Sirenentest war erfolgreich – Notvorsorge wurde verbessert
07.02.2025 Baselbiet, Gesellschaft, Gemeinden, BaselbietHeulen die Alarmsirenen nicht zu Testzwecken, sondern wegen einer tatsächlichen Gefahr, dann könnte es sich um ein Erdbeben oder ein Chemie- oder Atomereignis handeln. Die wahrscheinlichere Notsituation aber ist eine Stromunterversorgung.
Christian ...
Heulen die Alarmsirenen nicht zu Testzwecken, sondern wegen einer tatsächlichen Gefahr, dann könnte es sich um ein Erdbeben oder ein Chemie- oder Atomereignis handeln. Die wahrscheinlichere Notsituation aber ist eine Stromunterversorgung.
Christian Horisberger
Am Mittwoch heulten in der ganzen Schweiz die Sirenen. Als Test. Der Probealarm war im Baselbiet beinahe ein Vollerfolg: Wie die Sicherheitsdirektion mitteilte, wurden 147 von 150 in Betrieb stehenden Anlagen aktiviert, 146 davon funktionierten wunschgemäss. Die fehlerhafte Sirene werde in den nächsten Tagen geprüft und die notwendige Instandstellung vorgenommen.
Was aber, wenn Alarm geschlagen wird, und es handelt sich nicht um eine Funktionskontrolle, sondern es hat sich tatsächlich ein Erdbeben, ein Chemie- oder Atomunfall ereignet oder Raketen befinden sich im Anflug? Wie gut sind wir auf den Ernstfall vorbereitet?
Was die Anzahl Schutzräume angeht, gut: Laut Roman Häring, Stabschef des Baselbieter Amts für Militär und Bevölkerungsschutz (AMB), gibt es im Kanton zehn Prozent mehr Schutzraumplätze als Einwohnerinnen und Einwohner. Das sei erfreulich. Die Schutzräume seien primär für den Fall eines bewaffneten Konflikts konzipiert. Doch eigneten sie sich auch als Notunterkünfte bei anderen Szenarien wie Erdbeben oder Kernkraftwerk-Unfällen.
Für die Lagerung lebenswichtiger Güter wie Lebensmittel, Medikamente oder Treibstoffe für Krisenzeiten ist nicht der Kanton, sondern die wirtschaftliche Landesversorgung des Bundes zuständig, erklärt Häring, und für die Wasserversorgung in Mangellagen seien es die Gemeinden.
Generator zum Überbrücken
Ein Blackout oder eine Mangellage mit temporären Stromunterbrüchen ist laut Häring das wahrscheinlichste Notfallszenario in der Region. Als die Energieversorger 2022 eine Unterversorgung insbesondere für die Wintermonate als realistisch beurteilten, waren Stromgeneratoren plötzlich heiss begehrt.
Auf der Suche nach Menschen, die sich auf einen möglichen Notstand vorbereitet haben, stiessen wir auf zwei SVP-Politiker. Der Frenkendörfer Landrat Andi Trüssel hat ein Notstromgerät sowie mehrere Kanister Benzin angeschafft, um autark zu bleiben für den Fall, dass die Lichter einmal ausgehen, wie er auf Anfrage der «Volksstimme» erklärt. Trüssels Notwasservorrat «lagert» im eigenen Swimming-Pool: Mit einer Filteranlage könne er das gechlorte Pool-Wasser trinkbar machen. Auch sonst ist der Oberst im Generalstab a. D. auf einen Notstand vorbereitet: Im Luftschutzkeller seines Eigenheims befänden sich reichlich Nahrungsmittel, binnen einer Stunde sei der Raum bezugsbereit. «Und der Wein lagert gleich nebenan …»
Für Trüssel ist die persönliche Vorbereitung auf den Katastrophenfall eine Form von Eigenverantwortung, wie er sagt. Damit liegt er ganz auf der Linie des Bundes. Dessen jahrzehntealter Slogan «Kluger Rat – Notvorrat» hat nach wie vor Gültigkeit. «Damit kann man einer schwierigen Situation gelassener begegnen und muss nicht nervös werden oder gar in Panik geraten», hält das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung in seinem Papier zum Notvorrat fest. Es liege im Interesse jedes Einzelnen, eine individuelle, kurzfristige Notlage überbrücken zu können und für ein paar Tage eine gewisse Unabhängigkeit zu haben.
Die möchte auch SVP-Präsident Peter Riebli. Er ist auf den Notfall vorbereitet – aus lauter Gewohnheit, wenn man so will. Er gehöre der Nachkriegsgeneration an, und damals sei im ländlichen Raum ein Notvorrat selbstverständlich gewesen. Bei ihm daheim seien heute immer genügend Vorräte für zwei bis drei Wochen vorhanden. Im Zuge der Stromlücken-Debatte habe er neu einen Notstromgenerator mit einem bescheidenen Benzinvorrat angeschafft, um bei einem Stromausfall für eine gewisse Zeit den Kühlschrank, das Tiefkühlgerät und die Heizung in Betrieb halten zu können.
