Lina Maier – Mitbegründerin des Frauenstimmrechts im Baselbiet
11.11.2025 Baselbiet, PorträtEine fast vergessene Pionierin der politischen Gleichstellung
Sie war Bäckerstochter, Schneiderin, Journalistin – und eine der Ersten, die im Baselbiet das Frauenstimmrecht forderten. Lina Maier-Mutschler setzte sich unermüdlich für die politische Teilhabe der Frauen ...
Eine fast vergessene Pionierin der politischen Gleichstellung
Sie war Bäckerstochter, Schneiderin, Journalistin – und eine der Ersten, die im Baselbiet das Frauenstimmrecht forderten. Lina Maier-Mutschler setzte sich unermüdlich für die politische Teilhabe der Frauen ein.
Hanspeter Gautschin
Als Lina Maier-Mutschler 1900 in Basel geboren wurde, ahnte niemand, dass sie zu den Vorkämpferinnen des Frauenstimmrechts gehören würde. Aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen in Gelterkinden, Tochter eines früh verstorbenen Bäckers und einer tatkräftigen Mutter, lernte sie früh, was es heisst, sich durchs Leben zu kämpfen. Eine Kinderlähmung hinterliess ihr ein steifes Bein – doch auch einen unbeugsamen Willen.
Schon als junge Frau zeigte sich ihr wacher Geist. Sie schrieb für Zeitungen und Zeitschriften wie die «Volksstimme», den «Landschäftler», den «Basler Tages-Anzeiger», die «National-Zeitung», die «Schweizer Hausfrau» und das «Schweizer Frauenblatt». Sie verfasste pointierte Berichte und Kommentare, die Aufmerksamkeit fanden. Als sie 1928 zum Ferienkurs des Schweizerischen Stimmrechtsverbands nach Rapperswil reiste, traf sie auf führende Vertreterinnen der Frauenbewegung: Elisabeth Thommen, Elisabeth Zellweger und Elisabeth Vischer-Alioth. Letztere drängte sie, im Baselbiet einen eigenen Stimmrechtsverein zu gründen – und sie wusste, wer die Richtige war.
So wurde Lina Mutschler, damals 28-jährig, Mitbegründerin der Vereinigung für Frauenstimmrecht Baselland. In der «Volksstimme» berichtete sie 1929 von der ersten Mitgliederversammlung. Für eine Schneiderin aus einfachen Verhältnissen war das ein kühner Schritt – und ein Wagnis. Doch Lina Mutschler hatte das Talent, zu überzeugen: mit klarer Sprache, geradem Rückgrat und einer Ausstrahlung, die andere mitriss.
Streng, aber charmant
Ihr Lebensweg war nicht leicht. Als Ausländerin – ihr Vater war Deutscher – durfte Lina Mutschler in der Schweiz lange nicht eingebürgert werden. Mehrfach verlor sie Anstellungen, weil sie «den falschen Pass» besass. Erst am 30. Mai 1933 konnte sie sich für stolze 1800 Franken in Basel einbürgern lassen. Dennoch kämpfte sie unbeirrt für ein Recht, das ihr selbst als Ausländerin gar nicht zustand: das Frauenstimmrecht. Sie tat es aus Überzeugung – und aus Respekt vor ihrer Mutter, die ihr «den Boden unter die Füsse gegeben» hatte. Ihre Texte und Reden zeugten von Mut und Bildung, ihr Auftreten von Selbstbewusstsein. Sie konnte streng sein, aber auch charmant. Sie verlangte Honorare für ihre Artikel, liess sich nicht kleinreden, und wer sie zu bremsen versuchte, erhielt eine klare Antwort. Ihr Ehemann Ernst Maier unterstützte sie bedingungslos – fuhr sie zu Vorträgen und sass im Publikum, stolz auf seine Frau.
1971, im Alter von 71 Jahren, durfte Lina Maier-Mutschler zum ersten Mal an die Urne treten. Ein Moment, den sie kaum für möglich gehalten hatte. Sie war eine der wenigen frühen Aktivistinnen, welche die Früchte ihres jahrzehntelangen Engagements noch erleben durften.
Als sie 1997 im Alter von 96 Jahren starb, erinnerte sich kaum jemand daran, dass die Bewegung im Baselbiet ohne sie wohl nicht entstanden wäre. Doch in Wahrheit war sie es, die dem Anliegen ein Gesicht gab – nicht laut, aber entschlossen. Eine Frau, die nie reich wurde, aber reich an Haltung war.
Künstler, Dichter, Macher und Visionäre
vs. In unserer Serie stellt Hanspeter Gautschin Menschen aus dem Oberbaselbiet vor, die einst prägend wirkten, heute aber fast vergessen sind. Es sind Künstlerinnen, Dichter, engagierte Macherinnen, stille Visionäre – ebenso wie Unternehmer, Tüftler und Gestalter der Industriewelt, die mit Innovationsgeist und Tatkraft die Entwicklung unserer Region vorantrieben. Persönlichkeiten, die das kulturelle, soziale, geistige oder wirtschaftliche Leben des Oberbaselbiets nachhaltig geprägt haben. Mit erzählerischem Gespür und einem feinen Blick für das Wesentliche lässt Gautschin diese Lebensgeschichten wieder aufleuchten – als Erinnerung, Inspiration und als Beitrag zur regionalen Identität.
Hanspeter Gautschin (1956) lebt in Oberdorf und blickt auf eine facettenreiche Laufbahn im Kulturbereich zurück. Als ehemaliger Impresario, Kulturförderer und Museumsleiter erzählt er mit Vorliebe Geschichten über Menschen, Kultur und das Leben im Alltag.

