«Sie verweigern jegliche Kooperation»
23.07.2024 Baselbiet, Finanzen, Politik, GesellschaftDer Leiter des Betreibungs- und Konkursamtes über Staatsverweigerer
Staatsverweigerer erschweren Behörden zunehmend die Arbeit – auch im Baselbiet. Wie sich dies konkret auswirkt, erläutert Kay Sutter, Leiter des Baselbieter Betreibungs- und Konkursamtes.
...Der Leiter des Betreibungs- und Konkursamtes über Staatsverweigerer
Staatsverweigerer erschweren Behörden zunehmend die Arbeit – auch im Baselbiet. Wie sich dies konkret auswirkt, erläutert Kay Sutter, Leiter des Baselbieter Betreibungs- und Konkursamtes.
Thomas Immoos
Herr Sutter, im Jahresbericht der Aufsichtsbehörde Ihres Amtes steht, dass die «Fälle querulatorischer Natur» zugenommen haben. Lässt sich diese Zunahme beziffern?
Kay Sutter: Genaue Zahlen gibt es nicht. Vorausschicken möchte ich eine Präzisierung: Die Zunahme betrifft weniger die eigentlichen Fälle querulatorischer Natur, also der Personen mit einer besonderen Rechtsauffassung. Die Zunahme, die wir im Jahresbericht erwähnten, geht insbesondere auf die Staatsverweigerer zurück. Und diese Zunahme entspricht einem Pensum von 40 Stellenprozenten – bei insgesamt 57 Mitarbeitenden auf dem kantonalen Betreibungs- und Konkursamt.
Wie hoch lagen diese Zahlen vor 10, 20 Jahren?
Diese Zahlen haben wir ebenfalls nicht genau erfasst. Feststellbar ist, dass seit einigen Jahren die Anzahl Verweigerer zunimmt, die den Staat nicht anerkennen und behaupten, der Staat sei eine private Firma, mit der man keine vertraglichen oder anderweitigen Vereinbarungen getroffen habe oder treffen wolle.
Wie lassen sich übliche «Querulanten» von Staatsverweigerern unterscheiden?
Querulanten werden bei uns «Personen mit einer besonderen Rechtsauffassung» genannt. Die gab es schon immer. Zugenommen haben die sogenannten Staatsverweigerer. Diese erkennt man in ihrem Verhalten, ihrer Tonalität und ihrer Argumentation. Sie verweigern die Kooperation und Kommunikation mit unseren Beamten. Erkennbar sind sie auch an ihrem roten Daumenabdruck. Zudem verweigern sie die Angabe ihres richtigen Namens oder ändern diesen, um uns die Arbeit zu erschweren.
Worauf führen Sie diese Zunahme zurück?
Es ist zu vermuten, dass seit Corona die Zahl der Staatsverweigerer zugenommen hat. Dies legt die zeitliche Nähe zwischen Corona und der Zunahme der Staatsverweigerer nahe. Ob dies zutrifft, ist aber Spekulation. Staatsverweigerer bestreiten das Recht staatlicher Organe, gegen sie tätig zu werden und Forderungen einzutreiben. Vor allem bestreiten sie das Recht des Staates, überhaupt Steuern erheben und eintreiben zu dürfen.
Ist die Zunahme an Staatsverweigerern auch in anderen Kantonen feststellbar?
Davon ist auszugehen, uns liegen jedoch keine belastbaren Zahlen von anderen Kantonen vor. Da in Liestal aber eines der grössten Betreibungsämter der Schweiz steht, ist die zunehmende Arbeitslast durch Staatsverweigerer hier besonders spürbar.
Wie geht man in solchen Fällen vor, um Forderungen einzutreiben?
Vereinzelt musste das Eintreiben von Forderungen polizeilich begleitet werden. Für renitente Schuldner wie Staatsverweigerer gibt es intern ein Dispositiv, wie man vorzugehen hat. Es kommt aber selten zur Anwendung. In der Regel verweigern die Staatsverweigerer lautstark und entschieden, den Forderungen nachzukommen und die Betreibungen entgegenzunehmen.
Welche Folgen hat dies für die betriebenen Personen?
Die Verweigerung macht die Sache für die Schuldner nur noch schlimmer. Am Schluss müssen sie sowieso bezahlen. Es droht ihnen die Zwangsvollstreckung. Das kann dazu führen, dass sie – etwa bei Mietschulden – ihre Wohnung verlassen müssen.
Gibt es auch Personen, die, wie Mietnomaden, den Kanton verlassen, wenn die Zahl der Betreibungen zunimmt?
Auch das haben wir nicht zahlenmässig erfasst. Es ist aber davon auszugehen, dass einige Schuldner einfach wegziehen. Aber es dürfte für sie schwierig werden, andernorts eine Wohnung zu finden, wenn der Vermieter einen Betreibungsregisterauszug aus dem früheren Wohnsitzkanton des potenziellen Mieters anfordert.
Müsste man das Gesetz über Schuldbetreibung und Konkurs oder andere Erlasse anpassen, um besser mit Staatsverweigerern klarzukommen?
Dazu besteht keine Veranlassung. Denn die Verfahren und Abläufe für solche Fälle sind klar geregelt. Und diese Verfahren bewähren sich ja in den meisten Fällen: Die meisten Schuldner sind einsichtig und willens, ihre Schulden zu begleichen.
Wenn Schulden nicht eingetrieben werden können – wer trägt den finanziellen Schaden?
Falls nicht die ganze Schuld eingetrieben werden kann – auch nicht durch Zwangsvollstreckung – dann erhält der Gläubiger einen Verlustschein. Damit kann er die Schulden beim Schuldner einfordern, sobald dieser wieder zu Geld kommt – häufig erfolgt dies aber erst Jahre später.