Schminke statt Larve
05.04.2024 Sissach, Fasnacht, Bezirk Sissach, BaselbietZwei Guggen wollen die Larvenpflicht aufheben
Ein Antrag fordert eine Sissacher Fasnacht ohne traditionelle Larvenpflicht. Dafür soll es erlaubt werden, mit geschminkten Gesichtern am Umzug und am Guggenkonzert teilzunehmen. Der Vorstand der Fasnachtsgesellschaft spricht sich klar ...
Zwei Guggen wollen die Larvenpflicht aufheben
Ein Antrag fordert eine Sissacher Fasnacht ohne traditionelle Larvenpflicht. Dafür soll es erlaubt werden, mit geschminkten Gesichtern am Umzug und am Guggenkonzert teilzunehmen. Der Vorstand der Fasnachtsgesellschaft spricht sich klar dagegen aus.
Heiner Oberer
Für Zündstoff ist gesorgt. An der kommenden Generalversammlung der Fasnachtsgesellschaft Sissach (FGS) vom 19. April kommt ein Antrag zur Aufhebung der Larvenpflicht am Fasnachtsumzug und Guggenkonzert zur Abstimmung. Urheber des Antrags sind die beiden Guggen Guggä-Rugger Buus und die Ruine Geischter aus Läufelfingen. Konkret beantragen diese Folgendes: «Pflicht zum Tragen einer Larve oder einer professionellen Gesichtsbemalung.» Der Vorstand der FGS spricht sich klar dagegen aus. Er möchte verhindern, dass ein Präjudiz geschaffen wird und ist explizit der Meinung, dass an den Fasnachten in der Region Larve getragen wird.
Bis ins Jahr 2007 war das Tragen einer Larve an der Sissacher Fasnacht ein ungeschriebenes Gesetz. Weil sich aber nicht alle – unter anderem die «Guggä-Rugger Buus» – daran halten wollten oder konnten, führte die FGS 2008 eine Larvenpflicht ein. Das heisst: Die Larve muss mindestens zwei Drittel des Gesichts bedecken. Ausgenommen von der Larvenpflicht sind Gastgruppen, wie zum Beispiel die «Böögge Brätscher» aus Welschenrohr, die heuer am Umzug in Sissach mitliefen. Mit viel Fantasie setzten die «Guggä Rugger» an der Fasnacht im Jahr 2008 das Larven-Obligatorium um, indem sie eine riesige fahrende Larve bauten, unter der die gesamte Gugge spielte.
Auf Anfrage der «Volksstimme» sagt Lukas Brügger, Präsident der «Ruine Geischter», zur Aufhebung der Larvenpflicht: «Die Idee, die Larvenpflicht zu lockern, zielt nicht auf deren Abschaffung ab. Vielmehr schlagen wir vor, Ausnahmen einzuführen, von denen auch wir profitieren können.» Zudem seien die Kosten für das Schminken im Vergleich zur Anschaffung einer Larve deutlich geringer. Jedoch sei der Zeitaufwand für eine professionelle Gesichtsbemalung enorm, diesen würden sie aber in Kauf nehmen. «Darüber hinaus ist das gemeinsame Schminken vor den Auftritten und Umzügen etwas Gesellschaftliches für den Verein.» Brügger versteht die Bedenken bezüglich eines möglichen Präzedenzfalls: «Unser Anliegen ist es jedoch nicht, die Traditionen der Fasnacht grundlegend zu ändern. Es geht lediglich darum, eine gewisse Flexibilität zu ermöglichen.»
Hier hakt die Präsidentin der FGS, Rebecca Badella, ein. «Die Larvenpflicht ist unsere Tradition und diese zu wahren, sind wir vom Vorstand in der Pflicht. Wir fänden es äusserst schade, würde das Tragen einer Larve in Sissach verloren gehen.» Der Vorstand der FGS sei klar der Meinung, dass das Wegfallen einer Pflicht einen Freipass für alle darstellt, in Zukunft ohne Larve nach Sissach zu kommen. Ausnahmegenehmigungen könne und wolle man nicht einführen, denn dies gehöre nicht zu den Aufgaben der FGS. Zudem gäbe es keine fairen Kriterien, wie Ausnahmen bewilligt werden könnten. Für Badella würde mit dem Fallen der Larvenpflicht «eine wichtige Tradition der Fasnacht im Baselbiet verloren gehen». Es gelte, das Larventragen zu schützen.
