«Unsere Anliegen fanden keinerlei Gehör»
19.08.2025 Baselbiet, Region, Politik, BaselbietSVP zeigt sich angriffig
«Wehret den Anfängen» – Nils Fiechter warnte eindringlich vor der Einführung der E-ID, die seiner Ansicht nach «ein erster Schritt hin zu staatlicher Überwachung» wäre. Demgegenüber sprachen sich prominente ...
SVP zeigt sich angriffig
«Wehret den Anfängen» – Nils Fiechter warnte eindringlich vor der Einführung der E-ID, die seiner Ansicht nach «ein erster Schritt hin zu staatlicher Überwachung» wäre. Demgegenüber sprachen sich prominente Stimmen der Baselbieter SVP wie Nationalrätin Sandra Sollberger, Fraktionschef Markus Graf oder Landratspräsident Reto Tschudin für den elektronischen Identitätsausweis aus. Die Parteibasis folgte aber in grosser Mehrheit Fiechter, dem Präsidenten der Jungen SVP Schweiz. Mit mehr als 80 von 115 Stimmen beschlossen sie die Nein-Parole.
Was am Parteitag in Frenkendorf zunächst nur wie eine Randnotiz wirkte, erklärt gewissermassen, was wenig später geschah, als die Kandidatur für die Regierungsratswahl bestimmt wurde. Dabei setzte sich Landrätin Caroline Mall (58) gegen ihren Amtskollegen Matthias Liechti (45) durch. Sie wurde insbesondere auch von jenen Mitgliedern unterstützt, die sich eine angriffige, rechtsorientierte SVP wünschen, die sich gegen alle anderen auflehnt.
Diese Haltung verkörpert Mall eindeutig mehr als Liechti. Während die Reinacherin ankündigte, für die SVP «in den Kampf ziehen» zu wollen, gab sich der Rümlinger als pragmatischer Politiker, der an «praxistauglichen Lösungen» interessiert sei. Liechti wich teils von der Parteilinie ab: Er stellte sich nicht nur bei der E-ID gegen die Mehrheit der Basis, sondern lehnte auch ein Gendern-Verbot an Schulen ab: «Wir sind keine Verbotspartei.»
Angesichts seiner abwägenden Art und einer eher schwachen Mobilisierung der Parteimitglieder aus dem Oberbaselbiet kam es, wie es kommen musste: Liechti unterlag Mall knapp. Er nahm das Wahlergebnis äusserlich gelassen zur Kenntnis, spendete als einer der Ersten Geld für den Wahlkampf seiner Kontrahentin und applaudierte ihr.
Herkunft als Vorteil
In der Person von Caroline Mall – seit 14 Jahren im Landrat und Vizepräsidentin der Bildungskommission – tritt die SVP mit einer Kandidatin an, die zwar über grosse bildungspolitische Erfahrung verfügt, im Auftritt zuweilen aber etwas unbedarft wirkt. Das zeigte sich exemplarisch in ihrer Ansprache am Parteitag, die zwar reich an knalligen Formulierungen war, aber jegliches Taktgefühl vermissen liess.
Als ihre Redezeit knapp wurde, versuchte Mall, dennoch alles unterzubringen, und sprach plötzlich deutlich schneller – es wirkte, als würde ein Youtube-Video in doppelter Geschwindigkeit abgespielt werden. Flexibilität? Fehlanzeige.
Inhaltlich stellte Mall die Volksschule ins Zentrum. Bildung müsse sich auf die Kernaufgaben konzentrieren, sagte sie: auf Wissensvermittlung und das Wecken von Neugier. Zudem plädierte sie entschieden für einen separativen Unterricht.
Dass sie zur Kandidatin bestimmt wurde, hängt nicht nur mit ihrer Haltung auf Parteilinie zusammen. Mall profitierte auch davon, dass sie aus dem bevölkerungsreichen Unterbaselbiet kommt und dort – so die Hoffnung ihrer Unterstützer – mehr Stimmen holen kann als der Oberbaselbieter Liechti. Dahingehend äusserten sich am Mikrofon im Saal des Hotels Wilden Mann mehrere Redner – unter anderem Nationalrat Thomas de Courten.
Riebli teilt gegen FDP aus
Was bleibt von diesem Abend? Die Chancen der SVP, den Gschwind-Sitz zu ergattern, haben sich sicherlich nicht erhöht. Selbst wenn Mall im ersten Wahlgang den FDP-Kandidaten Markus Eigenmann überflügeln sollte und sich die Freisinnigen zurückziehen sollten, ist es nur schwer vorstellbar, dass sie im zweiten Wahlgang eine Chance gegen die GLP-Kandidatin Sabine Bucher hätte. Bucher könnte im Duell mit Mall auf breite Unterstützung zählen, die bis in die «Mitte» oder FDP hineinreichen würde.
Haften bleiben auch die offen ausgetragenen Differenzen im bürgerlichen Lager. SVP-Präsident Peter Riebli übte scharfe Kritik: «Unsere Anliegen fanden in den wenigen Gesprächen keinerlei Gehör», sagte er. Die Strategie, im ersten Wahlgang getrennt und im zweiten gemeinsam anzutreten, hätten FDP und Teile der «Mitte» fast schon als Majestätsbeleidigung betrachtet.
«Die FDP meint, eine staatstragende Partei zu sein, dabei befindet sie sich im Krebsgang», so Riebli. Bürgerliche Zusammenarbeit bedeute nicht, Befehle zu befolgen, sondern gemeinsam Lösungen zu suchen. Diplomatischer formulierte es alt Regierungsrat Thomas Weber: «Als wählerstärkste Partei haben wir die Pflicht, bei der Wahl Ende Oktober anzutreten.»
Janis Erne