Nach dem Umtrunk sicher nach Hause
19.12.2025 LausenKarin Schenker und Markus Baumann im Einsatz für «Nez Rouge» Weshalb fährt jemand freiwillig in Dezembernächten alkoholisierte Personen mit deren Auto nach Hause? Dafür gibt es viele gute Gründe, findet Karin Schenker. Sie ist bereits seit neun Jahren im ...
Karin Schenker und Markus Baumann im Einsatz für «Nez Rouge» Weshalb fährt jemand freiwillig in Dezembernächten alkoholisierte Personen mit deren Auto nach Hause? Dafür gibt es viele gute Gründe, findet Karin Schenker. Sie ist bereits seit neun Jahren im Einsatz, seit 2019 gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Markus Baumann.
Brigitte Keller
Die Frage, wieso sie seit Jahren in der Advents- und Weihnachtszeit für «Nez Rouge» im Einsatz sind und freiwillig Personen, die sich nicht mehr selber hinters Steuer setzen wollen respektive sollten, nach Hause fahren, die wird ihnen immer wieder gestellt. Meistens begleitet von einem Kopfschütteln. Doch diese Frage bringt Karin Schenker (41) überhaupt nicht aus dem Konzept. Für sie bietet dieses Angebot eine Fülle an Vorteilen.
Auf die Idee kam Karin Schenker durch ihre Eltern, die bereits seit bald 15 Jahren für «Nez Rouge» im Kanton Solothurn im Einsatz stehen. «Zuerst dachte ich, man kann sich nur als Zweierteam anmelden», erzählt sie. Doch das sei nicht erforderlich, denn man kann sich auch von der Zentrale zu Teams zusammenstellen lassen. Und so wurde sie vor neun Jahren Mitglied in Luzern, ihrem damaligen Wohnkanton.
Vor sechs Jahren kam auch Markus Baumann (46) dazu. Ihrem Charme und der Überzeugungskraft für die Sache – «er hat müssen» – konnte ihr Partner nicht widerstehen. Im Dezember 2019 waren sie dann zum ersten Mal gemeinsam für die sichere Heimfahrt für nicht mehr fahrtüchtige Personen im Einsatz.
Mittlerweile sind sie in Lausen zu Hause und fahren für die Region Basel (die beiden Basel und das Schwarzbubenland) mit Stützpunkt in Pratteln. Basel bildet keine eigene Sektion, sondern ist der Sektion Aargau angeschlossen, die in Lenzburg ihr Hauptquartier hat. Ein vierjähriges Pilotprojekt in dieser Form habe sich bewährt, findet Karin Schenker. Und fast genauso lange sind sie und Markus Baumann nun dort Teil der Freiwilligen. Seit drei Jahren gehören sie zum Team beider Basel/Schwarzbubenland.
Selbstbestimmt unterwegs
Man wird nicht einfach «aufgeboten», sondern trägt sich selber für die verfügbaren Abende in das digitale Anmeldetool ein, erklärt Schenker. «Man ist selbstbestimmt unterwegs.» Jeder und jede entscheidet selbst darüber, an welchen Abenden man eingesetzt werden kann. Auf Wunsch könne man auch eine Saison aussetzen und gar keine Fahrten übernehmen.Auch die Entscheidung, ob man die Kunden in deren Autos heimfahren möchte oder lieber ausschliesslich als Fahrerin oder Fahrer im Begleitfahrzeug fährt, liege bei jedem selber. Alle Varianten seien denkbar.
Hat man sich angemeldet, beginnt der Einsatz für sie immer in Pratteln. Dort, bei der Spedition Paul Leimgruber AG, steht den Fahrerinnen und Fahrern ein warmer Aufenthaltsraum zur Verfügung. Und dort stehen auch Sandwiches und Getränke bereit, die von regionalen Bäckereien und anderen Unternehmen gespendet werden. Die Wartezeit bis zum Ausrücken vertreiben sich die drei bis fünf Teams pro Abend vor Ort mit Lesen, Rätsellösen, Plaudern oder einem gemeinsamen Spiel.
Ruft jemand in der Schweiz auf die Gratisnummer an, wird der Anruf zur Zentrale des Standortkantons geleitet. Gelangt er zu «Nez Rouge Aargau» in Lenzburg, wird erfragt, wo die Person abgeholt und wo sie hingebracht werden möchte. Fällt es in das Gebiet «Basel», wird der Auftrag per SMS an das nächste bereitstehende Team gesandt. «Nimmt man den Auftrag an, quittiert man dies und bestätigt, wenn man losfährt», erklärt Markus Baumann den Ablauf. «Von unterwegs rufen wir dann etwa 15 Minuten vor unserer Ankunft an, damit sich die Person bereitmachen kann, also beispielsweise ihre Jacke suchen und sich verabschieden kann.»
«Sind wir vor Ort, schauen wir uns kurz die Reifen des Kundenautos an und kontrollieren auch, ob das Auto Schäden an der Karosserie hat. Falls das der Fall wäre, würden wir diese vor dem Losfahren dokumentieren.» Wer das Auto des Kunden im «Team Schenker Baumann» fährt, entscheiden die beiden kurzfristig vor Ort, meistens ist es Markus Baumann.
Eine Fahrt abgelehnt haben sie noch nie. Und während der ganzen neun Jahre hat sich nur eine Person im Auto – notabene im Fond ihres eigenen Fahrzeugs – übergeben müssen. Der betroffene Fahrgast hatte das Glück, dass ihm noch zwei Kollegen, die nicht so tief ins Glas geschaut hatten, zur Seite standen. Sämtliche Insassen waren froh, als sie das Ziel erreicht hatten.
Nette Gespräche
Nach Ankunft am Zielort wird die Fahrt rapportiert und ebenfalls das erhaltene Trinkgeld. «Die meisten Fahrgäste sind nur leicht angetrunken und sehr nett und vernünftig. Daraus entwickeln sich oft total spannende Geschichten», erzählen Schenker und Baumann. Man erklärt den Kundinnen und Kunden auch, wohin das Trinkgeld gespendet wird. In diesem Jahr geht es an die Organisation Frühchen und Neokinder Schweiz (www.fruehchenschweiz.ch).
Was die Lehrerin und der Buchhalter aus Lausen auch sehr schätzen, sind die monatlichen Treffen von «Nez Rouge» unter dem Jahr. «Da machen wir immer coole Sachen, wie beispielsweise Minigolf spielen oder Führungen bei Radio Basilisk oder Radio Argovia», erzählen die beiden. «Oder wir erhalten Vergünstigungen beim Besuch eines Schleuderkurses beim TCS oder für kulturelle Veranstaltungen.» Der Hauptgrund für Karin Schenkers Teilnahme am Programm ist, dass sie mit ihrem Einsatz Unfälle verhindern kann. «Springt über euren Schatten und ruft an, wir sind da.»
Wann ist «Nez Rouge» verfügbar?
bke. Die Idee «Nez Rouge» entstand 1984 in Quebec (Kanada). 1990 übernahm Dr. Jean-Luc Baierlé, Kantonsarzt im Jura, das Konzept und organisierte zusammen mit der jurassischen Liga für Suchtprävention die erste Aktion. 1991 wurde der damals aus vier Sektionen bestehende Verein «Nez Rouge Schweiz» gegründet. Für die Sektion Aargau stehen heute 900 Freiwillige, davon rund 40 in der Region Basel, im Einsatz. Ab 15. Dezember bis und mit Silvester steht der kostenlose Dienst jede Nacht zur Verfügung.
Gratistelefon 0800 802 208

