«Mich reizt alles, was Frucht ist»
19.07.2024 Bezirk Liestal, Ramlinsburg, Landwirtschaft, NaturErnst Lüthi testet neue Obstkreuzungen – zum Beispiel «Aprikyra»
Neue Obstsorten und interessante Kreuzungen sind die Leidenschaft des Ramlinsburger Obstbauern Ernst Lüthi. So wachsen in seinen Obstgärten versuchsweise «Exoten» wie ...
Ernst Lüthi testet neue Obstkreuzungen – zum Beispiel «Aprikyra»
Neue Obstsorten und interessante Kreuzungen sind die Leidenschaft des Ramlinsburger Obstbauern Ernst Lüthi. So wachsen in seinen Obstgärten versuchsweise «Exoten» wie beispielsweise die «Aprikyra», eine Kreuzung aus Aprikose und Kirsche. Ein Versuch mit Beeren für einen Potenz-Most wurde zum Rohrkrepierer.
Christian Horisberger
Der Haupterwerb des Ramlinsburger Obstbaubetriebs Lüthi, des «Öpfelhüslis», sind Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen und Beeren. Darüber hinaus wachsen auf den 13 Hektaren Anbaufläche mit Indianer-Bananen, Kiwi, Feigen, Aprikosen oder Pfirsichen einige Fruchtsorten, die man im Baselbiet nicht unbedingt erwarten würde.
Seit Ernst Lüthi seinen Hof vor 20 Jahren von der Milchproduktion hauptsächlich auf den Obstbau umgestellt hat, gilt für ihn die Devise: Was hier wächst und den Kundinnen und Kunden schmecken könnte, bekommt eine Chance. «Der Innovation sind keine Grenzen gesetzt», sagt er. Durch seine Funktionen in mehreren Branchenorganisationen, die Teilnahme an vielen Seminaren sowie Reisen in alle wichtigen Obstbaunationen der Welt hat er im Inund Ausland ein grosses Beziehungsnetz aufgebaut, das ihm Zugang zu Züchtern und zu deren Neuentwicklungen verschafft.
Spricht ihn also eine Frucht an, sei es durch ihre Grösse oder Farbe, ihren Geschmack oder die Saftigkeit, durch ihre Exotik oder durch ihren Erntezeitpunkt, beschafft er beim entsprechenden Züchter eine Anzahl Bäume, um sie bei sich auf dem Hof zu pflanzen, zu hegen und zu beobachten. Dann gilt es herauszufinden, wie der Pflanze das Klima und der Boden im Oberbaselbiet bekommt, wie die optimale Bestäubung der Blüten herbeigeführt werden kann oder wie viel und welcher Pflanzenschutz nötig ist. All seine Erkenntnisse rapportiert Lüthi an die Züchter. Von der Partnerschaft profitieren beide: Der Obstbauer kann im Falle eines Erfolgs die Früchte in den Verkauf bringen und so sein Sortiment erweitern, und er hat gegenüber der Konkurrenz einen Vorsprung. Der Züchter wiederum weiss seine Pflanzen in der Obhut eines Fachmanns. Manche Züchter arbeiteten lieber mit privaten Obstbaubetrieben zusammen, da sie weniger schwerfällig seien als staatliche Forschungsinstitute, fügt Lüthi an.
Aprikose mit Kirsche
An einem Waldrand in Ramlinsburg, umgeben von einem brusthohen Zaun, testet Ernst Lüthi unter anderem eine Obstsorte, die unter dem Namen «Aprikyra» patentiert worden ist. Es handelt sich um eine gentechnikfreie Kreuzung aus Aprikose und Kirsche. Die Bäume stammen von einem deutschen Züchter; Lüthi ist der einzige Schweizer Obstbauer, der am Feldversuch beteiligt ist.
«Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass Coop oder die Migros auf so etwas einsteigen würden», sagt er. Er aber sei neugierig auf den Geschmack der Kreuzung: «Alles, was Frucht ist, reizt mich. Immer wenn ich etwas Neues entdecke, versuche ich, daran zu kommen.» Das Arbeiten mit Neuentwicklungen diene dem Betrieb, sei für ihn zusätzlich aber auch ein Hobby.
