«Wer Verantwortung hat, soll Kosten tragen»
17.01.2025 Baselbiet, Buus, Gemeinden, Baselbiet, PolitikViele Gemeinden stehen finanziell unter Druck – besonders in den Bereichen Alter, Bildung und Asylwesen. Neu-Landrätin und Präsidentin des Verbands Basellandschaftlicher Gemeinden (VBLG), Nadine Jermann, spricht im Interview über die Herausforderungen und ihre Rolle im ...
Viele Gemeinden stehen finanziell unter Druck – besonders in den Bereichen Alter, Bildung und Asylwesen. Neu-Landrätin und Präsidentin des Verbands Basellandschaftlicher Gemeinden (VBLG), Nadine Jermann, spricht im Interview über die Herausforderungen und ihre Rolle im Landrat.
Melanie Frei
Frau Jermann, Sie haben gestern Ihr Amt als Landrätin angetreten. Wie fühlten Sie sich bei der Anlobung?
Nadine Jermann: Es ist eine grosse Verantwortung, die ich übernehme. Ich freue mich in Zukunft mitzugestalten und zu konstruktiven Lösungen beizutragen.
Etwas nervös waren Sie schon, oder?
Ja, freudig aufgeregt. Das Gelöbnis auszusprechen und offiziell von den Amtskolleginnen und -kollegen willkommen geheissen zu werden, war ein spezieller Moment für mich.
Viele Gemeinden stehen finanziell unter Druck – auch weil der Kanton Kosten auf sie abwälzt. Der Regierungsrat wird nun durch eine gestern eingereichte Motion von «Mitte»- Landrat Dario Rigo aufgefordert, die spürbar zu entlasten. Was halten Sie als Präsidentin des Gemeindeverbands davon?
Wer die Verantwortung für eine Aufgabe hat, soll auch die Kosten dafür tragen und umgekehrt. Solange wir auf Gemeindeebene genügend Autonomie haben, um die Finanzen selbst zu regeln, ist es an uns zu überlegen, welche Aufgaben wir zu welcher Qualität und zu welchen Kosten erledigen. Ich stimme Dario Rigo insofern zu, dass heute in den Gemeindebudgets mehr als zwei Drittel gebundene Ausgaben sind und somit durch die Gemeinden kaum beeinflusst werden können. Hier müssen Lösungen gefunden werden.
Was wollen Sie als Präsidentin des Verbands Basellandschaftlicher (VBLG) im Landrat einbringen?
Als Gemeinde- und VBLG-Präsidentin weiss ich, was in den Gemeinden läuft und wo sie der Schuh drückt. So werde ich neben meinem Einsatz für liberale Werte, auch die Sichtweise der Gemeinden in die Diskussionen einbringen. Im Landrat sitzen zudem ja bereits einige Gemeindevertreter.
Wie wollen Sie das Kantonsparlament von Gemeindeanliegen überzeugen?
Es geht nicht darum, Aufgaben und Verantwortlichkeiten hin und her zu schieben. Wir müssen im Landrat Lösungen finden, die den ganzen Kanton voranbringen und ihn attraktiver machen.
Sie sehen sich also nicht nur als Gemeindevertreterin?
Natürlich komme ich aus einer Gemeinde-Exekutive, wo es um Sachpolitik geht. Im Landrat geht es aber weniger um Sachpolitik als um Interessenvertretung. Ich bin als FDP-Vertreterin im Landrat und werde die liberalen Werte dort vertreten.
Können Sie Gemeindeanliegen und Parteipolitik trennen?
Ich bin überzeugt, dass ich diesbezüglich differenzieren kann. Dabei kommt mir entgegen, dass die FDP für das Subsidiaritätsprinzip und für starke Gemeinden einsteht.
Sie sprachen vorhin vom drückenden Schuh bei den Gemeinden. Wo drückt er denn?
Hauptsächlich in drei Bereichen. Die Zahl der älteren Menschen nimmt zu, damit steigen die Kosten für Pflege, Betreuung und Gesundheit. Pflegeheime, Spitex und Alterswohnungen müssen finanziert werden. Der zweite Punkt ist die Bildung. Gerade auch die steigenden Schülerzahlen führen zu steigenden Kosten. Zudem sind wir vermehrt mit verhaltensauffälligen Kindern konfrontiert und den damit verbundenen hohen Kosten.
Und der dritte Bereich?
Der dritte Bereich ist das Sozial- und Asylwesen. Hier ist der Druck auf die Gemeinden gross. Der Kanton ist bereit zu unterstützen oder hat bereits Hand geboten, indem in den Erstaufnahmezentren in Laufen und Pratteln weitere Erstaufnahmeplätze geschaffen wurden. Die Gemeinden sind aufgrund der immens gestiegenen Zahlen der Asylsuchenden seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs am Anschlag. Die Kosten sind immens.
Herausfordernd ist auch die Unterbringung von Geflüchteten.
Ja. Es ist nicht einfach, Unterkünfte zu finden, und die Kosten der Unterbringung werden durch die Pauschale oft nur noch teilweise gedeckt. Zudem fehlen Fachkräfte, um die Schutz suchenden Menschen überhaupt betreuen zu können
Es steht also viel Arbeit an, auch für Sie als neue Landrätin.
Das stimmt. Es gibt viel zu tun und es ist eine herausfordernde Zeit, aber wir müssen gemeinsam Lösungen in diesen Bereichen finden.
«Mitte»-Landrat fordert Entlastung der Gemeinden
mef. Viele Gemeinden stehen finanziell unter Druck. Die Kosten in der Bildung, Sozialwesen und Altersbetreuung steigen und sie müssen diese selbst tragen – obwohl diese Kosten oft durch kantonale Vorgaben entstehen. «Mitte»-Landrat Dario Rigo (Ormalingen) fordert deshalb in einer Motion, dass der Regierungsrat Massnahmen zur Entlastung der Gemeinden ergreift. «Dass der Kanton auf der Ausgabenseite über Handlungsspielraum verfügt und Massnahmen ergreifen kann, hat er mit dem jüngsten Sparpaket gezeigt – nicht zuletzt unter dem Druck der Schuldenbremse», so Rigo. Während der Kanton seine eigenen Ausgaben überprüfe und optimiere, fehlten gleiche Bemühungen für die Gemeinden. Rigo verlangt, dass der Regierungsrat dort, wo es in seiner Zuständigkeit liegt, handelt und gezielt Kosten senkt.