«Wir dürfen selbstbewusst sein»
26.06.2025 Baselbiet, Baselbiet, Politik, LausenReto Tschudin (SVP) ist designierter Landratspräsident
Erstmals seit fünf Jahren kommt der Landratspräsident wieder aus dem Oberbaselbiet. Der Lausner SVP-Politiker Reto Tschudin soll heute zum höchsten Baselbieter gewählt werden. Es ist der vorläufige ...
Reto Tschudin (SVP) ist designierter Landratspräsident
Erstmals seit fünf Jahren kommt der Landratspräsident wieder aus dem Oberbaselbiet. Der Lausner SVP-Politiker Reto Tschudin soll heute zum höchsten Baselbieter gewählt werden. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer politischen Karriere, die auf Gemeindeebene begonnen hat. Ein Interview.
Janis Erne
Herr Tschudin, als Landratspräsident werden Sie rund 300 000 Menschen vertreten. Was bedeutet es Ihnen, dieses Amt auszuüben?
Reto Tschudin: Es ist eine Ehre, den Kanton Baselland ein Jahr lang vertreten zu dürfen. Ich wusste schon länger, dass dieser Moment kommen würde. Trotzdem ist es ein besonderes Gefühl, dass es heute aller Voraussicht nach so weit ist. Ich freue mich sehr.
Sie haben es angedeutet: Als zweiter und danach als erster Vizepräsident hatten Sie bereits Einblick in die Leitung des Ratsbetriebs. Spüren Sie trotzdem so etwas wie Nervosität?
Eine gewisse Anspannung ist da. Beobachten ist etwas anderes, als selbst eine Landratssitzung zu leiten. Der ganze Saal weiss, was ich zu tun habe – und was nicht (lacht). Ich bin froh, dass ich die Mitarbeitenden des Parlamentsdienstes an meiner Seite habe. Sie wissen alles über die Abläufe.
Sie werden für die Sitzungsvorbereitung verantwortlich sein. Ist die Arbeit in der Geschäftsleitung des Landrats nur organisatorischer Natur oder auch politisch? Wird manchmal darum gerungen, was wann traktandiert wird?
Obwohl neben dem dreiköpfigen Präsidium auch alle Fraktionschefs vertreten sind, funktioniert die Geschäftsleitung apolitisch. Bei der Festlegung der Traktandenliste stehen Regelmässigkeit und Effizienz im Vordergrund. Es gibt ein «Drehbuch» beziehungsweise eine festgeschriebene Abfolge, welche Geschäftsarten wann an der Reihe sind. Teilweise werden Geschäfte auch gebündelt beraten. Die Sitzungsorganisation ist also wenig spektakulär und gut geordnet. Das gefällt mir.
Was für ein Sitzungsleiter wollen Sie sein?
Ich denke, jeder Landratspräsident entwickelt seine eigene Linie. Der amtierende Präsident, Peter Hartmann, intervenierte regelmässig bei Zwischengesprächen unter Ratsmitgliedern. Andere wiederum rührten die dafür vorgesehene Glocke nie an. Ich kann mir einen Mittelweg vorstellen: Der Ratsbetrieb darf durch Gespräche nicht übermässig gestört werden – gleichzeitig sind sie wichtig, etwa um Koalitionen zu schmieden.
Gelegentlich kommt der Vorwurf auf, das Parlament beschäftige sich zu sehr mit sich selbst – etwa wenn stundenlang über eine Standesinitiative diskutiert wird, die in Bundesbern ohnehin keine Chance hat. Wie sehen Sie das?
Solche Beispiele gibt es. Gleichzeitig sind Anträge zur Schliessung der Rednerliste oder zum sofortigen Ende einer Debatte verpönt, was ich schade finde. Als Landratspräsident werde ich aber nicht derjenige sein, der solche Anträge stellt. Es gibt berechtigte Gründe für den Landrat, sich ab und zu mit sich selbst zu beschäftigen – etwa bei der Frage nach einer Stellvertretungsregelung, einer digitalen Sitzungsteilnahme oder der Höhe der Entschädigung der Mitglieder. Aber auch in solchen Fällen strebe ich kurze und effiziente Debatten an.
Eine weitere Aufgabe ist die Repräsentation des Parlaments nach aussen – bei Anlässen oder im Austausch mit anderen Kantonen. Ist Ihr Terminkalender bereits gut gefüllt?
Mein Kalender beginnt sich zu füllen. Nach den Sommerferien geht es richtig los: Im September finden erfahrungsgemäss sehr viele Anlässe statt. Ich freue mich darauf – auch auf Veranstaltungen, die ich sonst wohl nicht besuchen würde.
Gibt es ausserkantonale Fixpunkte?