Fasnächtler sind sich einig
Auch in der hiesigen Fasnachts-Szene scheinen die Meinungen mehrheitlich gemacht. So ist der Sissacher Jörg Rieder, altgedienter Fasnächtler, ob des Antrags der beiden Guggenmusiken nicht wirklich erstaunt. Beobachtet er doch seit Längerem einen Trend hin zum Schminken. Hiess es früher «Gäll, du kennsch my nit?», müsse es daher heute bei einem Teil der Guggen wohl heissen: «Gäll, du kennsch my!»
Die ehemalige Präsidentin und aktive Pfeiferin der «Rotstab-Clique Liestal», Carol Zumbrunnen, ist ebenso erstaunt über das doch etwas spezielle Ansinnen der beiden Guggen. «In Liestal sind die Bedingungen, um am Umzug teilnehmen zu dürfen, klar geregelt: Teilnahmeberechtigt sind nur Maskierte mit ganzen Larven und Kostümen.»
Roger Chrétien, Präsident der Sissacher «Söidryyber», die seit 25 Jahren (mit Larve) an der Sissacher Fasnacht aktiv sind, sagt zum Thema Schminke oder Larve: «Die Sissacher Fasnacht ist nicht nur Umzug und Guggenkonzert. Neben diesen beiden Anlässen organisiert die FGS noch zahlreiche andere Anlässe, an denen die ‹Söidryyber› aktiv dabei sind.» Darum sei er erstaunt, dass ausgerechnet zwei auswärtige Guggen, die nur punktuell an der Sissacher Fasnacht dabei sind, den Antrag stellen, zukünftig nur noch geschminkt auftreten zu wollen. «Egal, wie die Abstimmung ausfällt», sagt Chrétien, «sollten in Zukunft nur noch Geschminkte an der Sissacher Fasnacht mitmachen – die ‹Söidryyber› werden weiterhin mit Larve unterwegs sein.»
Auch in Pratteln sind die Weisungen für die am Umzug teilnehmenden aktiven Fasnächtler klar. Dort heisst es unter anderem: « … ein echter Fasnächtler zieht seine Larve auf der Umzugsroute nicht aus. (Respektlos gegenüber den Zuschauern) … ».
Obwohl es in Frenkendorf Ausnahmen gibt, ist Fabian Birchler, Präsident des Fasnachtskomitees und seit 40 Jahren aktiver Fasnächtler, klar der Meinung, dass man an der hiesigen Fasnacht eine Larve trägt. «Ich würde es nicht begrüssen, wenn plötzlich nur noch Geschminkte am Umzug teilnehmen würden. Für das gibt es die Fasnacht im Fricktal.»
Ähnlich tönt es aus Gelterkinden. Die Präsidentin der Gelterkinder Fasnacht (Gefa), Jeannette Sommer, sagt: «Bei uns gilt das ungeschriebene Gesetz, eine Larve zu tragen. So will es die Tradition und so soll es auch bleiben. Es wäre schade, würde in unserer Region das Schminken in Mode kommen.»
Jetzt sind die gegen 1400 Mitglieder der FGS aufgerufen, an der Generalversammlung ihre Meinung kundzutun. Da die Verantwortlichen der FGS mit einem grossen Aufmarsch rechnen, wurde extra die Primarturnhalle Dorf reserviert. Für Lukas Brügger ist klar: «Falls unser Antrag kein Gehör findet, werden unsere Gruppierungen gleichwohl weiterhin am Umzug und am Guggenkonzert mit einer schönen Gesichtsbemalung und natürlich mit einer Larve anzutreffen sein.»