Vier Jahre ist es her, dass der Ramlinsburger die «Aprikyra»- Bäume gepflanzt hat.Vier schlechte Jahre. Wegen Spätfrost und schwacher Bestäubung seien in den drei ersten Jahren nur einzelne Früchte reif geworden, berichtet Lüthi. Dieses Jahr wurden die blühenden Bäume zwar von Frost verschont und die Blüte war zufriedenstellend, doch hängen wegen Nässe und Kälte kaum noch Früchte an den Ästen der Jungbäume. Man kann sie an einer Hand abzählen. Diese sind momentan grün bis leicht rötlich. Laut Angaben des Züchters wird die «Aprikyra» Ende Juli/Anfang August reif. Ihre Farbe ist bei der Ernte rot bis dunkelviolett, sie ist grösser als eine Kirsche und kleiner als eine Aprikose und hat die Form einer Kirsche. Die Haut ist glatt. Im Geschmack überwiegt die Aprikose, die Frucht ist süss und aromatisch.
So verführerisch die Beschreibung klingen mag – Lüthi stellt der «Aprikyra», gewachsen im Baselbiet, eine mässig gute Prognose. Dies nicht nur wegen des missglückten Starts. In der Blüte sei sie noch schwieriger als die bereits heikle Aprikose, ausserdem anfällig auf die Pilzkrankheit Monilia. Im Moment lässt er offen, ob er den Test abbrechen und etwas Neues ausprobieren wird. Die Erfahrung lehre ihn: «Besser, man beendet ein Experiment frühzeitig, als dass man sich viele Jahre darüber ärgert.»
Ist ein Versuch erfolgreich, entscheidet über das Sein oder Nichtsein einer Frucht im Öpfelhüsli-Sortiment im Endeffekt die Nachfrage, sagt Lüthi. Sein persönlicher Geschmack sei von untergeordneter Bedeutung. So hätte er vor zehn Jahren kaum Tellerpfirsichbäume gepflanzt, wenn es nach seinem eigenen Gusto ginge. «Wir haben sechs Pfirsichsorten, und die flachen haben für mich am wenigsten Geschmack», sagt er. Aber bei den Konsumenten gehe der Tellerpfirsich so richtig ab.
Trotz der Beliebtheit der flachen Pfirsiche droht den Bäumen in Ramlinsburg die Motorsäge: In der Mulde beim Stielansatz der Frucht sammelt sich bei Regen das Wasser, was die Früchte aufspringen oder faulen lassen kann. Für einen sicheren Ertrag wäre eine Überdachung der Bäume notwendig. Dies aber würde die Produktionskosten so sehr verteuern, dass sich der Anbau nicht mehr lohne.
Potenz-Most anstatt Viagra
Der totale Schlag ins Wasser seien Goji-Beeren gewesen, erinnert sich Lüthi und schüttelt lachend den Kopf: 15 Jahre müsse es her sein, dass er sich mit einigen anderen Obstbauern zusammen tat, um mit den modischen Goji-Beeren das grosse Geld zu machen. Import-Ware aus China sei in Drogerien für bis zu 25 Franken das Kilo verkauft worden, erzählt Lüthi. «Wir wollten eine Mischung aus den Beeren und Most als Aufmunterungsgetränk für Männer herausbringen: Potenz-Most anstatt Viagra …» Doch hätten die hiesigen Böden dem Strauch nicht behagt und er sei äusserst anfällig auf Mehltau gewesen. Das Unterfangen sei nach acht Jahren aufgegeben worden, die Büsche hat Lüthi mit wenigen Ausnahmen ausgerissen. Nach ihm und seinen Compagnons habe ein anderer Obstbauer in der Region – mit staatlicher Unterstützung – ebenfalls sein Glück mit der «Multifunktions-Beere» versucht, so Lüthi – und sei ebenfalls gescheitert.
Nebst solchen Rohrkrepierern gab es für den 60-jährigen Landwirt auch etliche äusserst erfolgreiche Tests mit neuen Obstsorten. «Mehrere neue Zwetschgensorten hatten wir als erste gepflanzt, eine davon, ‹Dabrovice›, ist heute eine unserer Hauptsorten. Auch einige Kirschensorten wie Vanda oder Satin wuchsen nirgendwo so früh wie bei uns.» Grosse Hoffnungen setzt Lüthi in eine späte Kirschensorte, die er aktuell testet. Im Fall eines Erfolgs könnte dies die Kirschenernte um zwei Wochen verlängern. Wirtschaftlich wäre eine solche Frucht ein Volltreffer.