solche Wiesen zurückbringen könnte, liess ihn nicht mehr los: «Ich wollte keine Bäume auf Madagaskar pflanzen. Wir leben in der Schweiz – das ist unser Lebensraum, und mir ist wichtig, diesen nachhaltig zu gestalten.»
Hauk hat an der Hochschule St. Gallen Betriebswirtschaft und «Business Innovation» studiert. Seit fünf Jahren wohnt er in Zürich, wo er als Unternehmensberater arbeitet. Im Auftrag von Telekommunikationsanbietern oder Energieunternehmen beschäftigt er sich mit Digitalisierungs- und Strategieprojekten oder optimiert Prozesse: «Das hat mit Biodiversität und Blumenwiesen gar nichts zu tun.» In Zürich sei ihm aber aufgefallen, dass viele etwas für die Natur und die Nachhaltigkeit tun möchten. «In der Stadt ist das jedoch schwierig. Ich wollte ihnen deshalb etwas anbieten, an dem sie sich beteiligen können.»
In Hölstein besitzt Marco Hauks Familie ein knapp 4500 Quadratmeter grosses Stück Landwirtschaftsland, das an Christian Häner verpachtet ist. Dieser baute darauf unter anderem Mais an. Nun bewirtschaftet er das Land im Auftrag von «Youstainable». Hauk las sich ins Thema Biodiversität ein und überlegte, wie er das Stück Land dafür nutzen könnte: «Die Idee mit der Blumenwiese ging mir nicht mehr aus dem Kopf», erzählt er. In Absprache mit Häner entschied er sich, seine Idee einfach auszuprobieren. So entstand 2024 auf dem familieneigenen Land ein Blumenwiesen-Prototyp.
Marketing via Social Media
Via Hauks Plattform «Youstainable» können sich Private und Unternehmen an einer bestimmten Anzahl Quadratmeter der Blumenwiese in Hölstein beteiligen. Derzeit machen etwa 50 Privatpersonen und 3 Firmen aus Sissach und Zürich mit. Für die Vermarktung hatte Hauk kein Budget, sondern bewarb das Projekt über «LinkedIn» und sprach einzelne Unternehmen direkt an. So habe er viele Beteiligungen verkaufen können und motivierendes Feedback erhalten. Einige Beteiligungen sind noch verfügbar: «Solange das Projekt im Webshop aufgeschaltet ist, hat es noch Platz und man kann die gewünschte Anzahl Quadratmeter auswählen», erklärt Hauk.
Obwohl noch nicht ganz alle Beteiligungen verkauft waren, entschied sich Marco Hauk, die ganze Fläche anzusäen. Anfang 2024 bereitete Landwirt Häner den Boden vor. Im Sommer wurde eine Saatgutmischung aus 28 einheimischen Wildblumen und 10 Wildgräsern ausgesät, gemäss Produktbeschrieb eine «artenreiche Heuwiese». Auf der Zeitleiste mit Fotos, zu der alle an «Youstainable»-Beteiligten Zugriff haben, sieht man, wie sich die Wiese entwickelt hat: «Zuvor war es eine intensiv genutzte Mähwiese», erläutert Hauk. «Dann fing der Landwirt an zu pflügen. Wegen des Regens konnten wir erst im Juni säen. Im August fing die Wiese an zu wachsen, dann haben wir gejätet. Im September wurde zum ersten Mal gemäht.»
Heuer kamen die ersten Blumen im April – viel mehr als auf einer normalen Wiese, freut sich Hauk. Er ist sehr zufrieden damit, wie sich sein Projekt entwickelt hat: «Der Versuch ist geglückt. Darüber bin ich sehr happy, weil ich vor drei Jahren keine Ahnung hatte, wie man das zum Laufen bringt.» Ab dem zweiten Jahr wird die Wiese nur noch zweimal gemäht. Vorläufig wird das Heu vom Landwirt eingebracht und genutzt. Später kann es auch zur Saatgutgewinnung verwendet werden.
