«Viele bringen mir Cola und Gipfeli»
16.07.2024 Bezirk Sissach, SissachDurali Ikisivir ist die gute Seele des Entsorgungscenters Waser
Er sagt von sich selbst: «Ich bin zwar klein, habe aber ein grosses Herz.» Die Entsorgungsstelle aufzusuchen ist normalerweise kein besonders freudiger Akt, doch Durali Ikisivir ringt mit seiner offenen Art ...
Durali Ikisivir ist die gute Seele des Entsorgungscenters Waser
Er sagt von sich selbst: «Ich bin zwar klein, habe aber ein grosses Herz.» Die Entsorgungsstelle aufzusuchen ist normalerweise kein besonders freudiger Akt, doch Durali Ikisivir ringt mit seiner offenen Art vielen Menschen ein Lächeln ab.
Nikolaos Schär
Für die Entsorger und Entsorgerinnen von rezyklierbarem Material in der Region Sissach ist der Leiter des Entsorgungscenters Waser ein Begriff. Ein kleiner Herr, der ständig ein Lächeln auf den Lippen hat und sein Herz auf der Zunge trägt. Doch die wenigsten wissen, wie er heisst und was für eine Geschichte er hat.
Durali Ikisivir (52) ist gebürtiger Istanbuler. Sein Vater komme aber aus einem Dorf ausserhalb der Stadt, sagt er bei einem Gespräch mit der «Volksstimme» zwischen Containern für Altpapier und Karton. In der Türkei habe er in einer kleinen Firma Kupferrollen hergestellt. Das habe gerade zum Leben gereicht, aber übrig blieb nichts, Ikisivir zeigt auf seine leeren Hosentaschen. 1995 sei er mit seiner Frau in die Schweiz gekommen. Ein Bekannter habe ihm drei Wochen nach seiner Ankunft einen Job bei Waser vermittelt. Nun arbeite er schon seit bald 30 Jahren bei der Firma. Er habe in Birsfelden angefangen und später die Leitung des Standorts in Sissach übernommen.
Kunden kommen zum Plaudern
Es ist 7 Uhr morgens und die ersten Kunden kommen. Durali wendet seinen Blick sofort der Frau zu und grüsst sie mit kraftvoller Stimme. «Ich beginne zu lachen, sobald ich hier bin. Ich liebe meine Arbeit!», sagt er. Wenn die Leute ihm gegenüber freundlich seien, gebe er es ihnen doppelt zurück: «Ich glaube, deswegen kommen die Leute auch so gerne.» Nebenan gebe es ja ein weiteres Entsorgungscenter.
Das eine Mal sei eine Frau mit nur einer Zeitung gekommen, um ihn zu sehen. Er habe es nicht verstanden und ihr spasseshalber gesagt, sie solle doch deswegen nicht extra vorbeikommen. «Die Leute bringen mir sogar Cola und Gipfeli», so Durali. Er versuche immer, hilfsbereit zu sein, und nehme sich die Zeit, den Leuten zu zeigen, was wo entsorgt wird. Die direkte Kommunikation sei für ihn sehr wichtig: «Wenn jemand etwas am falschen Ort entsorgt und eigentlich dafür zahlen muss, spreche ich ihn direkt an.» Gewisse Leute würden sagen, sie hätten kein Geld dabei. Er setze dann auf Vertrauen: «Dann bringst du es halt das nächste Mal vorbei.» Wenn Kunden nur eine Kleinigkeit hätten, verzichte er auch Mal auf die Gebühr.
Auch zu seinen Mitarbeitern sage er immer: «Redet mit mir, wenn ihr einen Fehler macht. Besser so, als es zu verheimlichen.» Zusammen liessen sich alle Probleme lösen. Das Wichtigste sei, dass man als Team funktioniere. Er selbst wirkt, als ob er Energie für ein ganzes Team besitzt: «Ich bin nie krank und arbeite viel, ohne mich auf eine besondere Art zu ernähren.» Jeden Freitagabend räume er das gesamte Areal auf, weil er samstags oft nicht da sei. Sein Chef sage immer: «Von dir hört man nie ein schlechtes Wort.»
Manchmal würden jedoch auch arrogante Menschen kommen – er fasst sich mit dem Finger an die Nase und legt seinen Kopf in den Nacken: «Aber das macht mir nichts aus, auch diesen Menschen schenke ich ein Lächeln.» Doch er habe auch schon ernster werden müssen. Es gebe Menschen, die den Elektroschrott mitnehmen wollen, um ihn zu Geld zu machen: «Einmal musste ich jemandem einen PC-Bildschirm entwenden und ihn kaputt machen.»
Start in der Schweiz war schwer
Angesprochen auf sein gebrochenes Deutsch sagt er: «Am Anfang arbeitete ich oft alleine und hatte wenig Kundenkontakt. Ausserdem kann ich mir die Wörter nicht so gut merken. Ja, zu Beginn war es schwierig. Heute verstehe ich sicher 60 bis 70 Prozent.» Seinen drei Töchtern, die in der Schweiz geboren sind, falle das viel leichter: «Sie haben alle das Gymnasium gemacht. Die sollen nur studieren gehen und mit dem Kopf arbeiten. Bildung ist wichtig.»
Auf die Frage, was seine Pläne nach der Pension seien, sagt er: «Meine Frau hat mich gefragt, ob wir in die Türkei zurückgehen. Doch was will ich dort? Meine Töchter sind alle hier.» Er sei sogar schon Grossvater geworden und zeigt auf das Hintergrundbild seines Handys. Immer, wenn seine Enkelin ihn zu Hause besuche, müssten alle zur Seite gehen, damit er sie in den Arm nehmen könne. Ausserdem sei er sehr zufrieden in der Schweiz: «Solange ich Arbeit habe, bin ich glücklich. In der Schweiz stimmt das Leben zu 90 Prozent.»