Sind zwei Hüte ein Problem?

  03.07.2025 Baselbiet, Gemeinden, Baselbiet, Politik

Initiative will Gemeinderäte aus dem Landrat verbannen

Politikerinnen und Politiker verschiedener Parteien möchten, dass Gemeinderäte dem kantonalen Parlament erhalten bleiben: Dies ermögliche bürgernahe Entscheidungen, so die Argumentation. Christoph Buser warnt hingegen vor Interessenkonflikten.

Paul Aenishänslin

Die am Montag im Amtsblatt publizierte Volksinitiative des Hauseigentümerverbands (HEV) Baselland gibt zu reden. Sie verlangt, dass Gemeinderäte künftig nicht mehr im Baselbieter Parlament, dem Landrat, Einsitz nehmen können. Für sie sollen damit die gleichen Unvereinbarkeiten wie für hohe Staatsangestellte und Richter gelten. Von der neuen Regelung betroffen wären aktuell 15 von 90 Landrätinnen und -räten, da sie gleichzeitig auch Mitglied eines Gemeinderats sind.

Christoph Buser, Präsident des HEV Baselland, verteidigt die Initiative mit Nachdruck: «Was auf Bundesebene selbstverständlich ist, soll auch im Baselbiet gelten», sagt er auf Anfrage. Er meint, dass Regierungsräte nicht gleichzeitig Mitglied des National- und Ständerats sein können. Doppelrollen in Exekutive (Gemeinderat) und Legislative (Landrat) schwächten das Vertrauen in die Institutionen und schafften potenzielle Interessenkonflikte, so Buser. «Wer Gesetze mitprägt, die er später selbst umsetzen muss, ist gleichzeitig Spieler und Schiedsrichter – das gefährdet das ganze Spiel.»

Hintergrund der Kritik ist unter anderem die Debatte um die Mehrwertabgabe, als sich exemplarisch gezeigt habe, wie problematisch Doppelmandate seien, so Buser. Mit Hilfe kantonaler Gesetzgebung seien finanzielle Spielräume auf Gemeindeebene geschaffen worden. Buser kritisiert auch das Fehlen klarer Regeln zum Ausstand in solchen Fällen: Die Praxis beruhe auf Freiwilligkeit, es fehle eine verbindliche gesetzliche Grundlage. Seine Initiative wolle das ändern.

«Ein gewisses Gegengewicht»
Die Gegenstimmen sind zahlreich. Es regt sich breiter Widerstand gegen die Initiative, wie Anfragen der «Volksstimme» bei Oberbaselbieter Landrätinnen und Landräten zeigen. Andrea Heger (EVP), die als Landrätin und Hölsteiner Gemeindepräsidentin von der neuen Unvereinbarkeit betroffen wäre, hält wenig von einer starren Trennung: Der Landrat gewinne durch Gemeinderäte an Bodenhaftung und Praxisnähe, sagt sie. «Die Vertretung aus den Gemeinden hilft, realitätsferne Entscheide zu verhindern.» Zudem sei das Baselbiet eher zentralistisch organisiert – der Einsitz von Gemeinderäten im kantonalen Parlament sei ein «gewisses Gegengewicht».

FDP-Landrätin Nadine Jermann sieht die Initiative ihres Parteikollegen Christoph Buser kritisch. Jermann, die auch Gemeindepräsidentin von Buus und Präsidentin des Verbands Basellandschaftlicher Gemeinden ist, sagt: «Aus liberaler Sicht ist dieses Verbot abzulehnen.» Zum Kern der Demokratie gehöre, dass grundsätzlich jede Person wählbar sein müsse, wenn nicht zwingende Gründe dagegensprechen, etwa der Schutz der Gewaltenteilung. Sie ist der Ansicht, dass die praktische Erfahrung von Gemeinderäten dazu beiträgt, kantonale Gesetze alltagstauglicher zu gestalten und die Diskussion stärker auf das finanziell Machbare auszurichten. «Landräte mit Gemeindeerfahrung verstehen dank direkter Rückmeldung aus der Bevölkerung die Anliegen der Bürger besser und erkennen eher, wie kantonale Entscheide vor Ort wirken», so Jermann. Gleichzeitig verbessere Einbindung von Gemeinderäten das Verständnis zwischen Kanton und Gemeinden.

Ähnlich argumentiert SP-Landrat Thomas Noack, früherer Gemeinderat in Bubendorf. Die Zusammenarbeit zwischen Kanton und Gemeinden funktioniere besser, wenn der Sachverstand der Gemeinderäte in den Landrat einfliesse. Die Initiative lehnt er ab.

Riebli will Debatte ausweiten
Andrea Kaufmann (FDP), Landrätin, frühere Gemeindepräsidentin von Waldenburg und HEV-Mitglied, äussert sich etwas zurückhaltender: «Aus liberaler Grundhaltung heraus muss jeder selbst entscheiden, ob er oder sie als Doppelmandat Landrat/Gemeinderat in Frage kommt. Über ein formelles Verbot via Initiative soll das Volk entscheiden.» Doch auch sie sieht Vorteile in einem Doppelmandat: «Für Gemeinderäte ist es wertvoll, als Landratsmitglied Informationen vom Kanton eins zu eins zu erhalten und die Möglichkeit zu haben, Anliegen ihrer Gemeinde direkt im Landrat einzubringen und zu vertreten.» Sie habe in der Doppelrolle Gemeindepräsidentin/Landrätin keine negativen Erfahrungen gemacht.

SVP-Präsident Peter Riebli begrüsst, dass mit der HEV-Initiative das Thema Unvereinbarkeit öffentlich diskutiert wird. Er hält dabei eine breitere Perspektive für notwendig: «Interessenkonflikte gibt es nicht nur bei Gemeinderäten, sondern auch bei Kantonsangestellten und Lehrern – vermutlich sogar öfter und grössere.» Riebli findet, auch die Ausstandspflicht müsse klarer definiert werden und nicht nur bei unmittelbarer persönlicher Betroffenheit zur Anwendung gelangen. «Ich finde es zum Beispiel störend, dass Kantonsangestellte und Lehrer im Landrat über ihre eigenen Lohnerhöhungen mitbestimmen können.»

Noch ist die Initiative formell nicht zustande gekommen – dafür braucht es im Baselbiet 1500 gültige Unterschriften. Dass diese Hürde genommen wird, gilt als wahrscheinlich. Dass das Thema kontrovers diskutiert wird, zeigt sich schon jetzt.


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