Kitas fürchten um ihr Personal
28.03.2024 Bezirk Liestal, ZunzgenErwartet wird ein Sog nach Basel, wo die Löhne erhöht werden
Kindertagesstätten beklagen schon länger einen Fachkräftemangel. Ab August dürfte sich dieser im Baselbiet wegen der verbesserten Arbeitsbedingungen für Kita-Personal in Basel-Stadt ...
Erwartet wird ein Sog nach Basel, wo die Löhne erhöht werden
Kindertagesstätten beklagen schon länger einen Fachkräftemangel. Ab August dürfte sich dieser im Baselbiet wegen der verbesserten Arbeitsbedingungen für Kita-Personal in Basel-Stadt akzentuieren. Rahel Jäger von der Kita Zwärgehuus in Zunzgen kämpft an vorderster Front für erhöhte Beiträge der öffentlichen Hand im Landkanton.
Andreas Hirsbrunner
Bei den Baselbieter Kindertagesstätten (Kitas) herrscht Alarmstimmung. Davon zeugen Schreiben an Behörden und Verbände sowie ein Gespräch von Kita-Vertreterinnen mit Regierungsrätin Kathrin Schweizer von vergangener Woche. Grund dafür sind mehrere Neuerungen in Basel-Stadt auf kommenden August, welche die Betreuungsqualität der Kinder sowie die Arbeitsbedingungen des Personals verbessern. Sorgen macht dabei den hiesigen Kitas vor allem ein Punkt: Kitas, die vom Kanton Basel-Stadt Betreuungsbeiträge erhalten, müssen ihr Personal künftig analog den Bedingungen, wie sie für die Tagesstrukturen der Volksschulen gelten, entlöhnen.
Das heisst, pädagogisch ausgebildete Personen erhalten ein Gehalt gemäss Lohnklasse 10 beim Kanton, solche ohne pädagogische Ausbildung gemäss Lohnklasse 7. Bei Letzterer entspricht der Minimallohn für Neueinsteiger 3942 Franken, in der Klasse 10 deren 4617.50 Franken pro Monat (ohne 13. Lohn). Mit etwas Berufserfahrung darf in der Klasse 7 mit 4400 Franken, in der Klasse 10 mit 5200 Franken und mehr gerechnet werden. Weil dadurch die Personalkosten bei den Basler Kitas steigen, erhöht der Kanton seine Betreuungsbeiträge.
Gemeinden als Rettungsanker
Rahel Jäger, Leiterin der Kindertagesstätte Zwärgehuus in Zunzgen, hat vor diesem Hintergrund vor ein paar Monaten zusammen mit vier anderen Leiterinnen von insgesamt neun Kitas die «Kita Allianz BL» gegründet und wurde mit dieser Interessengemeinschaft bei den Behörden vorstellig. Sie sagt: «Im Sommer werden viele ausgebildete Fachkräfte nach Basel abwandern, weil sie dort je nach Alter zwischen 500 bis 1000 Franken pro Monat mehr verdienen werden. Wir können bei diesen Löhnen nicht mithalten, weil wir weniger Subventionen als die Kitas in Basel erhalten. Wir brauchen unbedingt Hilfe von der öffentlichen Hand.» Denn ausgebildetes Kita-Personal sei Mangelware und die Abgänge könnten kaum ersetzt werden, was im schlimmsten Fall zur Schliessung von Kitas im Baselbiet führen werde. Derzeit gibt es im Kanton Baselland laut Auskunft der Bildungsdirektion 103 bewilligte Kitas mit insgesamt 3048 Plätzen.
Eine Hoffnung von Rahel Jäger und der «Kita Allianz BL» hat sich mittlerweile bereits verflüchtigt: «Regierungsrätin Kathrin Schweizer hat uns im persönlichen Gespräch dargelegt, dass der Kanton uns mangels gesetzlicher Grundlagen nicht kurzfristig helfen kann. Langfristig sieht es besser aus.»
