Mehr Druck, Komplexität und Hinterfragen
30.05.2024 Baselbiet, Gemeinden, BaselbietWarum steigen die Fallzahlen bei der Ombudsstelle weiter an?
Die Anzahl Fälle bei der Ombudsstelle Baselland hat im vergangenen Jahr erneut deutlich zugenommen. Das sei nicht nur ein negatives Zeichen, sagen die Ombudsfrauen Béatrice Bowald und Vera Feldges.
...Warum steigen die Fallzahlen bei der Ombudsstelle weiter an?
Die Anzahl Fälle bei der Ombudsstelle Baselland hat im vergangenen Jahr erneut deutlich zugenommen. Das sei nicht nur ein negatives Zeichen, sagen die Ombudsfrauen Béatrice Bowald und Vera Feldges.
Tobias Gfeller
Seit der Corona-Pandemie hat sich die Stimmung in der Bevölkerung verändert. Die Zündschnur ist bei vielen Menschen kürzer, die Aufregung schon bei kleinen Vorfällen entsprechend schneller und grösser. Demzufolge überrascht es auf den ersten Blick nicht, dass die Fallzahlen bei der Ombudsstelle Baselland, die Fälle bei Gemeinden und Kanton bearbeitet, auch im vergangenen Jahr deutlich angestiegen sind.
Diese Tendenz hält auch im ersten Quartal 2024 an und entspricht einem allgemeinen Trend bei den parlamentarischen Ombudsstellen der Schweiz, wobei die Fallzahlen im Kanton Baselland überdurchschnittlich stark angestiegen sind. Drei Viertel der Fälle betreffen Beschwerden der Bevölkerung gegen die Verwaltungen von Gemeinden und Kanton. Ein Viertel betrifft Konflikte von Mitarbeitenden des Kantons und der Gemeinden an ihrem Arbeitsplatz.
Rechtsstreitigkeiten verhindern
Die beiden Baselbieter Ombudsfrauen Béatrice Bowald und Vera Feldges sehen in der Pandemie nicht die einzige Ursache für die Fallzunahme. Diese habe auch mit der aktuellen Weltlage mit gleich mehreren Krisen sowie der allgemein gestiegenen Komplexität in der Verwaltung zu tun. Die Gesellschaft sei nicht per se rauer geworden.
Nur negativ dürfe man die Fallzunahme nicht sehen, im Gegenteil, finden Béatrice Bowald und Vera Feldges. «Dass sich mehr Menschen – aus der Bevölkerung und Mitarbeitende von Verwaltungen – an uns wenden, zeigt auch, dass die Ombudsstelle bekannter geworden ist, was positiv ist.» Die Ombudsstelle hat die Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger bei Problemen mit der Verwaltung kostenlos zu beraten, sie beim Zugang zum Recht zu unterstützen und das Verwaltungshandeln auf Recht- und Zweckmässigkeit zu überprüfen. Ihr Ziel ist es, einvernehmliche Lösungen zu finden und Rechtsstreitigkeiten zu verhindern. Durch unbürokratische Lösungen würden Ressourcen gespart und das Vertrauen der Bevölkerung in die Verwaltung gestärkt.
Die Zunahme der Fallzahlen habe auch damit zu tun, dass Verwaltungsangestellte und die Bevölkerung mehr über ihre Rechte Bescheid wüssten und diese auch selbstbewusster einforderten. «Man nimmt eine gefühlt ungerechte Behandlung nicht mehr einfach hin, wie es vielleicht vor einigen Jahren der Fall war», sagt Vera Feldges und führt als Beispiel das veränderte Verhältnis der Eltern gegenüber der Schule an. Das bedeute aber nicht, dass die Beschwerde in jedem Fall gerechtfertigt ist. Es sei dann Aufgabe der Ombudsstelle, dem nachzugehen.
Dass Konflikte beim Personal in Verwaltungen zugenommen haben, führen Béatrice Bowald und Vera Feldges auch auf den gestiegenen Druck infolge knapper gewordener Ressourcen zurück. Es werde mehr verlangt und die Aufgaben würden komplexer, die Ressourcen dafür, sprich die finanziellen Rahmenbedingungen und damit das vorhandene Personal, werden knapper, gerade bei den Gemeinden.
Dass die Fallzahlen an den Schulen zugenommen haben, hänge primär mit einem Vorstoss im Landrat zusammen. Regierung und Parlament haben beschlossen, die Ombudsstelle als Anlaufstelle bei Konflikten an den Schulen bekannter zu machen. Ziel war es, mit der Vermittlung durch die Ombudsstelle rechtliche Konflikte zu verhindern, da heute vonseiten der Eltern schneller mit dem Anwalt gedroht werde, wie Béatrice Bowald sagt.
Entscheidungen öfter hinterfragt
Bei den Fällen, in denen sich Eltern an die Ombudsstelle wenden, gehe es beispielsweise um Übertrittsentscheidungen, Mobbing oder die Integration von Kindern mit Einschränkungen. Hier sei der gesellschaftliche Trend spürbar, dem Individuum gerechter zu werden, führt Béatrice Bowald aus. Entscheidungen würden eher hinterfragt und weniger schnell akzeptiert. Eltern machten sich heutzutage generell grössere Sorgen um die berufliche Laufbahn ihrer Kinder als früher, ergänzt Vera Feldges.
Mit der Stärkung der Ombudsstelle haben Regierungsrat und Landrat den richtigen Weg eingeschlagen. Die Statistiken sprechen für sich. Von den im vergangenen Jahr insgesamt durch die Ombudsstelle durchgeführten 61 Beschwerdebehandlungen waren 24 Prozent erfolgreich und 15 Prozent teilweise erfolgreich. Von 28 Vermittlungen waren mehr als 80 Prozent erfolgreich oder teilweise erfolgreich.
Gemäss Béatrice Bowald und Vera Feldges gibt es nur eine kleine Anzahl Personen, die gar keine Lösungen wollen. In solchen Fällen könnten selbst die engagiertesten Ombudsfrauen nichts ausrichten. Denn ganz von der Hand zu weisen ist es nicht, dass in den letzten Jahren das Vertrauen in die Verwaltungen und in die Schulen in gewissen Teilen der Bevölkerung abgenommen hat.