Spuren aus der Römerzeit
29.12.2023 Bezirk Sissach, Kultur, Gesellschaft, SissachDie Ausgrabungen am Bützenenweg geben Aufschluss über die Vergangenheit
Im Januar wird am Sissacher Bützenenweg 75 ein neues Mehrfamilienhaus gebaut. Dies ist nur das jüngste Kapitel einer langen Besiedlungsgeschichte. Schon in der Römerzeit haben an dieser ...
Die Ausgrabungen am Bützenenweg geben Aufschluss über die Vergangenheit
Im Januar wird am Sissacher Bützenenweg 75 ein neues Mehrfamilienhaus gebaut. Dies ist nur das jüngste Kapitel einer langen Besiedlungsgeschichte. Schon in der Römerzeit haben an dieser Stelle Menschen gewohnt. Davon zeugen die Überreste eines Gutshofs, der jetzt vor Baubeginn freigelegt wird.
Benjamin Meier
Der Zahn der Zeit hat stark an ihm genagt, am römischen Gutshof, der einst in der Sissacher Flur Bützenen gestanden hat. Klar, nach fast 2000 Jahren ist nicht mehr viel von ihm übrig geblieben. Dennoch ist es einem vierköpfigen Team rund um Grabungstechniker Jan von Wartburg gelungen, einige Überreste der Römervilla wieder ans Tageslicht zu bringen. Anlässlich eines Neubaus am Bützenenweg 75 führt das Team der kantonalen Fachstelle Archäologie Baselland diese Notgrabung durch (die «Volksstimme» berichtete). «Wir haben hier eine eher kleine Ausgrabungsstelle und daher auch verhältnismässig wenige Fundstücke», sagt Jan von Wartburg. Von der Besiedelung durch die Römer zeugen nur noch einige Keramikscherben und Tierknochen sowie die Reste einer Mauer.
Dennoch lassen sich aus diesen Funden einige Erkenntnisse über das Leben in der Antike gewinnen. So geben die Mauerreste Aufschluss über die ausgeklügelte römische Baukunst. Und auch die gefundene Keramik ist ein wichtiges Mittel für die Altersbestimmung der Römervilla. Durch Notgrabungen wie diese soll das archäologische Erbe für die Nachwelt gesichert werden.
Wann immer in archäologischen Schutzzonen oder Verdachtsflächen Bauprojekte ausgeschrieben werden, wird die Archäologie Baselland tätig: Sie überprüft, ob durch das Bauprojekt allfällig vorhandene archäologische Überreste zerstört werden könnten. Fällt dies in Betracht, informiert sie die Bauherrschaft frühzeitig. In enger Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft begleiten ihre Fachleute den Voraushub an der Baustelle. Finden die Archäologen dann tatsächlich Spuren aus der Vergangenheit, führen sie Ausgrabungen durch, um die unter der Erde verborgenen Strukturen zu sichten und zu dokumentieren.
Durchschnittlich 20 solcher Notgrabungen unternimmt die Archäologie Baselland im Jahr, wobei diese Zahl natürlich abhängig ist von der Anzahl der ausgeschriebenen Baugesuche. Auch in ihrer Dauer variieren die Grabungen stark. «Es kann sein, dass wir für eine Ausgrabung nur einen halben Tag benötigen und für andere mehrere Wochen», erklärt von Wartburg. Oft führen die Forscher die Ausgrabungen noch vor dem eigentlichen Baubeginn durch, manchmal aber auch gleichzeitig mit den Bauarbeiten.
Für die archäologische Untersuchung wird auch schweres Gerät aufgefahren. Ohne einen Bagger wäre es kaum möglich, die historischen Strukturen von den Erdmassen zu befreien. Unerlässlich bei einer Ausgrabung ist vor allem das systematische Vorgehen. Vor dem Beginn der Untersuchungen wird die Grabungsstelle mit dem Tachymeter vermessen und in Felder aufgeteilt. Diese werden dann Feld für Feld abgetragen, bis in den Erdschichten keine Spuren mehr gefunden werden. Dadurch werden natürlich auch die Überreste aus der Vergangenheit «zerstört», weshalb die Forscher sämtliche Funde fortlaufend genauestens dokumentieren. Auch die Aufarbeitung dieser Dokumentationen und die Archivierung gehören zum abwechslungsreichen Tätigkeitsfeld des Ausgrabungsteams.
Zukunft im Blick
Von Wartburg und seine Kollegen sind nicht die ersten, die in der Sissacher «Bützenen» Grabungen durchführen. Bereits in den 1950er-Jahren haben Archäologen oberhalb der aktuellen Grabungsstelle Teile desselben Gutshofs untersucht. Seitdem hat sich in der Archäologie viel getan. Während früher die antiken Überreste nur skizzenhaft erfasst wurden, werden heute sämtliche Fundstücke dreidimensional verortet.
Auch den abgetragenen Erdschichten kommt heute eine grössere Bedeutung zu als früher, wo vor allem entlang der Mauerreste gegraben wurde. Mittels naturwissenschaftlicher Untersuchungen kann aus diesen Schichten mittlerweile viel herausgelesen werden. Dafür arbeitet die Archäologie Baselland unter anderem eng mit der Universität Basel und der ETH Zürich zusammen.
Untrennbar wie die moderne Technik ist auch die Öffentlichkeitsarbeit mit der Archäologie verbunden. Ihre Erkenntnisse wollen die Forscher nicht für sich behalten. Das gemeinsame historische Erbe soll einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Aber auch der Gedanke an die Zukunft schwingt in der Archäologie immer mit. «Wir haben heute bessere Forschungsmethoden als in den 1950er-Jahren, und in der Zukunft werden wir nochmals bessere Mittel haben», sagt von Wartburg.
Im Hinblick auf künftige Generationen von Archäologen lassen die Forscher daher bewusst manch eine archäologisch interessante Stelle im Kanton unberührt. Ihre Kollegen in der Zukunft sollen dieses noch nicht untersuchte historische Erbe einmal mit besseren Methoden erforschen. Es kann also gut sein, dass in einigen Jahrzehnten bei Ausgrabungen in der «Bützenen» neue Erkenntnisse über die Sissacher Römerzeit zum Vorschein kommen.