Serena Buser – die vierte Frau im Basler Hörsaal
07.11.2025 Baselbiet, PorträtEine Sissacher Ärztin, die gegen Vorurteile und Grenzen ankämpfte
Sie gehörte zu den Ersten, die Medizin studierten, als Frauen noch belächelt wurden. Serena Buser aus Sissach wurde Ärztin, Stiftungsgründerin und ein stilles Vorbild ihrer Zeit.
...Eine Sissacher Ärztin, die gegen Vorurteile und Grenzen ankämpfte
Sie gehörte zu den Ersten, die Medizin studierten, als Frauen noch belächelt wurden. Serena Buser aus Sissach wurde Ärztin, Stiftungsgründerin und ein stilles Vorbild ihrer Zeit.
Hanspeter Gautschin
Es muss ein eigentümlicher Moment gewesen sein, als Serena Buser 1897 den Hörsaal der Universität Basel betrat. Eine junge Frau zwischen lauter Männern – selbstbewusst, aufrecht, mit dem festen Willen, Ärztin zu werden. Der Professor jedoch unterbrach die Vorlesung, sah sie an und sagte: «Ich beginne nicht, bevor die Dame den Saal verlässt.» Serena erhob sich – und mit ihr alle Studenten. Schweigend verliessen sie gemeinsam den Raum.
Die Szene erzählt mehr über ihre Zeit als lange Erklärungen. Frauen an der Universität waren eine Provokation. Erst seit wenigen Jahren überhaupt «versuchsweise» zugelassen, galten sie vielen als Eindringlinge in eine Männerwelt. Doch Serena Buser, 1871 in Sissach geboren, liess sich nicht beirren. Sie war die Tochter des angesehenen Nationalrats Jakob Buser und der württembergischen Walpurga Reiser – eine Verbindung, die nicht hielt. Nach der Trennung zog die Mutter mit Serena und der jüngeren Schwester in die USA. Dort, in engen Mietzimmern, verdienten sie ihren Lebensunterhalt mit Heimarbeit. Die Schule besuchte Serena abends, nach der Arbeit. Mit 14 Jahren pflegte sie ihre kranke Mutter, bis diese starb. Danach kehrte sie nach Sissach zurück – eine Halbwüchsige mit einer Erfahrung, die sie stärker machte als viele Erwachsene.
Buser holte nach, was ihr gefehlt hatte: Matura, Lehrerinnenpatent, später das Studium. 1897 bestand sie die Matura in Zürich und schrieb sich in Basel ein. Ihre Zielstrebigkeit fiel auf. Sie promovierte 1901 über Kinderpsychosen – ein Thema, das damals kaum jemanden interessierte, ausser sie. «Kinderseelen», sagte sie einmal, «sind wie verletzte Pflanzen – man muss sie verstehen, nicht brechen.»
Sie war immer für andere da
Nach Stationen in der Friedmatt, an der Frauenklinik Dresden und im Kantonsspital Liestal lernte Buser den Chirurgen Arnold Bangerter kennen. 1905 heiratete sie ihn – und wurde damit, wie viele gebildete Frauen ihrer Generation, zur «Ärztin im Schatten». Eine eigene Praxis war als Ehefrau nicht mehr denkbar. Doch sie blieb tätig: assistierte bei Operationen, führte die Praxis während des Militärdienstes ihres Mannes und übernahm 1918 während der Grippeepidemie die Leitung des Notspitals in Biel. Drei Monate lang arbeitete sie ohne Pause. Ihre beiden Söhne sah sie kaum.
Als der Krieg vorüber war, trat auch im Leben der Sissacherin eine ruhigere Zeit ein. Sie förderte die Bildung ihrer Söhne, die später ebenfalls Ärzte wurden, und blieb zugleich für Kranke und Bedürftige in Biel eine verlässliche Ansprechperson. Mit ihrem Mann gründete sie die Bangerter-Buser-Stiftung zur Unterstützung Sehgeschädigter – ein stilles Vermächtnis, das den Geist jener Frau weiterträgt, die nie aufhören konnte, für andere da zu sein.
Serena Buser war eine Frau, die leise kämpfte, aber unbeirrbar ihren Weg ging. Streng gegen sich selbst, gütig gegen andere. Eine, die wusste, dass Mut oft darin besteht, einfach weiterzugehen. Als sie 1957 in Biel starb, war sie vergessen – wie so viele, die kamen, bevor die Welt bereit war für sie.
Künstler, Dichter, Macher und Visionäre
vs. In unserer Serie stellt Hanspeter Gautschin Menschen aus dem Oberbaselbiet vor, die einst prägend wirkten, heute aber fast vergessen sind. Es sind Künstlerinnen, Dichter, engagierte Macherinnen, stille Visionäre – ebenso wie Unternehmer, Tüftler und Gestalter der Industriewelt, die mit Innovationsgeist und Tatkraft die Entwicklung unserer Region vorantrieben. Persönlichkeiten, die das kulturelle, soziale, geistige oder wirtschaftliche Leben des Oberbaselbiets nachhaltig geprägt haben. Mit erzählerischem Gespür und einem feinen Blick für das Wesentliche lässt Gautschin diese Lebensgeschichten wieder aufleuchten – als Erinnerung, Inspiration und als Beitrag zur regionalen Identität.
Hanspeter Gautschin (1956) lebt in Oberdorf und blickt auf eine facettenreiche Laufbahn im Kulturbereich zurück. Als ehemaliger Impresario, Kulturförderer und Museumsleiter erzählt er mit Vorliebe Geschichten über Menschen, Kultur und das Leben im Alltag.