Dank der Beteiligungen bezahlt «Youstainable» dem Landwirt eine Aufwandsentschädigung. Dazu kommen Subventionsbeiträge. Im Juni hat das Ebenrain-Zentrum die Wiese in Hölstein als Biodiversitätsförderfläche der Qualitätsstufe II (QII) eingestuft. Solche dürfen nicht gedüngt und frühestens ab Mitte Juni gemäht werden. Zusätzlich müssen mindestens sechs verschiedene Pflanzen aus einem vordefinierten Katalog darauf wachsen und/oder es müssen biodiversitätsfördernde Strukturen wie Steinhaufen und Sträucher vorhanden sein. Ein Antrag auf Einstufung als QII sei freiwillig, erklärt Bronya Dehlinger von der Abteilung «Natur und Landschaft» am «Ebenrain». Landwirte können eine Wiese online anmelden, worauf sie überprüft und eingestuft wird. Eine Einstufung gilt jeweils für acht Jahre.
Der finanzielle Anreiz für die Landwirte sei wichtig, sagt Hauk. Aktuell seien ökologische Ausgleichsflächen oft sehr zerstückelt: «Da hat es hier ein paar Quadratmeter und dort noch ein paar. Das bringt keinen grossen Mehrwert.» Er ergänzt: «Ich verstehe das – als Bauer hat man Anreize, gewisse Dinge zu machen und andere weniger. Dem möchte ich gegensteuern und habe mir überlegt, wie ich das tun kann.» Sein Ziel sind grössere, zusammenhängende Flächen. Das bedeute mehr Rückzugsorte für Kleinstlebewesen, Falter und Vögel sowie insgesamt eine grössere Masse. Je grösser die Fläche, desto grösser die Biodiversität, lautet die einfache Formel. «Das bringt mehr, auch für die Bienen», betont Hauk. In Hölstein habe ein Imker neben der «Youstainable»-Wiese seine Bienenkästen aufgestellt und sei begeistert.
Nachhaltigkeit als Geschäftsidee
Viele Angebote im Bereich Nachhaltigkeit und Biodiversität seien bei Stiftungen oder NGOs angesiedelt, sagt Hauk. Das Neue an seiner Idee sei es, den Nachhaltigkeitsgedanken mit einem Start-up-Blick und von der Business-Seite her anzuschauen. «Wenn uns Biodiversität wichtig ist, muss sie uns auch etwas wert sein», ist er überzeugt und betont: «Wir können die Biodiversität nicht ins Ausland outsourcen.» Auf den Einwand, die Biodiversitätsinitiative sei ja insbesondere von der Landwirtschaft bekämpft worden, antwortet er: «Man muss ins System rein, um es zu verändern. Das ist mein Ansatz.»
Hauk selber verdient mit «Youstainable» noch nichts. Biodiversitäts-Millionär zu werden, sei auch nicht sein Ziel, scherzt er. «Aber wenn meine Idee funktioniert, wäre es schön, wenn meine Ausgaben gedeckt wären und ich mir irgendwann etwas auszahlen könnte.» Im Schnitt beträgt sein Zeitaufwand für «Youstainable» neben seinem Vollzeitjob fünf bis zehn Stunden pro Woche. Er habe bereits Ideen zum Ausbau, zum Beispiel Bienenhotels oder Totholzstrukturen. Doch zunächst wolle er sich auf das Vorhandene fokussieren und das Projekt erweitern.
Dazu braucht «Youstainable» weitere Landwirtschaftsflächen und Beteiligungen. «Mein Ziel ist es, weitere Partner zu finden, vielleicht auch an anderen Orten in der Schweiz», so Hauk. Momentan liege sein Fokus darauf, Interessierten die Idee zu erklären, damit 2026 weitere Wiesen angesät werden können. Gesucht sind zusammenhängende Flächen von mindestens 1000 Quadratmetern, die sich für artenreiche Wiesen eignen, zudem weitere Personen und Unternehmen, die sich beteiligen.