«Notvorsorge vernachlässigt»
Wie Trüssel hält auch Riebli einen Stromausfall für die wahrscheinlichste Notlage für die Region – gefolgt von einem Erdbeben: «Es ist bekannt, wird trotzdem von vielen verdrängt, dass wir in einer Erdbebenregion leben», sagt er. Auf beide Szenarien sei die Bevölkerung schlecht vorbereitet: «Die individuelle Notvorsorge ist während der vergangenen Jahrzehnte vernachlässigt worden und auch der Bevölkerungsschutz wird erst seit ein, zwei Jahren langsam wieder aufgebaut.» So wären beispielsweise die Treibstoffvorräte nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für die Rettungsdienste rasch aufgebraucht, sagt der ehemalige Feuerwehrkommandant und Gemeindepräsident von Buckten.
Die Treibstoffvorräte seien deshalb vor Ort zu erhöhen, «und wir müssen uns ernsthaft Gedanken über eine sichere Stromversorgung machen, da man ja alles elektrifizieren will». Auch hier bestehe dringender Handlungsbedarf, damit eine unterbrechungsfreie Versorgung auch in den Wintermonaten sichergestellt werden könne.
Die verstärkten Aktivitäten des Kantons in jüngster Vergangenheit bestätigt Stabschef Häring: Seit das Thema Energiemangellage 2022 aufgekommen ist, habe das Amt für Militär und Bevölkerungsschutz im Auftrag der Regierung viel investiert, um sich auf dieses Szenario einzustellen. Daraus hätten diverse Massnahmen resultiert. Als Beispiele nennt Häring die Evaluation und Analyse aller systemrelevanten Betriebe und Organisationen (SRBO) oder die Einlagerung von Mineralölreserven sowie ein Konzept für dessen Verteilung. Im Weiteren seien ausgewählte Tankstellen für die Treibstoffnotversorgung ertüchtigt und die kantonalen Abwasserreinigungsanlagen mit Notstromaggregaten ausgerüstet worden.
Für den Informationsaustausch zwischen Bevölkerung und Behörden wurden im ganzen Kanton ausserdem 120 Notfalltreffpunkte definiert, zur Sensibilisierung von Bevölkerung und Betrieben ein Erklärvideo sowie Vorsorge-Handbücher produziert, so Häring weiter. Schliesslich gelte für die Kantonsverwaltung ein Energiespargebot.
www.notvorratsrechner.bwl.admin.ch/de
Notstromgeräte weniger gefragt
ch. Die Angst vor einer Strom-Unterversorgung hat vor zwei Jahren die Nachfrage nach Notstromaggregaten angeheizt. Das Diepflinger Kommunaltechnikunternehmen Hamedan, das auch Geräte für Landwirtschaft, Haus und Garten führt, verzeichnete eine Zunahme der Verkäufe um rund 60 Prozent, wie Roman Häfelfinger, Mitglied der Geschäftsleitung, sagt. Nach etwa einem Jahr seien die Verkäufe auf das alte Niveau zurückgegangen. Wichtigste Käufer seien nun wieder Landwirte, Baufirmen oder Camper.
Dies gehört in den Notvorrat
Wasser für drei Tage: Es wird von einem Tagesbedarf von drei Litern zum Trinken und zum Kochen pro Person, also neun Litern, ausgegangen (Körperhygiene und Waschen nicht eingerechnet). Die Wasserversorger sind verpflichtet, die Bevölkerung ab dem vierten Tag eines Unterbruchs wieder mit einer minimalen Menge an Trinkwasser zu versorgen.
Lebensmittel für rund eine Woche: Zum Beispiel Reis, Teigwaren, Öl, Fertiggerichte, Salz, Zucker, Kaffee, Tee, Dörrfrüchte, Müesli, Zwieback, Schokolade, UHT-Milch, Hartkäse, Trockenfleisch, Konserven.
Verbrauchsgüter: Batteriebetriebenes Radio, Taschenlampe, Ersatzbatterien. Kerzen, Streichhölzer/Feuerzeug, Gaskocher.
Diverses: 50 Hygienemasken pro Person, Desinfektionsmittel, persönliche Medikamente und regelmässig benötigte Hygieneartikel, etwas Bargeld, Futter für Haustiere etc.
Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung stellt auf seiner Website ein Werkzeug zur Verfügung, mit dessen Hilfe sich der Notvorrat individuell (Anzahl Personen, Ernährungsgewohnheiten und Dauer) berechnen lässt.