Die Fussball-Europameisterschaft der Frauen kann ich leider nicht besuchen, da ich dann mit meiner Familie in den Ferien bin. Im November steht der «Tag der Parlamente» in Zürich an. Und mit Basel-Stadt gibt es immer wieder Anlässe – sei es bei gemeinsamen Institutionen oder in politischen Gremien. Da die beiden Basel sehr eng zusammenarbeiten, kann man aber fast nicht mehr von «ausserkantonal» sprechen – und das sage ich als überzeugter Baselbieter (schmunzelt).
Sie gelten als möglicher künftiger Regierungsrat. Sollte die SVP einen Kandidaten für die Nachfolge von Monica Gschwind ins Rennen schicken, könnten Sie sich trotz Landratspräsidium eine Kandidatur vorstellen?
Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass mich dieses Amt sehr reizen würde. Klar, der Zeitpunkt ist aktuell suboptimal, denn ich freue mich sehr auf mein Präsidialjahr und möchte dieses auch geniessen. Doch solche politischen Möglichkeiten ergeben sich nicht, wie man sie planen würde – und man muss jeweils darauf reagieren.
Als Landratspräsident muss man sich politisch zurückhalten. Wird Ihnen das schwerfallen?
Nein, das gehört zum Amt dazu. Ich habe gewusst, worauf ich mich einlasse. In der Fraktion werde ich mich im Hintergrund an den Diskussionen beteiligen und meine Ideen einbringen.
Sie werden die eine oder andere Rede halten müssen. Welche Werte möchten Sie vermitteln?
Ich möchte die Stärken und die Schönheit des Baselbiets betonen. Häufig stellen wir uns kleiner dar, als wir sind. Doch wir haben viel zu bieten: zum Beispiel funktionale Infrastrukturen, eine starke Wirtschaft, schöne Landschaften sowie ansprechende Kulturangebote. Auch unser Parlament funktioniert gut und ist modern aufgestellt. Wir dürfen in einem gesunden Mass selbstbewusst sein – das möchte ich vermitteln.
Unten angefangen
je. Die Wahl in die Lausner Bürgerratskommission (ein heute nicht mehr bestehendes Gremium) war Reto Tschudins Einstieg in die Politik. Es folgten Engagements in verschiedenen politischen Kommissionen auf Gemeindeebene. In seinem Heimatdorf setzte sich der gebürtige Lausner in jungen Jahren zudem erfolgreich gegen die Einführung von Tempo 30 ein.
Inzwischen sitzt der dreifache Familienvater (40) seit einem Jahrzehnt im Landrat. Innerhalb der SVP zählt Tschudin zu den aussichtsreichsten Kandidaten für eine zukünftige Regierungsratskandidatur. Aus seinen Ambitionen macht der Oberbaselbieter kein Geheimnis («Das Amt reizt mich»; siehe Interview auf dieser Seite).
Tschudin bringt einiges mit, was es für die Regierung braucht – Führungserfahrung, politisches Wissen, Vertrautheit mit der Verwaltung und Flexibilität. So leitet der studierte Jurist die Registerbehörden der Baselbieter Zivilrechtsverwaltung und ist dort für das Grundbuch-, das Handelsregister- und das Zivilstandsamt verantwortlich. Darüber hinaus ist er seit Jahren in der Feuerwehr engagiert, aktuell als Offizier bei der Betriebsfeuerwehr des Kantonsspitals Baselland und der Psychiatrie Baselland in Liestal.
Tschudin sagt von sich, er sei kein Lautsprecher: «Voten mit Schlagworten für die Medien aufzuhübschen, ist nicht meine Art.» Er vertrete die SVP-Werte mit Überzeugung, strebe aber – wenn dienlich – politische Kompromisse an. In der SVP-Fraktion setzte sich Tschudin vor der Nominierung zum zweiten Vizepräsidenten des Landrats gegen mehrere Interessierte durch. Ob ihm das bei einer zukünftigen Ausmarchung eines Regierungsratskandidaten erneut gelingt? Dafür spricht, dass er sich politisch bisher nicht auf ein einziges Sachthema fokussiert hat und für mehrere Direktionen offen wäre.
Aller guten Dinge sind drei
je. Heute wird vom Landrat auch der neue Regierungspräsident gewählt. Zur Wahl steht turnusgemäss Finanzdirektor Anton Lauber («Mitte»), der aktuell Vizepräsident ist. Die Wahl des Allschwilers dürfte Formsache sein. Lauber ist seit 2013 im Amt und hat die Regierung bereits zwei Mal präsidiert: 2015/16 und 2020/21; zuvor war der Anwalt Gemeinderat in Allschwil. Zum Vizepräsident soll Thomi Jourdan (EVP) gewählt werden.