Kunststoff-Granulate nach geheimer Rezeptur
22.03.2024 Bezirk Sissach, Wirtschaft, Bezirk Sissach, SissachPolycompound mit neuem CEO und erweiterten Produktionsanlagen
Das Sissacher Unternehmen Polycompound stellt für seine Kunden Kunststoff-Granulate her, aus denen dann Produkte und Komponenten werden. Qualität, Flexibilität, Zuverlässigkeit und ...
Polycompound mit neuem CEO und erweiterten Produktionsanlagen
Das Sissacher Unternehmen Polycompound stellt für seine Kunden Kunststoff-Granulate her, aus denen dann Produkte und Komponenten werden. Qualität, Flexibilität, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit sind die Erfolgsfaktoren.
Robert Bösiger
Wer von Thürnen Richtung Sissach spaziert – oder umgekehrt –, dem fallen womöglich die modernen Gebäude auf, die unmittelbar an die Nebiker AG angebaut sind. «Polycompound» steht da in grossen Lettern am Gebäude. Was diese Firma wohl herstellt?
Am besten fragen wir Jan Schweizer, den 37-jährigen, frischgebackenen CEO des Unternehmens. Seine Antwort: «Wir stellen Kunststoff-Mischungen her im Auftrag unserer Kunden. Dazu vertrauen uns die Kunden eines ihrer wertvollsten Geheimnisse an, nämlich die Rezepturen dieser Mischungen. Anhand dieser Rezepturen mischen wir die Zutaten und stellen die entsprechenden Granulate her, damit die Kunden daraus ihre Produkte herstellen können.»
Rohstoffe zusammenmischen also. Klingt einfach, doch das ist es nur auf den ersten Blick. Denn die Kunden gelangen mit Wünschen und grossen Erwartungen an Polycompound. Zum Beispiel, dass eine Mischung möglichst leicht oder möglichst gut recycelbar sein muss. Gemäss Thomas Manetsch (62), Mitbesitzer und Verwaltungsrat, ist es eine der entscheidenden Stärken von Polycompound, sich solchen Herausforderungen stellen zu können.
Vertrauen als wichtiges Gut
Die Rezepturen, so Manetsch, gehörten den Kunden. «Sie vertrauen uns und wissen, dass wir vom Know-how her in der Lage sind, in qualitativer Hinsicht – mit ihnen zusammen – das Ganze unter strengster Geheimhaltung umzusetzen.» Ja, die Geheimhaltung. Diese gehört zu jenen Prinzipien, denen Polycompound konsequent nachlebt.
Manetsch: «Man muss wissen: Wenn eine Rezeptur entwickelt wird, kostet das sehr viel Geld und Zeit. Wenn wir das Vertrauen missbrauchen würden, entstünde für unsere Kunden ein immenser Schaden – und uns gäbe es höchstwahrscheinlich nicht mehr.» Deshalb würden alle Mitarbeitenden die Werte Qualität und Geheimhaltung leben. Jan Schweizer ergänzt diese Werte noch mit dem Prinzip Flexibilität.
Die Mitarbeitenden seien das wertvollste Kapital des Unternehmens, sind sich Manetsch und Schweizer einig. «Viele Firmen behaupten das von sich – bei uns ist es so!» Die derzeit bis 75 Mitarbeitenden finde man nicht so einfach auf dem Arbeitsmarkt, erklärt Manetsch. Diese werden innerbetrieblich ausgebildet: «Es sind oft junge Leute, die vielleicht anfänglich etwas Mühe hatten auf ihrem Berufsweg. Wir geben diesen Leuten eine Perspektive, bilden sie von Grund auf aus.»
Auf diese Weise fange zum Beispiel jemand als Beschicker an (einer also, der die Rohstoffe einfüllt) und werde dann mit der Zeit Maschinenführer mit grosser Verantwortung. Manetsch: «Wenn jemand will, das nötige Herzblut mitbringt und Freude an der Arbeit hat, kann er sich bei uns entfalten, sogar in Führungsfunktionen hineinwachsen.» So wie der Liestaler Jan Schweizer, der seit acht Jahren in Diensten der Polycompound und nun neu an deren Spitze steht.
Der Grossteil des Mitarbeiterstabs stammt übrigens aus Sissach oder der näheren Umgebung. Einige sind auch Grenzgänger aus Südbaden oder dem Elsass, die hier ihr Auskommen finden.
Wachsen und ausbauen
1988 hat die Polycompound auf dem Areal der Nebiker AG mit vier Mitarbeitenden und einer Mischanlage begonnen. Seither hat sich das Unternehmen stetig und erstaunlich rasch entwickelt. «Bis hin zu einem europaweit führenden Compounder», wie Manetsch sagt. Immer wieder musste der Maschinenpark erweitert und modernisiert werden, zuletzt vor wenigen Monaten mit dem Neubau des Produktions- und Lagergebäudes sowie der Modernisierung des Maschinenparks mit der Inbetriebnahme einer neuen Anlage.
Bei diesem Ausbau habe man grossen Wert auf die Nachhaltigkeit gelegt, berichtet Jan Schweizer: Eine Photovoltaikanlage versorgt den Betrieb mit Energie: «Wir sind der zweitgrösste Stromverbraucher in Sissach und dennoch arbeiten wir CO2-neutral, verbrennen weder Öl noch Gas.» Die Abwärme wird genutzt, um die Gebäude zu heizen.
