Kirchenglocken von Hand geläutet
02.02.2024 Bezirk Sissach, Oltingen, Kirche, Kultur, Bezirk SissachAusdauer und Disziplin müssen her
In Oltingen werden die Glocken noch von Hand geläutet. Dies übernehmen Herr und Frau Hufschmied und drei Jugendliche. Sieben Minuten dauert dieser Einsatz an den Glockenseilen und fordert Disziplin und Ausdauer.
Thomas ...
Ausdauer und Disziplin müssen her
In Oltingen werden die Glocken noch von Hand geläutet. Dies übernehmen Herr und Frau Hufschmied und drei Jugendliche. Sieben Minuten dauert dieser Einsatz an den Glockenseilen und fordert Disziplin und Ausdauer.
Thomas Gubler
Die Kirche St. Nikolaus in der Gemeinde Oltingen ist wohl eine der letzten Kirchen im Baselbiet, in der die vier Glocken noch regelmässig mit dem Seil geläutet werden. Eine weitere bekannte Gemeinde ist Wenslingen, wo das Betzeitglöcklein von Jugendlichen von Hand geläutet wird (die «Volksstimme berichtete).
Eine Elektrifizierung des Geläuts ist in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zwar einmal diskutiert worden. Der mangelnde Platz im engen Glockenturm und die veranschlagten hohen Kosten hätten aber dazu geführt, dass man darauf verzichtet hat. «Seither ist eine Elektrifizierung kein Thema mehr», erklärt die Oltinger Sigristin Marion Hufschmied-Müller.
Das Läuten liegt in Oltingen ganz im Verantwortungsbereich der Sigristin. Das heisst, sie wählt die Kinder fürs Läuten aus und betreut diese bei den Einsätzen. Und sie legt auch selbst Hand an. Die Sigristin besorgt nämlich von Sonntag bis Freitag das abendliche Betzeitläuten – um 19 Uhr während der Winterzeit, um 20 Uhr zur Sommerzeit. Und sie übernimmt eines der beiden Vorläuten am Sonntag, eine Stunde und eine halbe Stunde vor dem Gottesdienst. Beim gemeinsamen Läuten ist sie meistens auch dabei. Das 11-Uhr-Läuten wird dagegen von einer Stellvertreterin betreut.
Zum normalen Alltag des Glockenläutens kommen Beerdigungen und Hochzeiten und natürlich das Jahresende. Diese werden ebenfalls mit einem Geläut aller vier Glocken begangen.
Wie läuft dieses Läuten eigentlich genau ab? Samstagabend, 19 Uhr: Drei Schulkinder und ein Erwachsener ziehen im Eingang der Oltinger Kirche St. Nikolaus an den Seilen und läuten mit allen vier Glocken den Sonntag ein. Die kleinste Glocke, die sogenannte Dreiuhr-Glocke, eröffnet das Geläut. Es folgt die nächstgrössere, die Elfuhr- Glocke, dann die Betzeitglocke und als Letzter setzt Hansueli Gass, an diesem Samstag der älteste Glockenläuter, mit der 1450 Kilogramm schweren grossen Glocke ein.
Sieben Minuten lang arbeiten die vier, bevor das Glockenkonzert dann beendet wird, wobei die grosse Glocke noch lange über das Dorf am Oberlauf der Ergolz hallt. Am Samstagabend und am Sonntagmorgen zum Gottesdienst wird mit allen Glocken geläutet. Niemand wagte zu behaupten, dass es sich beim Glockenläuten nicht um Arbeit handelt.
Disziplin und Zuverlässigkeit
Dass der Sigristendienst unter diesen Umständen Disziplin und Zuverlässigkeit erfordert, versteht sich von selbst. Wird das Läuten einmal vergessen, ist das aber kein Weltuntergang. «Dann ist es eben mal ausgefallen», meint Willy Hufschmied, der Ehemann der Sigristin, der die Broschüre «Die grosse Glocke von Oltingen» neu aufgelegt hat. «Aber unbemerkt bleibt es auf jeden Fall nicht.»
Die vier Glocken im Turm von St. Nikolaus sind unterschiedlich alt. Die Dreiuhr-Glocke stammt aus dem Jahr 1921, ist auf Klangnote c’ gestimmt und 312 Kilogramm schwer. Sie kommt im Gesamtverband und eine halbe Stunde vor dem Gottesdienst zum Einsatz. Das nachmittägliche Dreiuhr-Läuten wurde 1979 aufgegeben. Die etwas grössere Elfuhr-Glocke ist auf Klangnote b’ gestimmt und stammt ebenfalls aus dem Jahr 1921. Diese wiegt 417 Kilogramm. Sie wird für das 11-Uhr-Läuten und im Gesamtverband eingesetzt.
Beinahe historisch sind die beiden grösseren Glocken. Die grosse Glocke, auf Klangnote es’ gestimmt, stammt aus dem Jahr 1493 und wiegt satte 1450 Kilogramm. Mit ihr wird sonntags vorgeläutet und natürlich bildet sie das Rückgrat beim Zusammenläuten. Die auf Klangnote g’ gestimmte Betzeitglocke schliesslich ist die älteste der Oltinger Glocken. Sie wurde 1440 gegossen und wiegt 850 Kilogramm.
Dass das Läuten gelernt sein muss, stellt man spätestens beim Besuch des Glockenturms fest. Dann wird nämlich klar, dass die Glocken nicht nur zum Läuten da sind, sondern auch für den Stunden- und den Viertelstundenschlag. Eine Kollision von Glockenläuten und dem zeitanzeigenden Hammerschlag auf die Glocke gilt es nämlich unbedingt zu vermeiden.
Die Kinder werden mit einer Sackgeldaufbesserung von 2 Franken pro Einsatz entschädigt. Für die Erwachsenen ist es ein wenig mehr und dient als Anreiz zum Mitmachen. Was laut dem Ehepaar Hufschmied wirkt, zumal sich auch Neuzuzüger für den Oltinger Brauch begeistern lassen.