Das aktuell gültige Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung (FEB) sieht die Gemeinden in der Pflicht. Sie haben dabei die Möglichkeit, Erziehungsberechtigte direkt mit Beiträgen zu unterstützen oder Beiträge an Kitas zu leisten, sodass diese einkommensabhängige Tarife anbieten können. Für die Kitas bedeutet das nun in ihrer jetzigen Not, Verhandlungen mit den jeweiligen Gemeinden zu führen. So steht zum Beispiel Rahel Jäger, die in ihrer Kita sieben ausgebildete Fachfrauen Betreuung beschäftigt, zusammen mit zwei weiteren Kita-Leiterinnen in Sissach und Zunzgen derzeit in Verhandlungen mit den zuständigen Gemeinderätinnen der beiden Dörfer.
Künftig soll auch Kanton zahlen
In Zukunft soll die Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung im Kanton umgekrempelt werden, sofern Parlament und Volk zustimmen. Das ist eine Folge der im Jahr 2021 von der SP eingereichten Initiative «Gebührenfreie Kinderbetreuung für alle Familien». Der Landrat beauftragte vor etwas mehr als einem Jahr die Regierung äusserst knapp, einen Gegenvorschlag zur Initiative auszuarbeiten; die Umsetzung der Initiative selbst veranschlagt die Regierung auf jährlich 173 Millionen Franken und lehnt sie ab. Federführend beim Geschäft ist Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer.
Zur Stossrichtung des Gegenvorschlags sagt sie auf Nachfrage: «Dieser wird in einem umfassenden Projekt zusammen mit den Gemeinden erarbeitet. Der Kanton prüft derzeit eine erstmalige finanzielle Beteiligung in diesem Bereich. Ein solches Engagement bedingt auch die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage.»
Zum Zeitplan will sich Schweizer nicht äussern, sondern verweist lediglich darauf, dass der Landrat die Behandlungsfrist der Initiative um zwei Jahre bis August 2025 verlängert habe. Die Sorgen der Kita-Leiterinnen teilt Schweizer ein Stück weit: «Die Kitas sind bereits seit einiger Zeit vom Fachkräftemangel betroffen. Es ist durchaus möglich, dass die besseren Arbeitsbedingungen im Kanton Basel-Stadt die Situation weiter verschärfen.» Die konkreten Auswirkungen seien aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzbar.
Kitas stecken in Teufelskreis
Und was rät die SP-Regierungsrätin den besorgten Kita-Leiterinnen im Hinblick auf kommenden Sommer? «Die aktuellen gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen wie Teuerung und Fachkräftemangel werden sich auf die Kitas auswirken. Lassen sich diese Entwicklungen kurzfristig im bestehenden Subventionsmodell der Gemeinden nicht auffangen, hätte ich Verständnis dafür, wenn die Kitas die Elterntarife anheben. Dies trotz der negativen Auswirkungen auf die Attraktivität des Angebots und die wirtschaftliche Situation der Eltern.» Rahel Jäger meint dazu: «Generell sind die Baselbieter Kitas finanziell schon jetzt am Anschlag. Unsere Kita hat die Preise Anfang Jahr bereits um 5 Prozent erhöht, um die Mietzinserhöhung und die Teuerung aufzufangen. Wenn wir von den Gemeinden jetzt nicht mehr Unterstützung erhalten, müssen wir in der Tat eine weitere Tariferhöhung in Betracht ziehen.»
Um mit Basel-Stadt bei den Löhnen gleichzuziehen, müssten die Baselbieter Kitas um die 20 Prozent aufschlagen. Das habe eine Hochrechnung der «Kita Allianz BL» gezeigt. Jäger sieht eine Art Teufelskreis: «Wer seine Kinder von einer Kita betreuen lässt, zahlt jetzt schon viel. Wenn wir die Tarife erhöhen, werden sich wohl einige Eltern überlegen, ob nicht ein Elternteil zu Hause bleiben soll, weil die Kita-Kosten den Zweitlohn auffressen. Dadurch verlieren wir Kinder. Gleichzeitig sind wir auf eine gewisse Auslastung angewiesen, um die Mietzinskosten zu decken.»