Aufgrund dieser Investitionen rückt die Frage nach dem Standort in den Hintergrund. Thomas Manetsch räumt ein, dass man sich in der Geschäftsleitung die Frage hat stellen müssen, ob Sissach angesichts des grösseren Platzbedarfs (noch) der richtige Standort sei. «Doch letztlich haben wir uns für Sissach entschieden und konnten dank guter Zusammenarbeit mit der Nebiker AG ausbauen und erweitern.»
Dank des fertiggestellten Ausbaus und der innovativen Kneter-Anlagen ist Polycompound in der Lage, die Kapazität um gut 2000 Tonnen jährlich zu erweitern und der wachsenden internationalen Nachfrage gerecht zu werden. Schweizer beziffert den Exportanteil der produzierten Kunststoff-Compounds auf 60 bis 70 Prozent.
Kunststoff mit vielen Vorteilen
Bei Polycompound ist man sich sehr bewusst, dass Kunststoffe teilweise über ein zweifelhaftes Image verfügen. Deshalb setze das Unternehmen alles daran, um umweltverträglich und nachhaltig zu produzieren. So lasse man sich jährlich in verschiedenster Hinsicht zertifizieren und prüfen. «Wir beschäftigen uns ständig mit solchen Fragen», sagt Jan Schweizer. Gleichzeitig sei der Kunststoff «eine der wichtigsten Schlüsseltechnologien, damit wir überhaupt in die Nähe einer Energiewende kommen», versucht Schweizer die Ehre des Stoffes zu retten.
Er verdeutlicht mit einem Beispiel: «Wenn wir ein Auto oder ein Smartphone ausschliesslich aus Metall bauen, dann klingt das im ersten Moment toll, auch weil Metall sich in etwa gleich gut rezyklieren lässt wie Kunststoff. Aber das Gewicht ist eben auch ein bedeutender Faktor, und Gewicht braucht Energie – das kann nicht in unserem Interesse liegen.» Deshalb, so Schweizer, sei Kunststoff ein innovativer Stoff mit vielen positiven Seiten.
Seniorchef Manetsch ergänzt: «Das Schöne am Kunststoff ist, dass wir meistens bei der Entwicklung von Rezepturen dabei sind. Wir arbeiten mit europäischen Grosskunden sowie mit Fachhochschulen und Instituten zusammen, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben haben. So sind wir massgeblich daran beteiligt, laufend Verbesserungen zu realisieren.» Er gibt ein konkretes Beispiel: «Da kommt ein Konzern und sagt: Für diese Mischung haben wir 15 oder 20 Rohstoffe, die gemischt werden müssen. Einer dieser Rohstoffe wird demnächst auf eine Liste der kritischen Stoffe kommen, aus welchen Gründen auch immer. An diesem Punkt erkennen wir, dass der Konzern dieses Thema ernst nimmt und dass wir als Polycompound bei diesem Prozess dabei sind, um eine bessere, nachhaltigere und ökologischere Lösung zu erreichen.»
Polycompound ist also gut unterwegs: Braucht sie deshalb keine Konkurrenz zu fürchten? «Nein», sagt Jan Schweizer und begründet: «Firmen, die mischen können, gibt es zwar einige. Aber jemand, der so konsequent und kompromisslos die Lohnfertigung verfolgt wie wir, gibt es nicht in Europa. Zudem sind wir spezialisiert auf komplexe Aufträge. Wir sind einzigartig und so gesehen beinahe konkurrenzlos.»
Herr Schweizer, Herr Manetsch, wo sehen Sie Polycompound in zehn Jahren? Dazu Jan Schweizer: «Die Ideen, wie Polycompound in die Zukunft geführt wird, sind vorhanden: Der Maschinenpark wird laufend modernisiert, auch die Arbeitsorganisation wird erneuert. So werden wir auch in 10 Jahren die richtigen Lösungen haben, weil wir agil und flexibel sind.» Und Thomas Manetsch: «Unsere Firma ist gesund und anpassungsfähig. Ich denke, der Standort Sissach wird eine gute Zukunft haben.»
Meilensteine
1988 Die vierköpfige Gründergruppe übernimmt von der Prattler Firma Buss einen Ko-Kneter. Einen Standort für die Produktion findet sie in den Räumlichkeiten der Agrarerzeugnisse-Firma Nebiker AG in Sissach.
1998 Bis zum 10-Jahre-Firmenjubiläum sind drei weitere Produktionslinien installiert. Die jährliche Produktionskapazität steigt auf über 5000 Tonnen. Um den Anforderungen im Markt gerecht zu werden, wird ein neues Produktions- und Lagergebäude in Betrieb genommen.
2014 Das Technikum wird erweitert, um den Kunden den bestmöglichen Support bieten zu können. Die Produktionskapazität liegt bei 9000 Tonnen.
2022/23 Polycompound nimmt schrittweise ihr neues Produktionszentrum in Betrieb. Auf mittlerweile sieben Produktionslinien können jährlich bis zu 12 000 Tonnen Kunststoff-Compounds hergestellt werden.
2024 Jan Schweizer, zuletzt Leiter Geschäftsentwicklung, übernimmt von Thomas Manetsch die Geschäftsführung als CEO.