«Mit einem blauen Auge …»
29.08.2025 Baselbiet, Region, Landwirtschaft, BaselbietWeinbauern müssen nach Hagel eine Rekordernte vergessen
In einer heiklen Phase vor der Ernte sind die Weinbauern im Oberbaselbiet erneut von einem heftigen Hagelschlag getroffen worden. Jetzt hänge alles vom Wetter der kommenden Tage ab, sagen Experten.
Peter ...
Weinbauern müssen nach Hagel eine Rekordernte vergessen
In einer heiklen Phase vor der Ernte sind die Weinbauern im Oberbaselbiet erneut von einem heftigen Hagelschlag getroffen worden. Jetzt hänge alles vom Wetter der kommenden Tage ab, sagen Experten.
Peter Sennhauser
«Es sah von Anfang an nach einer Rekordernte aus», tröstet sich der Sissacher Weinbauer Dieter Imhof vom Kienberghof: «Wenn jetzt im besten Fall vielleicht 20 Prozent der Trauben wegfallen, ist es immer noch eine gute Ernte.» Der beste Fall ist der, dass in den kommenden Tagen trockenes Wetter herrscht und die vom Hagel aufgeschlagenen oder -geplatzten Weinbeeren austrocknen.
Vorgestern Mittwoch war eine Gewitterzelle mit minutenlangem Niederschlag von aussergewöhnlich grossen Hagelkörnern das Ergolztal hinauf gezogen und hatte namentlich im Bezirk Sissach für Schäden gesorgt.
Auch Esther Böhler, Mediensprecherin von «Schweizer Hagel», der genossenschaftlichen landwirtschaftlichen Hagelversicherung, hält die Grösse der Hagelkörner für aussergewöhnlich. Man habe am Hauptsitz der Versicherung die Bilder von Eisknollen mit Durchmessern von drei und mehr Zentimetern zur Kenntnis genommen.
Jetzt hängt alles vom Wetter ab
Eine Schadenabschätzung sei nicht vor kommender Woche möglich, so Böhler. Glück im Unglück sei, dass zum jetzigen Zeitpunkt die meisten Ackerbau-Produkte geerntet seien.
Für die Weinbauern aber ist dies ein heikler Moment, weil die Trauben bereits nahezu erntereif sind – «wir haben Zuckergehalte von 60 bis 65 Oechslegrad», sagt Imhof. Die aufgeplatzten süssen Beeren ziehen Insekten wie Wespen an. Schlimmer noch ist allerdings, wenn das Wetter nass bleibt und die Fäulnis in den Trauben um sich greift.
«Mit welchem Schaden wir in diesem – schlechtesten – Fall zu rechnen haben, kann ich derzeit noch nicht sagen», so Imhof. Er hofft, dass die Eisgeschosse vom Mittwoch nicht all zu viele Beeren verletzt haben: «Wir hatten zum Glück eine starke Blattwand, so dass das Laub die Trauben teils gut schützen konnte. Ich habe recht übel zugerichtete Trauben neben wunderschönen, unversehrten gefunden.» Alles in allem könnte es mit dem richtigen Wetter sein, dass «wir mit einem blauen Auge davonkommen», so Imhof.
Grosser Zusatzaufwand
Auch vorsichtig optimistisch äussert sich Daniel Wiedmer vom Zelglihof, ebenfalls in Sissach: Erstaunlicherweise scheine der Hagelschlag vom Mittwoch weniger kaputtgemacht zu haben als die beiden ersten Hagelereignisse im Frühsommer: «Wir haben bereits 50 Prozent Verlust vermeldet.» Dabei handle es sich um Beeren, die nach einem Hagelschlag wie von Imhof erklärt vertrocknet seien: Fäulnis sei aber zum Glück bisher kein Problem gewesen.
Das könnte sich jetzt ändern. Nicht nur die Menge der wegfallenden Beeren sei ein Problem, sondern der Zusatzaufwand, den die Winzer haben, wenn kurz vor der Lese noch ein solcher Schadenfall eintritt. Das Besprayen der Pflanzen mit einem Kalk, der die beschädigten Beeren austrocknet, sei nur bei trockenem Wetter möglich, so Wiedmer; wie dann bei der Ernte mit den Trauben umzugehen sei, könne er derzeit noch nicht absehen.
«Beim Weisswein sind die vertrockneten Beeren an den Trauben weniger ein Problem als beim Roten. Sie würden in der Maischegärung liegen bleiben und für unerwünschte Gerbstoffe sorgen, wenn man sie nicht aussortiert.» Eine Option sei, mehr Rosé zu produzieren. Aber in jedem Fall werde die Sönderung (die Trennung von schlechten und guten Beeren) sehr viel aufwändiger. Zwar werde er im Rahmen des festgestellten Schadens von der Versicherung entschädigt, sagt Wiedmer, «… ich hätte aber lieber die Trauben als das Geld dafür». Denn für das Geschäft mit dem Gastgewerbe, bestätigt auch Dieter Imhof, sei die erwartete Liefermenge kritisch, um im Angebot und auf der Karte zu bleiben.